Ich bin nicht gut genug! – „Ghosting“ und „Benching“ sind doch nur eine Flucht vor mangelndem Selbstwertgefühl

Benching“, „Ghosting“, „Generation Beziehungsunfähig“, all diese Datingphänomene werden uns tagtäglich um die Ohren gehauen. Wir können uns nicht mehr binden, wir haben das Lieben verlernt, versucht man uns an jeder Ecke weiszumachen.

Eine Zeit lang war ich fast selbst davon überzeugt, dass wir dafür gar nichts können. Vielleicht gab es irgendwie eine Genmutation, die genau das Gen betraf, welches in unserem Körper für die Liebe zuständig ist? Wer weiß was da, als wir gezeugt wurden, im Essen war? Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Unsere Gene haben damit nun mal gar nichts zu tun. Kann es nicht sein, dass wir uns das in gewisser Weise selbst antun? Dass wir selbst, ob bewusst oder unbewusst, dafür sorgen, dass sich niemand an uns binden will? Ringt sich dann doch einmal jemand durch einen Versuch zu wagen, rennen wir schreiend davon. Ich habe dabei oft den Eindruck, dass sich die Person, die sich nicht binden will, sich oftmals selbst bestraft.

Ich bin nicht gut genug!

Darin bin ich leider nicht ganz unerfahren. Lernte ich einen Mann kennen, den ich als besonders toll empfand, ging ich automatisch auf Abstand. Ich verstand nicht, was dieser Mann an mir finden konnte. Denn hier kommen wir zum Knackpunkt: Ich war der Meinung, nicht gut genug zu sein! Was will ein so toller Mann bitteschön von mir? Der hat doch irgendeinen Schaden! Dass diese Gedanken in mir nicht neu waren, stellte ich vor kurzem fest, als ich in meiner alten Erinnerungskiste kramte. In dieser Kiste bewahre ich Erinnerungen an meine Schulzeit auf. Sie ist gefüllt mit Briefchen, die ich mir damals im Unterricht mit meiner besten Freundin schrieb. Wir hätten damit vermutlich Romane füllen können! Ich stieß auf einen Brief, dessen Inhalt mich nachdenklich machte:

Jule: Ich bekomme nie wieder einen Freund!
Lotti: Spinnst du??? Na klar bekommste einen!
Jule: glaub ich nich! bin einfach zu hässlich!
Lotti: sag das nicht! Du bist wirklich hübsch!!!
Jule: glaub ich aber nicht! Sonst hätt ich ja nen Freund!
Lotti: Die die dich mögen trauen sich nicht!

Ich war damals um die 14 Jahre alt. Und wie man sieht, war mein Selbstwertgefühl damals eher nicht vorhanden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mich jemals ein Mann toll finden würde. Was resultierte am Ende daraus? Jegliche Annäherungsversuche, Komplimente oder Schmeicheleien wurden als „Schleimerei“ und nicht ernst gemeint abgetan. Es fehlte der Glaube, dass man selbst einem Menschen wirklich etwas bedeuten könnte. Hier trifft es wohl die Annahme, dass man sich erst selbst lieben muss, bevor man sich auf etwas einlassen kann.

Unser Selbstwertgefühl wurde geprügelt

Seien wir mal ehrlich, unser Selbstwertgefühl wurde in unserer Jugend geprügelt, und zwar vom Feinsten! Wir wurden ausgelacht, verspottet und manchmal sogar gehänselt. Das war irgendwie normal. Das schien zum erwachsen werden dazuzugehören. Ich für meinen Teil gehörte nie zu den „Coolen“ oder zu den „Leadern“. Unscheinbar war ich, hatte meine ebenfalls unscheinbaren Freunde und wurde von den anderen öfter mal schief angeschaut.  In jungen Jahren sind wir unscheinbaren Ladys den Männern einfach nicht aufgefallen. Und wenn dann eher negativ. Zu fett, zu hässlich, einfach nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechend. Charakter? Zählte nicht! Jugendliche können echt grausam sein. Das Problem ist, dass diese Lebensphase besonders prägt. Sie prägt unsere Persönlichkeit und schafft erste Anlagen für unser Bindungsverhalten. Wer schon in jungen Jahren beigebracht bekommt, dass er nicht gut genug ist, verlernt das später nur schwer.

