In jungen Jahren kann man sich nur schwer vorstellen, wie es sich mal im Alter mit der Liebe verhalten wird. Wenn ich träumen dürfte, würde ich vermutlich mit 70 noch kuschelnd vor dem Fernseher sitzen. Kuschelnd mit dem Mann, der auch nach 40 Jahren noch mein Herz erwärmt. Nicht mehr mit dem anfänglichen Herzklopfen, aber ein kleines Kribbeln im Bauch wäre schön. Ich möchte mich angekommen fühlen.
Doch was ist, wenn das nicht passiert? Wenn ich zu diesem Zeitpunkt Single bin? Sitze ich dann unglücklich stundenlang vorm Fernseher und schaue „Sturm der Liebe“? Habe ich mir aus lauter Einsamkeit mind. 3 Katzen angeschafft? Vermutlich würde ich meine komplette Nachbarschaft bebacken und ein Kochbuch schreiben. Wenn ich dafür überhaupt Zeit hätte. Arztbesuche würden vermutlich den halben Tag einnehmen.
Bis jetzt kam in meinen Vorstellungen zum Thema „Single im Alter“ viel Einsamkeit vor, Resignation. Vielleicht ist das ja alles gar nicht so „schlimm“? Ich habe heute einen tollen Artikel in der „Zeit“ gelesen: Herr W. sucht die Liebe
Er handelt von einem 71 Jährigen Single-Mann. Lässt man diesen Fakt außer Acht, könnte man beim Lesen meinen, es handele sich um einen jungen berliner Single, der nach der großen Liebe sucht. Herr W. datet regelmäßig Frauen. Er macht genau das, was wir Singles Mitte 20 auch tun, das andere Geschlecht „abchecken“ und hoffen, dass ein passendes Gegenstück dabei ist. Es zählen ähnliche Werte: Optik, Intellekt, Hobbys. Gesundheit ist ein Kriterium, welches in meinem Alter noch nicht so relevant ist. So lange jemand gesund aussieht. frage ich nicht nach irgendwelchen Hüftschäden. Ein gefragter Single im Rentenalter sollte also Schlank, Fit und intelligent sein.
Sind diese Kriterien erfüllt, steht dem weiteren Dating nichts mehr im Wege.
Mit 71 noch mehrere Frauen regelmäßig treffen, ist beachtlich! Beeindruckend fand ich ebenfalls, dass es auch in diesem Alter noch um Sex geht. Damit hatte ich weniger gerechnet.
Dieser Artikel bringt mich zum Nachdenken. Ich stelle mir vor, wie es mir im besten Fall ergehen könnte, als Single im Alter. Unsere Generation wird anders alt werden, „moderner“ alt werden.
Ich sehe mich mit 70 bei „tinder for oldies but goldies“ hin und her wischen. Ältere Herren vor Autos, ältere Herren vor Sehenswürdigkeiten, ältere Herren im Fitnessstudio. Ein Wisch nach rechts und ich treffe mich auf einen Kaffee in der Stadt. Ist der Mann annehmbar, versuche ich ihn zu einem „Filmabend“ zu überreden. Vermutlich würde man nur seicht kuscheln, anstatt wild rumzuvögeln, aber es würde sich trotzdem so anfühlen, wie mit Mitte 20.
Nach einer Weile würde man feststellen, dass der Gegenpart doch einige Eigenheiten hat, mit denen man nicht klar kommt. Die Wege würden sich wieder trennen. Andere Begegnungen würden an der „Beziehungsunfähigkeit“ scheitern. Alte emotionale Verletzungen werden ein Zusammenfinden verhindern.
Ist dann doch mal jemand dabei, der mein Herz erwärmt, bestünde eine realistische Chance, dass man zusammen zieht, und eine gemeinsame Zukunft plant. Abgesehen von der Familienplanung, alles so wie mit Mitte 20.
Wenn ich so recht darüber nachdenke, wird sich nichts verändern! Ich werde zwar nicht mehr so knackig sein , werde die Treppen nicht mehr so schnell hoch hüpfen wie jetzt. Vielleicht wird es auch nicht mehr so viel um Sex gehen wie jetzt, aber alles in allem, bleibt es gleich.
Ich werde mich weiterhin regelmäßig mit meiner besten Freundin auf ein Eis treffen, Männergeschichten austauschen und mich darüber beschweren, dass sich niemand auf eine andere Person einlassen will. „Hast du den heißen Kerl da drüben gesehen? Der hat sicherlich noch seine echten Zähne, und die Hüfte sieht auch noch gut in Schuss aus!“ – werden wir beim Abchecken der Herren sagen, wenn wir im Park auf einer Bank Tauben füttern. Ich werde weiterhin einen Singleblog schreiben, und über meine Erlebnisse als Single Ü60 berichten. Wer weiß, ob das nicht einen neuen Trend einläuten könnte.
Dieser Artikel hat mir ein wenig meine Angst genommen. Die Angst vor dem Single sein im Alter. Denn wenn ich mir vorstelle, dass mein Leben mit 70 ähnlich aussieht wie jetzt, kann ich kaum meckern! Okay, vermutlich werden wir anstatt in einen Club zum Rentner Tanztee gehen, aber egal, Hauptsache Tanzen!
Allemal besser, als verbittert zu Haus zu sitzen mit einem Mann, der einen unglücklich macht.
Interessanter Artikel. Ich habe gemischte Gefühle, wenn ich das lese. Natürlich ist die Vorstellung schön, sich mit 70 genauso lebendig zu fühlen und genauso bereit zu sein, noch einmal neu anzufangen, wie mit 20. Andererseits gibt es ja auch den Wunsch, mit zunehmender Reife eine gewisse Oberflächlichkeit und Rastlosigkeit abzulegen, die Tinder-Datende in den 20ern so haben. Ich sehe mich selbst im Alter eher stärker in mir selbst ruhend, egal, ob ich jemanden an meiner Seite habe oder nicht. Vielleicht ist das aber ein weiblicher Wunsch – die lebenslange Sehnsucht, bei ANDEREN anzukommen, irgendwann abzulegen. Ich schließe mich deshalb Julienas Kommentar an. Ein Interview mit einer Frau wäre sehr spannend.
Vielleicht sollte man noch eine Frau in seinem Alter interviewen. Ich denke nämlich die Frauensicht ist im Alter eine ganz andere.