Verändert sich der Mensch, wenn er eine Weile auf Partnersuche ist? Allgemein bekannt ist, dass die Selbstoptimierung des Singles seinesgleichen sucht. Sportkurse, Karriere, gesunde Ernährung….wer als partnerloses Individuum in der Großstadt in Konkurrenz mit den ganzen anderen liebeshungrigen Alleinstehenden gehen möchte, verwendet nicht wenig Zeit damit, das Beste aus sich herauszuholen. Das Singledasein gleicht einem Lifestyle, der nicht nur Gewohnheiten zu verändern scheint, sondern auch den Menschen, der allein ist.
Die Single-Dating-Bubble hat meine Persönlichkeit verändert
Meine Single-Zeit ist einige Jahre her, doch die Veränderungen, die damit einhergingen, begleiten mich bis heute. Als ich noch allein durch die Welt ging, habe ich versucht mich so breit as possible aufzustellen. Ich habe mich für alle möglichen Themen interessiert, nur um beim Smalltalk zu allem mit Wissen glänzen zu können. Du interessierst dich für Fische? Da habe ich doch letztens etwas gelesen…Ach du beschäftigst dich mit Politik? Was sagst du denn zum neuen SPD-Vorsitz? Dass ich mich zum damaligen Zeitpunkt weder für Fische, noch für Politik interessierte, vernachlässigte ich. Hauptsache die Aufmerksamkeit des Gegenübers gewinnen und gebildet wirken.
Für alle möglichen Männer perfekt sein zu wollen, das war mein Antrieb
Ich habe mir viele verschiedene Rollen zugelegt, in die ich bei passender Gelegenheit schlüpfen konnte. „Die Schüchterne“, „Die Gefühlvolle“, „Die Draufgängerin“, „Die Sexy-Hexi“, „Das Partygirl“, um nur einige zu nennen. Perfekt sein zu wollen, für alle möglichen Männer das gesuchte Gegenstück sein zu können, das war mein Antrieb. Du stehst auf Tussis? Kein Problem. Einmal in den Kosmetikschrank gegriffen und voilà, ich präsentiere: das „Tussi-Ich“. Sag mir, was dir gefällt, und ich krame in meiner Persönlichkeitenkiste. Hauptsache Anerkennung.
Ich brauchte die Gewissheit, dass ich keine Schuld hatte
Dass es am Ende nicht an mir lag, wenn es mit einem 2. Date nicht klappte oder sich am Ende keine Beziehung entwickelte, das war mir wichtig. Alles gegeben zu haben, ohne Rücksicht auf den Verlust meines eigenen Charakters, diese Gewissheit brauchte ich. So anstrengend wie das klingt, war es auch. Aber im gleichen Atemzug aufregend. Wie eine Schauspielerin schlüpfte ich in die verschiedensten Rollen und lebte Teile meiner Persönlichkeit aus, die sonst nur selten zum Vorschein kamen. Meine schon seit Kindestagen präsente Vorliebe für Kostüme und Maskerade wurde durch die Partnersuche auch auf meinen Charakter projiziert. Nicht ich selbst sein zu müssen, schützte mich vor allzu großen Verletzungen. Wie auch eine Schauspielerin in ihren Rollen, konnte ich zwischen verschiedenen „Filmen“ switchen, sodass ich gar nicht erst in die Verlegenheit kam, mich auf eine Story so richtig festzulegen. Doch umso öfter ich die Kostüme wechselte, die Rollen tauschte, desto unglücklicher wurde ich.
Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?
Das Ergebnis des Ganzen? Am Ende wusste ich nicht mehr, wer ich eigentlich war und was mich ausmachte. Ich hatte das Gefühl, niemand könnte mich in meiner gesamten Persönlichkeit sehen, da diese sich irgendwo hinter den verschiedenen Maskeraden befand. Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele? Es war mir nicht klar, ob meine Dates mich nur für die Rolle schätzten, die ich für sie spielte, oder erkannten, wer ich wirklich war.
Ob ich meine Maskerade durch meine bestehenden Beziehung aufgegeben habe? Teils teils. Zu Hause, auf der Couch, sitzt die ungeschminkte Wahrheit, die Jule, die abseits ihrer Rollen einfach nur sie selbst sein will. Zumindest so lange, bis sie das Haus verlässt. Als eine andere.