Vorsorgeuntersuchungen, Rentenlücke – Wann sind wir nur so erwachsen geworden?

Als mich meine beste Freundin fragte, ob ich schon die mir ab dem 30 Geburtstag zustehende Vorsorgeuntersuchung beim Frauenarzt in Anspruch genommen hätte, wusste ich: die Zeiten ändern sich. Wir sind erwachsen geworden.

Auf dem kleinen Bar-Tisch vor uns befanden sich mehrere geleerte Cocktailgläser, umrandet mit halb leeren Bierflaschen. Der Alkoholpegel war leicht gehoben, was im Normalfall bedeutete, dass der Abend gerade erst begonnen hatte. Die Clubs der Stadt standen uns offen. Diese Nacht hätte unsere Nacht werden können. Aber wir hatten besseres zu tun: wir haderten mit unserer Erwachsenwerdung.

„Rentenlücke“ gehörte noch vor ein paar Jahren nicht zu meinem Wortschatz

„Ich glaube, erwachsen ist der Mensch, wenn er sich ernsthaft mit seiner Altersvorsorge auseinandersetzt.“, kommentierte mein bester Freund, als ich ihn fragte, ob wir nun dort angekommen waren, wo wir eigentlich immer hin wollten. Ich rechnete ihm vor, mit welchem monatlichen Betrag ich meine Rentenlücke aktuell füllen wollte und philosophierte anschließend darüber, ob man mit über 70 noch ins Kino gehen würde, oder ob diese Ausgabe aus der Rechnung gestrichen werden könnte.

Der Rücken muckt, der Kater wird zum ungeliebten Haustier

Noch nie habe ich mich so ernsthaft mit der Zukunft beschäftigt. In meinen 20ern träumte ich von Karriere, großen Reisen und einer nie endenden Party. Die Welt stand mir offen, hinter jeder Tür versteckte sich eine neue Chance. Im Kopf muss es scheinbar einen großen Schalter geben, der diese Träume irgendwann in die Realität schleudert. Ist er umgelegt, scheint nichts mehr, wie es einmal war. Der Rücken muckt auf, der Kater wird zum ungeliebten Haustier, welches sich nicht einmal mit Aspirin vertreiben lässt.

Ist man erwachsen, spürt man die Sünden der Jugend

Verantwortung für den eigenen Körper übernehmen zu müssen, das ist für mich die eine große Schwelle, die es zu übertreten gilt, um sich wirklich erwachsen zu fühlen. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie viele Hirnzellen der nächste Schnaps vernichtet. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, wie krebserregend ein leicht angebranntes Schnitzel wirkt. Ist man erwachsen, spürt man die Sünden der Jugend, die Folgen des Leichtsinns. Ärzte ersetzen nun das „Was Schlimmes haben sie nicht, Sie sind doch noch jung.“ mit einem „Das sollten wir uns mal genauer anschauen.“ und sprechen plötzlich von Muskelaufbau, der ab einem gewissen Alter ganz sinnvoll wäre, oder Blutwerten, die zu einer anderen Ernährung mahnen.

Wir haben die Schwelle überschritten

Ich fühle mich, als hätte jemand die Vorspultaste gedrückt. War ich nicht gerade noch in der Blüte meines Lebens? Jetzt mache ich mir zusammen mit meinen Freunden darüber Gedanken, ab wann eine Darmspiegelung sinnvoll wäre und ob die Rentenlücke zu einer späteren Verarmung führen würde. Die Leichtigkeit, mit der wir frühere Kneipenabende begingen, wandelt sich. Sie entwickelt eine Ernsthaftigkeit, die auch ein weiteres Bier nicht wegspülen kann.

Gemeinsame Abende haben sich verändert – wir haben uns verändert. Wir haben sie überschritten, die Schwelle zum Erwachsensein.

Ich bin nicht gut genug! – „Ghosting“ und „Benching“ sind doch nur eine Flucht vor mangelndem Selbstwertgefühl

Benching“, „Ghosting“, „Generation Beziehungsunfähig“, all diese Datingphänomene werden uns tagtäglich um die Ohren gehauen. Wir können uns nicht mehr binden, wir haben das Lieben verlernt, versucht man uns an jeder Ecke weiszumachen.