Will jemand an unser Herz, schalten wir den Panikmodus ein

Umso älter wir werden, desto besser werden wir darin, diese Selbstzweifel zu überspielen. Wir werden zu selbstbewussten Erwachsenen, die sich der Gesellschaft angepasst haben. Solange andere Menschen einen gewissen Sicherheitsabstand zu uns halten, wirken wir gefestigt und reif. Doch sobald jemand an unserer Fassade kratzt und an unser Herz will, schalten wir den Panikmodus ein. „Was kann der bitte von mir wollen? Ist der blind? Will der mich veräppeln oder was?“, schießen die Gedanken durch unsere Köpfe. Man möchte das Gegenüber sozusagen „vor Schlimmerem“ bewahren, weil man sich selbst nicht zu schätzen weiß.

Interesse an mir? Nimmst du etwa Drogen?

Ich erinnere mich nur zu gerne an einen Mann, der mich vor einigen Jahren in einem Club ansprach: Wunderhübsch, Model, ein absoluter Hingucker! Ich unterstellte ihm Drogenkonsum oder einen Hirnschaden weil ich nicht glauben konnte, dass sich ein solcher Mann für mich interessieren könnte. Ich zog sofort eine emotionale Mauer hoch, um mich zu schützen. Trotzdem dieser Mann weiterhin beteuerte, ernsthaftes Interesse an mir zu haben, nahm ich die Beine in die Hand und ging ihm aus dem Weg.  „Ich habe dieses Glück nicht verdient!“, dachte ich so oft sobald es mal so schien, als sei der richtige Mann für mich gefunden. „Der könnte doch locker jemand besseres haben!“, ging mir durch den Kopf. Ich bestrafte mich selbst mit Liebesentzug weil ich nicht gelernt hatte, dass mich jemand toll finden könnte.

Datingphänomene „Ghosten“ und „Benchen“ als Flucht vor unseren Emotionen

Wenn ich mir nun vorstelle wie viele Menschen ähnliche Emotionen verspüren, sobald es um Bindung geht, wundere ich mich nicht mehr über die heutige Beziehungsunfähigkeit. Wir haben schon in jungen Jahren eine emotionale Mauer aufgebaut, die nur schwer zu überwinden ist. Kratzt jemand daran, ergreifen wir die Flucht. Wir „Ghosten“ um uns komplett dieser für uns schwierigen Situation zu entziehen, oder „Benchen“ um zwar hier und da ein bisschen Liebe zu erhaschen, aber niemandem die Möglichkeit zu geben, sich unserer Mauer zu stellen. Ich glaube hier liegt eine der größten Herausforderungen des Erwachsenwerdens: Wir müssen selbst erkennen, wie wertvoll wir sind. Jeder hat es verdient zu lieben und geliebt zu werden.

Oldies but goldies – Wie würde mein Singleleben mit 70 aussehen?

In jungen Jahren kann man sich nur schwer vorstellen, wie es sich mal im Alter mit der Liebe verhalten wird. Wenn ich träumen dürfte, würde ich vermutlich mit 70 noch kuschelnd vor dem Fernseher sitzen. Kuschelnd mit dem Mann, der auch nach 40 Jahren noch mein Herz erwärmt. Nicht mehr mit dem anfänglichen Herzklopfen, aber ein kleines Kribbeln im Bauch wäre schön. Ich möchte mich angekommen fühlen.

