Ich glaubte immer, dass Ü30 Partys etwas für das „alte Eisen“ wären. Seniorenpogo, sozusagen. Dabei ahnte ich nicht, wie entspannt solche Abende sein können.
Es gibt Wochenenden, an denen ist einfach nichts los. Im Stammclub tritt eine Band auf, die man nicht hören mag, und die 90er Party, welche um die Ecke stattfindet, wird nur von Menschen frequentiert, die man ungern in seiner Nähe hat. Während ich den Partyplaner für Samstag durchblätterte, sank meine Stimmung enorm. Ich wollte mich bewegen, den Bürofrust der Woche einfach wegtanzen. Da muss doch noch etwas gehen, dachte ich, und klickte mich durch die Angebote. „Ü30-Party“ erschien auf meinem Bildschirm. Sofort zuckte ein Reflex durch meine Hand und versuchte den Browser zu schließen als Bestrafung dafür, dass er es sich wagte mir so etwas überhaupt vorzuschlagen. Ü30, das ist doch noch ewig hin, bin ich doch gerade erst als frisches Küken aus dem Ei geschlüpft. Naja, zugegeben, ich flunkere. In einem Jahr und wenigen Monaten habe ich sie erreicht, die 30, mit der ich dann auch berechtigt wäre, so eine Party zu besuchen. Doch irgendetwas reizte mich schon jetzt daran. Feiermäßig war ich meinem Alter nämlich schon immer etwas voraus. Während sich meine Schulkameraden mit ihren süßen 16 Jahren auf Veranstaltungen mit gefälschtem Muttizettel herumtrieben, tanzte ich bis zur ersten morgendlichen Schulstunde im Studentenclub. Dort interessierte es weder den Einlasser, noch den Barkeeper, dass ich nicht studierte, geschweige denn 18 Jahre alt war. Es waren die besten Partys meines Lebens. Ich fühlte mich erwachsen und besonders.
Ab 22 Uhr packt meine Couch den Magnetmodus aus
Mit den Jahren verstrich dieses Gefühl. Plötzlich war ich vom Küken zum „alten Eisen“ geworden. Genau das war es, was mich tatsächlich darüber nachdenken ließ, diese Ü30 Party zu besuchen. Ich schnappte mir meinen Freundeskreis und dann sollte es auch schon losgehen. 21 Uhr öffneten die Tore, damit all diejenigen, die vom folgenden Sonntag noch etwas haben wollten, auch zum Zuge kommen würden. Ich erwischte mich dabei, wie ich mich insgeheim darüber freute vor 23 Uhr das Haus verlassen zu können. Pünktlich ab 22 Uhr packt meine Couch nämlich den Magnetmodus aus und es fällt mir immer schwerer mich dann noch aufzuraffen.
Keine gierigen Blicke, keine dummen Sprüche
Auf der Tanzfläche angekommen, begann ich zu grinsen. Wie jung ich mich plötzlich fühlte, als ich die Mitfeiernden sah. Bei einem leckeren Glas Sekt wanderten meine Blicke durch den Raum. 90% Frauen bevölkerten das Tanzparkett. Anscheinend hatten sie die Herren für diese Nacht als Kinderbetreuung eingeteilt, um mal wieder schwoofen gehen zu können. Mein Gott war das entspannt. Ich war es gewöhnt, mich während einer Party von blöden Anmachversuchen nicht verunsichern zu lassen. Sobald mein Freundeskreis auf „normalen“ Partys mal nicht neben mir stand, bekam ich es mit der Angst zu tun, dass gleich irgendein Idiot die Chance nutzen könnte und mir auf die Nerven gehen würde. Nicht so auf dieser Veranstaltung. Ich tanzte Lied für Lied im Rhythmus der Musik, auch allein. Keine gierigen Blicke, keine dummen Sprüche. Ich hatte genug Zeit, um mich alle 10 Minuten über die Musikauswahl zu freuen. Feinste 80er Beats, die besten 90er, so habe ich das gern. Fast hätte ich mir in die Hose gemacht, weil ich den Gang auf die Toilette immer weiter verschob, um ja keinen guten Song zu verpassen.
Ich freue mich schon auf Ü50 Partys!
Selten habe ich so einen entspannten Abend genießen können. Es war wie eine andere Welt, wenn ich diese Ü30 Party mit all den anderen Veranstaltungen vergleiche, auf denen ich mich normalerweise herumtreibe. Ich fühlte mich so wie damals, als ich partymäßig meinem Alter voraus war: Wunderbar! Lass euch eines gesagt sein: anstatt darauf zu achten, dass ich durch mein Make-Up besonders junge aussehen würde, mache ich mir nun die in jungen Jahren erlernten Tricks zu Nutze. Damals musste ich mit 16 schon für 18 durchgehen, heute schminke ich mich auf alt, um mit 28 auf eine Ü30 Party gelassen zu werden. „Denk daran, in 20 Jahren müssen wir es dann auf eine Ü50 Party schaffen.“, erwähnte einer meiner Freunde amüsiert, während wir zur Musik hüpften. Er hatte Recht. Und ganz ehrlich, ich freue mich darauf, wenn ich mir noch ein paar mehr Falten schminken muss, damit mich die Türsteher schon mit 48 Jahren dort durchwinken.