Eine Zeit lang war ich fast selbst davon überzeugt, dass wir dafür gar nichts können. Vielleicht gab es irgendwie eine Genmutation, die genau das Gen betraf, welches in unserem Körper für die Liebe zuständig ist? Wer weiß was da, als wir gezeugt wurden, im Essen war? Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Unsere Gene haben damit nun mal gar nichts zu tun. Kann es nicht sein, dass wir uns das in gewisser Weise selbst antun? Dass wir selbst, ob bewusst oder unbewusst, dafür sorgen, dass sich niemand an uns binden will? Ringt sich dann doch einmal jemand durch einen Versuch zu wagen, rennen wir schreiend davon. Ich habe dabei oft den Eindruck, dass sich die Person, die sich nicht binden will, sich oftmals selbst bestraft.

Ich bin nicht gut genug!

Darin bin ich leider nicht ganz unerfahren. Lernte ich einen Mann kennen, den ich als besonders toll empfand, ging ich automatisch auf Abstand. Ich verstand nicht, was dieser Mann an mir finden konnte. Denn hier kommen wir zum Knackpunkt: Ich war der Meinung, nicht gut genug zu sein! Was will ein so toller Mann bitteschön von mir? Der hat doch irgendeinen Schaden! Dass diese Gedanken in mir nicht neu waren, stellte ich vor kurzem fest, als ich in meiner alten Erinnerungskiste kramte. In dieser Kiste bewahre ich Erinnerungen an meine Schulzeit auf. Sie ist gefüllt mit Briefchen, die ich mir damals im Unterricht mit meiner besten Freundin schrieb. Wir hätten damit vermutlich Romane füllen können! Ich stieß auf einen Brief, dessen Inhalt mich nachdenklich machte:

Jule: Ich bekomme nie wieder einen Freund!
Lotti: Spinnst du??? Na klar bekommste einen!
Jule: glaub ich nich! bin einfach zu hässlich!
Lotti: sag das nicht! Du bist wirklich hübsch!!!
Jule: glaub ich aber nicht! Sonst hätt ich ja nen Freund!
Lotti: Die die dich mögen trauen sich nicht!

Ich war damals um die 14 Jahre alt. Und wie man sieht, war mein Selbstwertgefühl damals eher nicht vorhanden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mich jemals ein Mann toll finden würde. Was resultierte am Ende daraus? Jegliche Annäherungsversuche, Komplimente oder Schmeicheleien wurden als „Schleimerei“ und nicht ernst gemeint abgetan. Es fehlte der Glaube, dass man selbst einem Menschen wirklich etwas bedeuten könnte. Hier trifft es wohl die Annahme, dass man sich erst selbst lieben muss, bevor man sich auf etwas einlassen kann.

Unser Selbstwertgefühl wurde geprügelt

Seien wir mal ehrlich, unser Selbstwertgefühl wurde in unserer Jugend geprügelt, und zwar vom Feinsten! Wir wurden ausgelacht, verspottet und manchmal sogar gehänselt. Das war irgendwie normal. Das schien zum erwachsen werden dazuzugehören. Ich für meinen Teil gehörte nie zu den „Coolen“ oder zu den „Leadern“. Unscheinbar war ich, hatte meine ebenfalls unscheinbaren Freunde und wurde von den anderen öfter mal schief angeschaut.  In jungen Jahren sind wir unscheinbaren Ladys den Männern einfach nicht aufgefallen. Und wenn dann eher negativ. Zu fett, zu hässlich, einfach nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechend. Charakter? Zählte nicht! Jugendliche können echt grausam sein. Das Problem ist, dass diese Lebensphase besonders prägt. Sie prägt unsere Persönlichkeit und schafft erste Anlagen für unser Bindungsverhalten. Wer schon in jungen Jahren beigebracht bekommt, dass er nicht gut genug ist, verlernt das später nur schwer.

Will jemand an unser Herz, schalten wir den Panikmodus ein

Umso älter wir werden, desto besser werden wir darin, diese Selbstzweifel zu überspielen. Wir werden zu selbstbewussten Erwachsenen, die sich der Gesellschaft angepasst haben. Solange andere Menschen einen gewissen Sicherheitsabstand zu uns halten, wirken wir gefestigt und reif. Doch sobald jemand an unserer Fassade kratzt und an unser Herz will, schalten wir den Panikmodus ein. „Was kann der bitte von mir wollen? Ist der blind? Will der mich veräppeln oder was?“, schießen die Gedanken durch unsere Köpfe. Man möchte das Gegenüber sozusagen „vor Schlimmerem“ bewahren, weil man sich selbst nicht zu schätzen weiß.