Doch was ist, wenn das nicht passiert? Wenn ich zu diesem Zeitpunkt Single bin? Sitze ich dann unglücklich stundenlang vorm Fernseher und schaue „Sturm der Liebe“? Habe ich mir aus lauter Einsamkeit mind. 3 Katzen angeschafft? Vermutlich würde ich meine komplette Nachbarschaft bebacken und ein Kochbuch schreiben. Wenn ich dafür überhaupt Zeit hätte. Arztbesuche würden vermutlich den halben Tag einnehmen.

Bis jetzt kam in meinen Vorstellungen zum Thema „Single im Alter“ viel Einsamkeit vor, Resignation. Vielleicht ist das ja alles gar nicht so „schlimm“? Ich habe heute einen tollen Artikel in der „Zeit“ gelesen: Herr W. sucht die Liebe

Er handelt von einem 71 Jährigen Single-Mann. Lässt man diesen Fakt außer Acht, könnte man beim Lesen meinen, es handele sich um einen jungen berliner Single, der nach der großen Liebe sucht. Herr W. datet regelmäßig Frauen. Er macht genau das, was wir Singles Mitte 20 auch tun, das andere Geschlecht „abchecken“ und hoffen, dass ein passendes Gegenstück dabei ist. Es zählen ähnliche Werte: Optik, Intellekt, Hobbys. Gesundheit ist ein Kriterium, welches in meinem Alter noch nicht so relevant ist. So lange jemand gesund aussieht. frage ich nicht nach irgendwelchen Hüftschäden. Ein gefragter Single im Rentenalter sollte also Schlank, Fit und intelligent sein.

Sind diese Kriterien erfüllt, steht dem weiteren Dating nichts mehr im Wege.

Mit 71 noch mehrere Frauen regelmäßig treffen, ist beachtlich! Beeindruckend fand ich ebenfalls, dass es auch in diesem Alter noch um Sex geht. Damit hatte ich weniger gerechnet.

Dieser Artikel bringt mich zum Nachdenken. Ich stelle mir vor, wie es mir im besten Fall ergehen könnte, als Single im Alter. Unsere Generation wird anders alt werden, „moderner“ alt werden.

Ich sehe mich mit 70 bei „tinder for oldies but goldies“ hin und her wischen. Ältere Herren vor Autos, ältere Herren vor Sehenswürdigkeiten, ältere Herren im Fitnessstudio. Ein Wisch nach rechts und ich treffe mich auf einen Kaffee in der Stadt. Ist der Mann annehmbar, versuche ich ihn zu einem „Filmabend“ zu überreden. Vermutlich würde man nur seicht kuscheln, anstatt wild rumzuvögeln, aber es würde sich trotzdem so anfühlen, wie mit Mitte 20.

Nach einer Weile würde man feststellen, dass der Gegenpart doch einige Eigenheiten hat, mit denen man nicht klar kommt. Die Wege würden sich wieder trennen. Andere Begegnungen würden an der „Beziehungsunfähigkeit“ scheitern. Alte emotionale Verletzungen werden ein Zusammenfinden verhindern.

Ist dann doch mal jemand dabei, der mein Herz erwärmt, bestünde eine realistische Chance, dass man zusammen zieht, und eine gemeinsame Zukunft plant. Abgesehen von der Familienplanung, alles so wie mit Mitte 20.

Wenn ich so recht darüber nachdenke, wird sich nichts verändern! Ich werde zwar nicht mehr so knackig sein , werde die Treppen nicht mehr so schnell hoch hüpfen wie jetzt. Vielleicht wird es auch nicht mehr so viel um Sex gehen wie jetzt, aber alles in allem, bleibt es gleich.