Interesse an mir? Nimmst du etwa Drogen?

Ich erinnere mich nur zu gerne an einen Mann, der mich vor einigen Jahren in einem Club ansprach: Wunderhübsch, Model, ein absoluter Hingucker! Ich unterstellte ihm Drogenkonsum oder einen Hirnschaden weil ich nicht glauben konnte, dass sich ein solcher Mann für mich interessieren könnte. Ich zog sofort eine emotionale Mauer hoch, um mich zu schützen. Trotzdem dieser Mann weiterhin beteuerte, ernsthaftes Interesse an mir zu haben, nahm ich die Beine in die Hand und ging ihm aus dem Weg.  „Ich habe dieses Glück nicht verdient!“, dachte ich so oft sobald es mal so schien, als sei der richtige Mann für mich gefunden. „Der könnte doch locker jemand besseres haben!“, ging mir durch den Kopf. Ich bestrafte mich selbst mit Liebesentzug weil ich nicht gelernt hatte, dass mich jemand toll finden könnte.

Datingphänomene „Ghosten“ und „Benchen“ als Flucht vor unseren Emotionen

Wenn ich mir nun vorstelle wie viele Menschen ähnliche Emotionen verspüren, sobald es um Bindung geht, wundere ich mich nicht mehr über die heutige Beziehungsunfähigkeit. Wir haben schon in jungen Jahren eine emotionale Mauer aufgebaut, die nur schwer zu überwinden ist. Kratzt jemand daran, ergreifen wir die Flucht. Wir „Ghosten“ um uns komplett dieser für uns schwierigen Situation zu entziehen, oder „Benchen“ um zwar hier und da ein bisschen Liebe zu erhaschen, aber niemandem die Möglichkeit zu geben, sich unserer Mauer zu stellen. Ich glaube hier liegt eine der größten Herausforderungen des Erwachsenwerdens: Wir müssen selbst erkennen, wie wertvoll wir sind. Jeder hat es verdient zu lieben und geliebt zu werden.

Die 20-Something Depression

Knapp 2 Jahre ist es her, dass ich das erste Mal in eine altersbedingte Sinneskrise fiel. An meinem 25. Geburtstag wurde mir bewusst, was ich alles NICHT erreicht hatte.

Wird man erwachsen, formen sich im Kopf Zukunftsvorstellungen, auf die man sehnsüchtig blicken kann. Ich glaube bei mir war das mit ca. 18 Jahren der Fall. Ich wusste ziemlich genau, wo ich mal mit 25 stehen möchte. Mindestens verlobt, studiert, fest im Job-Sattel sitzend. So wollte ich mit 25 sein, darauf arbeitete ich hin. Die Chancen standen nicht schlecht, begann ich doch gerade erst ein spannendes Studium. Auch der passende Partner war da, so dass ich eigentlich nur streng gerade aus laufen musste, um auf dem schnellsten Weg ans Ziel zu gelangen. Es wäre so einfach, wenn das Leben einer geraden Straße gleichen würde. Einfach, aber vermutlich auch ziemlich langweilig, oder? Mein Weg begann jedoch schnell ein paar Kurven einzuschlagen. Da war das Studium dann doch nicht so motivierend wie gedacht und schon bog ich kurz vom Lebensweg ab. Gottseidank nahm ihn nur eine kleine Umleitung, die mich schlussendlich trotzdem auf den Karriereweg führte. Nochmal Glück gehabt, Plan nicht in Gefahr, dachte ich.