Ich werde mich weiterhin regelmäßig mit meiner besten Freundin auf ein Eis treffen, Männergeschichten austauschen und mich darüber beschweren, dass sich niemand auf eine andere Person einlassen will. „Hast du den heißen Kerl da drüben gesehen? Der hat sicherlich noch seine echten Zähne, und die Hüfte sieht auch noch gut in Schuss aus!“ – werden wir beim Abchecken der Herren sagen, wenn wir im Park auf einer Bank Tauben füttern. Ich werde weiterhin einen Singleblog schreiben, und über meine Erlebnisse als Single Ü60 berichten. Wer weiß, ob das nicht einen neuen Trend einläuten könnte.

Dieser Artikel hat mir ein wenig meine Angst genommen. Die Angst vor dem Single sein im Alter. Denn wenn ich mir vorstelle, dass mein Leben mit 70 ähnlich aussieht wie jetzt, kann ich kaum meckern! Okay, vermutlich werden wir anstatt in einen Club zum Rentner Tanztee gehen, aber egal, Hauptsache Tanzen!

Allemal besser, als verbittert zu Haus zu sitzen mit einem Mann, der einen unglücklich macht.

Dieser Mann ist ein „Emotionaler Krüppel“

„Ich bin ein emotionaler Krüppel!“ – Diesen Satz höre ich in letzter Zeit vermehrt von den Herren, mit denen ich zu tun habe.

Ich lerne sie oberflächlich kennen, sehe ihre Stärken und ihre Schwächen. Umso tiefer ich in ihre Seele blicken darf, desto wertvoller und wundervoller erscheinen mir diese Männer. Manchmal schaue ich sie verträumt an, sehe sie lachen und denke mir: „Wenn du wüsstest, wie toll du bist! Wenn du wüsstest, was ich in dir sehe!“. Wird unsere Verbindung jedoch enger, suchen die Männer einen „Ausweg“, um sich nicht noch weiter öffnen zu müssen. „Ich bin ein emotionaler Krüppel, du kannst von mir nichts erwarten!“ – Eat that! Als Totschlagargument kann man das bezeichnen! Was will ich so einer Aussage entgegen stellen?“Nein, stimmt doch gar nicht!“ – hilft da wenig. Ich nehme es also hin.“Emotionaler Krüppel“ – diese Formulierung schwirrt mir so oft in meinem Kopf herum. Ich möchte sie für mich definieren, eine Erklärung finden, wie jemand dazu kommt, sich als so etwas zu bezeichnen.

Traurigkeit und Resignation

Was ist ein „Emotionaler Krüppel“? Ist das eine Person, welche keine Emotionen empfinden kann? Nein! Die Männer, die mir so etwas sagten, hatten tiefe Emotionen. In ihren Augen sah ich Traurigkeit und Resignation. Es waren kleine Momente, in denen die Maske fiel. Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Situation, in der ich mich mit einer Affäre stritt. Er hatte mich schlecht behandelt, und ich lag daraufhin weinend in seinem Bett. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, so wütend und verletzt war ich. Er strich mir über die Wange und bemerkte die Tränen in meinem Gesicht. Bis zu diesem Zeitpunkt war ihm nicht klar, wie nah mir das Ganze ging. Ihn durchfuhr ein Schauer, eine kleine Explosion, etwas schwer zu beschreibendes, was plötzlich sein Herz öffnete. „Ich weine auch manchmal, ziemlich oft sogar.„, gestand er mir. Ich drehte mich zu ihm und sah in seine feuchten Augen. Das sonst dauerhafte Lächeln war verschwunden, plötzlich zeichnete eine Ernsthaftigkeit sein Gesicht.

Ein „Emotionaler Krüppel“ ist also vermutlich jemand, der seine Emotionen unterdrückt, oder überspielt.