Mein 25. Geburtstag machte mich zum Single

Doch da war ja noch die Liebe, welche bekanntermaßen nicht vorhersehbar ist. „Wenn er mir bis 25 keinen Antrag gemacht hat, muss ich mich wohl trennen.“, sagte ich mit Anfang 20 einer guten Freundin. Eigentlich, war es eher scherzhaft gemeint, trotzdem schon ein Fünkchen Wahrheit in diesen Worten steckte. Wir wären dann schließlich 7 Jahre zusammen, da kann man sich schon mal „trauen“. Trotzdem diese „Drohung“ kaum ernst gemeint war, war es genau mein 25. Geburtstag, welcher mich zum Single machte. Ich war unzufrieden. Ich war nicht mehr glücklich. Mir das einzugestehen fiel schwer, sehr schwer sogar. Doch meine Gefühle hatten sich schon längst so weit entfernt, dass ich um eine Trennung nicht mehr herum kam. Da stand ich nun, am ersten Zielpunkt meines geplanten Lebensweges. Ich stand dort allein. Abgesehen von der mehr oder weniger vorhandenen Karriere, hatte ich meine Zukunftsvorstellungen nicht umsetzen können. Es fühlte sich an, als wäre ich vom Einkauf heimgekommen und hätte von meiner Einkaufsliste nur eine Zutat besorgt, anstatt mit vollen Tüten die Treppe hochzugehen. Leer fühlte sich das an, so als hätte ich mein halbes Leben auf der Strecke vergessen. Nach jedem Tief kommt bekanntlich ein Hoch und so schaffte ich es, mich zumindest überwiegend wieder aufzurappeln, und wenigstens den Karriereweg straight gerade aus zu bestreiten. Doch umso älter man wird, desto öfter blickt man zurück. Ich blickte zurück, als ich 26 wurde, ich blickte zurück, als die 27 auf meinem Geburtstagskuchen prangte. Es machte mich immer trauriger. Wieder ein Jahr vergangen und so gut wie nichts erreicht.

Wenn’s kein Mann wird, dann eben ne Katze

Allein die Familienplanung, rückt in weite Ferne. Zumindest kaufte ich mir erstmal eine zweite Katze. Dann hab ich wenigstens etwas, um das ich mich kümmern kann und auf das ich zurück blicke, wenn die böse 28 auf mich zurollt. „Wenn ich nächstes Jahr immer noch Single bin, dann wird’s kein Mann, sondern ne Katze.“, sagte ich 2015 zu meiner besten Freundin. Ich hatte gehofft, um die Anschaffung herum zu kommen.

Es ist komisch, aber mit jedem Tag, jeder Woche und jedem Monat, der ins Land geht, fühlt sich mein Lebensweg sinnloser an. Er ist Alltag, alles ist schon mal da gewesen. Jedes kurze Glück streift vorüber und wird wieder eingeholt von langen, langweiligen Arbeitstagen. Da fehlt irgendwie der Sinn. Da fehlt irgendwie die Zukunftsperspektive. Soll das jetzt ewig so weiter gehen? Da kann ich befördert werden bis ich blau anlaufe, ich komme trotzdem abends allein nach Hause, gehe ins Bett und wiederhole mich täglich. Einziger Lichtblick sind aufregende Wochenenden, welche aber enorm an meinen Energiereserven zehren.

Hätte ich es besser machen können?

Ist es Fluch oder Segen, sich mit den Jahren nach dem Sinn zu fragen? Jeder Blick zurück raunt mir entgegen, ich hätte es anders, ich hätte es besser machen können. Wo könnte ich schon stehen, wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte? Ich sehe so viele Menschen heiraten, Kinder bekommen, einen Sinn im Leben finden. Und was mache ich? Ich schaue mir bis in die Nacht hinein Reportagen darüber an, dass ich, falls ich denn mal Kinder wollen würde, mich mal beeilen sollte. Wird ja alles nicht besser mit der Biologie und so. Dann denke ich an die Frau, die in dieser Reportage vorkam. Über 40, Single, kinderlos. „Ich habe einfach den perfekten Moment verpasst. Entweder war da der falsche Partner, oder gar kein Partner.“. Prost Mahlzeit, denke ich mir und würde am liebsten eine Flasche Wein aufmachen. Ist das meine Zukunft? Verbittert und allein sein? Es ist eine Sinneskrise, die viele Frauen in meinem Alter ereilt. Man glaubt gar nicht, wie so etwas an den Nerven zerren kann. Vielleicht wird das ja mit 30 besser? Vielleicht hat man sich dann damit abgefunden, dass es nun mal so ist, wie es ist? Abfinden ist so unschön! Sinn finden, wäre mir um einiges lieber.

Brauchen wir nicht alle eine Person, zu der wir aufschauen können?