„Emotionale Krüppel“ entstehen durch tiefe Verletzungen

Wie wird man  zu einem „Emotionaler Krüppel“? Ich kann hier nur Vermutungen anstellen, die ich aus den beiläufigen Erzählungen der Männer ziehe. Meistens waren es Herren, die eine längere Beziehung hinter sich hatten. Sie glaubten die Frau fürs Leben gefunden zu haben. Wie oft sah ich Fotos aus ihrer Vergangenheit: Verliebte Blicke, Urlaub am Meer, gemeinsame Feiern. Diese Männer waren angekommen. Nur hielt die Beziehung verschiedenen Faktoren nicht stand. Seien es verschiedene Lebenswege, oder verschiedene Lebensweisen gewesen. Es waren nie große tränenreiche Trennungen. Kein Rosenkrieg, wie man es normalerweise annimmt. Diese verflossenen Frauen haben tiefe Spuren in den Herzen der Männer hinterlassen. Manchmal so tief, dass es keine andere Frau schafft, ihre eigenen Abdrücke zu hinterlassen.

Ihr Lachen ist Fassade

Aufgefallen ist mir, dass sich diese Männer in einer Sache sehr ähnlich sind. Sie sind ungemein selbstbewusst. Betreten sie einen Raum, liegt die Aufmerksamkeit sofort bei ihnen. Ihr Lächeln lässt andere Menschen strahlen. Sie wirken mit sich im Reinen. Ihre Ausstrahlung hat eine enorme Anziehungskraft auf Frauen. Auch mich ziehen solche Männer an wie Magneten. Viel Spaß kann man mit ihnen haben, so lange man nicht zu sehr an der Fassade kratzt. Man bleibt nur an der Oberfläche. Bei mir lösen solche Männer oft Gedanken aus wie: „Ich helfe dir mit deinen emotionalen Problemen klar zu kommen. Wir schaffen das gemeinsam.„. Das ist für mich eine innere Motivation, der ich mich nur schwer entziehen kann.

Verletzungen begleiten unseren Lebensweg

Wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Niemand geht seinen Lebensweg ohne Schrammen. Mir stellt sich nur die Frage: Sollten wir die Menschen, die unsere Narben sehen, von uns fern halten? Sie mit den Verursachern vergleichen? Ich versuche das nicht zu tun. Jeder Mensch ist wundervoll, mit all seinen Wunden und Narben. Kein Mensch, welchen ich kennenlerne, kann etwas für das, was andere Menschen vor ihm getan haben. Jeder hat somit die Chance verdient zu versuchen, die Wunden zu heilen und die Narben verschwinden zu lassen. Ein „Emotionaler Krüppel“ ist für mich jemand, der nicht weiß, wie man seine Wunden und Narben behandeln kann. Er sollte sich nach der richtigen Medizin umschauen. Manchmal ist das nicht die „Schulmedizin“, sondern etwas, was neu ist, ungewohnt.

Wunden, die jemand in uns hinterlassen hat, sind heilbar. Wir müssen uns nicht zum „Krüppel“ machen lassen. Es braucht nur die richtige Medizin.

Warum ich mich nicht zwischen Singleleben und Beziehung entscheiden kann

„Genieße das Single sein!“ – Wie oft hört man diesen Satz, wenn man sich über das Allein sein beschwert. Was soll man am Singleleben genießen? Das frage ich mich oft, wenn ich auf meiner Couch liege, mich gerne an jemanden anlehnen würde, aber stattdessen in Embryonalstellung mit dem Kissen kuschle. In diesen Momenten wünsche ich mir nichts mehr als jemanden, der einfach da ist.

Was wäre wenn…

Doch was passiert, wenn sich auf einmal eine Möglichkeit ergibt, sich ein Mensch ins Leben schleicht, der diese Einsamkeit beenden könnte? So romantisch die Gedankengänge dann auch sein mögen: Gemeinsame Sonnenuntergänge, kuscheln zu einem Horrorfilm, sein Umfeld mit Turtelei nerven etc. Irgendwann ploppt im Hirn auf: Aber wenn dich nun der eine tolle Typ aus deiner Stammkneipe endlich wahrnimmt und mit dir ausgehen will? Was, wenn sich der Traummann von vor einem Jahr meldet und dich zurück haben will? Was, wenn der Zukünftige ein Problem mit deinem Partyleben hat? Was, wenn du dich wieder in einer Beziehung verlierst?