Ich bin ein Groupie. Ja, trotzdem ich Ü16 bin 😉 Ich bin Groupie von Michael Nast. Lustigerweise sogar mehr, als ich dachte. Gestern besuchte ich mit Freunden eine Lesung von Michael. Man sollte dazu erwähnen, dass zwei meiner drei Freunde Michael vorher nicht Live erleben durften. Als die Lesung beendet war, schaute mich J. an und sagte: „Der Michael, der sieht aus wie Carsten, ist dir das schon mal aufgefallen?“ Ich antwortete: „Was? Ach Quatsch, das stimmt doch gar nicht.“ Als ihr die Anderen jedoch zustimmten, begann ich nachzudenken. Sollte meine letzte Liebelei wirklich ein Ebenbild meines Lieblingsautoren sein? „Guck dir doch mal das Lächeln an, die Ausstrahlung und das Verhalten, das ist verdammt ähnlich!“ Umso mehr ich darüber nachdachte, umso klarer wurde es mir. Irgendwie…gruselig.

J. steht auf Charme, auf viel Charme. Dass sie sich von einer Person so verzaubern lässt, ist selten. Vorher konnten meine Mädels nicht wirklich verstehen, wieso ich so ein Groupie bin, jetzt sind sie ebenfalls Mitglieder im inoffiziellen Michael Nast Fanclub 😉

Brauchen wir nicht alle eine Person, zu der wir aufschauen können? In unserer Jugend waren es vielleicht Schauspieler, Musiker oder was auch immer. Aus diesem Alter sind wir jetzt vermutlich raus. Jetzt sind es die Menschen, die greifbarer sind, nicht so abgehoben wie die Idole aus Jugendtagen.

„Erhebend“, ich glaube das ist das Gefühl, welches man fühlt, wenn das Groupie-Herzchen hüpft. Ich erinnere mich an ein Erlebnis mit meiner früheren Lieblingsband. Ich war um die 16 und besuchte mit meiner besten Freundin ein Konzert. Natürlich durften wir dort nicht hin, mitten in der Nacht als Mädels in Berlin, das sahen unsere Eltern nicht gern. Clever wie wir waren, kündigten wir an, beim jeweils anderen zu übernachten. Es gab daran nur einen Haken: Wir konnten weder bei ihr, noch bei mir bleiben. So saßen wir nach dem Konzert vor dem Club und vertrieben uns die Zeit. Plötzlich stand der Schlagzeuger der Band neben uns. Mit schlechtem Schulenglisch versuchten wir zu erklären, wieso wir mitten in der Nacht in der Kälte saßen. Es entwickelte sich ein tolles Gespräch, an dessen Ende wir mit einer innigen Umarmung der Bandmitglieder verabschiedet wurden. Unser Übernachtungsproblem hatte sich ebenfalls gelöst. Wir erhielten von der Band die Informationen die wir benötigten, um in deren Hotelzimmer einzuchecken.

Leider fuhren sie direkt weiter zur nächsten Tourstation, so dass wir die Nacht alleine im Hotelzimmer verbrachten. Allerdings war dies das aufregendste Groupieerlebnis meines Lebens 🙂 Immer wieder gern denke ich daran zurück, wie wir im Hotelzimmer standen und vor lauter Adrenalin auf dem Bett hoch und runter gesprungen sind. Damals, mit 16, konnte ich mir kaum etwas Schöneres vorstellen. Aber Zeiten ändern sich, heute kann man mich schon mit dem Lesen meiner Lieblingstexte glücklich machen 🙂

Die Lesung war (wie immer) total super! Mein Groupieherzchen schlug höher, als Michael den letzten Text ankündigte. Es war der Text, den ich mir vorher bei ihm gewünscht hatte. Seelig grinsend versunk ich in seinen Worten und blendete die Menschenmassen um mich herum aus. Genau dieses Gefühl hatte ich mir erhofft, diesen Nachhall im Kopf, wie man ihn nur nach einem guten Kinofilm kennt.

Ein Buch oder einen Text selbst zu lesen ist toll, man verbindet seine eigenen Gedanken damit und erschafft sich ein Bild im Kopf. Einen Text jedoch direkt vom Autor zu hören, verändert dieses Bild noch einmal grundlegend. Andere Betonungen, eingeschobene Lacher, das alles macht die Worte noch lebendiger. Umso mehr empfand ich den letzten Text der Lesung als Inspiration. Schon als ich ihn für mich las, hinterließ er mich nachdenkend. Von Michael gelesen, entdeckte ich Facetten, die ich nicht bedacht hatte und die mich die Worte noch mehr verinnerlichen ließen.

Hier die besagte Kolumne:

http://imgegenteil.de/blog/nicht-ohne-meinen-therapeuten/