Zu viele Möglichkeiten

Da kommt sie wieder zum Vorschein, die „Generation Beziehungsunfähig“. Zu viele Möglichkeiten. Lege ich mich fest, entgehen mir vielleicht viel bessere Nächte, viel schönere Menschen. Meine „to fuck“ – Liste ist noch nicht leer, sie füllt sich eher kontinuierlich. Ärgert es mich zu sehr, wenn ich durch eine Beziehung mögliche Gelegenheiten verstreichen lasse? In meinem Alter hat man den Anspruch jemanden zu finden, mit dem man den Großteil seines Lebens verbringen kann. Da gibt es keinen Plan B. Wer will schon das halbe Leben alleine verbringen? Dann gibt es keine Partys mehr, auf denen man bis Morgens um 6 Uhr tanzen kann. Immer mehr Freunde heiraten, bekommen Kinder, man gehört nicht mehr dazu. Weihnachten zu Hause allein vor dem nicht vorhandenen Weihnachtsbaum. Wenigstens die Katze bekommt ein Geschenk. Na herzlichen Glückwunsch.

Hin- und hergerissen zwischen den Welten

So langsam verstehe ich die „Beziehungsunfähigen“, hin- und hergerissen zwischen zwei Welten. Das Pärchenleben erscheint so endgültig, so abgeschottet. Schaue ich mir die Paare in meinem Umfeld an, gibt es neben den Neid- auch viele die-tun-mir-leid-Momente. Mit jeder Beziehung gewinnt man zwar einen tollen Menschen, verliert jedoch im gleichen Zug Freunde, möchte ich das? Loslassen fällt schwer, egal ob es sich um eine Beziehung oder um eine Freundschaft handelt. Loslassen von einer Lebensweise, fällt mir persönlich besonders schwer. Ich habe mich eingewöhnt, mich arrangiert mit dem Ablauf des Alltags. Montag bis Freitag: Arbeit, Hobby, im Idealfall Freunde. Freitag bis Sonntag: Party. Spaß. Leben genießen.

Samstags alleine zu Haus sitzen, da kocht die Einsamkeit hoch

Für mich gehört es jedes Wochenende dazu, neue Menschen kennenzulernen, zu flirten und auch mal jemanden abzuschleppen. Ich mag wie es ist. Solange das genau so klappt, habe ich keinen Grund mich zu beschweren. Aber was passiert, wenn ich Samstag Abend mal nicht unterwegs bin und alleine zu Hause sitze? Dann wünsche ich mir nichts sehnlicher, als jemanden an meiner Seite zu haben. Es ist so widersprüchlich. Manchmal will ich dies, manchmal will ich das. Ich will mich nicht festlegen, keinen Teil von mir selbst aufgeben.

„Man muss auch mal loslassen können“

Eine Affäre stellt eine mögliche Lösung dar. Sie gibt Nähe und ist unverbindlich. Aber auch diese Nähe ist nur begrenzt. Geht es einem Part der Affäre schlecht, hat der Gegenpart keinerlei Verpflichtung, sich zum Anlehnen zur Verfügung zu stellen. Hin- und hergerissen steht man nun da, mit Mitte/Ende 20. Man will sich weiterentwickeln, vorankommen im Leben. Familiengründung, Haus bauen, Baum pflanzen etc. andererseits möchte man an seinem aufregenden Partyleben festhalten, Langeweile weiterhin als Fremdwort betrachten. Wie sagte mein Tanzlehrer so passend: „Man muss auch mal loslassen können!“. Die Frage ist, was man loslassen sollte: Den Traum eines glücklichen Beziehungslebens oder das ausschweifende Singleleben? Am Ende werde ich mich wohl immer fragen: Hätte ich nicht ein erfüllteres Leben gehabt, wenn….?