Eigentlich hatte ich Dates zum Mittagessen abgeschworen! Einmal versucht, einmal in die Hose gegangen. Bei einer Quote von 100% Lost würde jeder Geschäftsmann am Geschäftsmodell zweifeln, und es einstampfen. Das hätte ich vielleicht auch tun sollen.
Philipp lernte ich auf tinder kennen. Er war ein relativ unauffälliges Match. Man schrieb gelegentlich hin und her, wäre aber auch nicht sauer gewesen, wenn irgendwann keine Antwort mehr gekommen wäre. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich oft, wenn ich mit vielen Menschen per Tinder schreibe, die Nachrichten durcheinander bringe. Da kommt es vor, dass ich Fragen doppelt stelle, oder Annahmen verbreite, die eben nicht zu dieser Person passen.
Trotz einiger Verfehlungen, verlegte Philipp das Gespräch relativ zügig zu Whats App. Dieser Plattformsprung hat uns gut getan! Endlich war ich mir wirklich bewusst, mit wem ich da kommuniziere. Als ich zeitnah eine Freundschaftsanfrage auf Facebook erhielt, entstand bei mir der Gedanke: „Der macht einen ernsthaften Eindruck!“
Mehr und mehr stellten wir Gemeinsamkeiten fest und konnten es kaum abwarten, uns kennenzulernen. Da wird beide arbeitstechnisch sehr eingespannt sind, aber nicht weit voneinander vor uns hinwerkeln, bot sich ein Treffen in der Mittagspause an.
Philipp schlug ein nettes Restaurant vor. Ein Mix aus Restaurant und Fastfoodbude. Ideal! Kein ewiges Warten, aber leckeres Essen.
Als wir uns am Bahnhof trafen, war ich weder negativ, noch positiv überrascht. Er war genau so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Okay, ein wenig mehr Lächeln hätte es schon sein können! Ich erklärte mir seine verhaltene Art mit Unsicherheit, da wird man schon miteinander warm werden.
„Ich glaube ich nehme noch eine Mate dazu!“ – hörte ich ihn sagen, als wir das Essen bestellten.
Mate! Ich liebe Mate! Ich hatte ganz vergessen, dass ich in diesem Moment eine Mate haben wollte. Hat er gut gemacht, der Philipp, und mich daran erinnert.
Tendenziell ist es eher ungünstig bei einem Treffen, bei dem man sich kennenlernen möchte, zu essen. Entweder man hat den Mund voll und kann nicht reden, oder man ist zu beschäftigt zum Zuhören. So elegant wie möglich versuchte ich, nicht wie der letzte Bauer zu wirken, während ich meinen Salat noch kleiner schnitt, als er eh schon war, um wenigstens das Risiko eine Blamage zu verringern.
Ganz Mann wie er war, dachte Philipp nicht darüber nach, sich elegant anzustellen. So ein bisschen Bauer sein, muss schließlich erlaubt sein! Mich hat es aber nicht gestört, war alles noch im Rahmen.
Trotz der Essensproblematik, verstanden wir uns gut. Gelegentlich konnte ich sogar ein Lachen in seinem sonst so ernsten Gesicht erahnen.
Was man über Philipp wissen muss ist, dass er im Vertrieb arbeitet. Das heißt er ist mit dem Verkauf von Dingen sehr vertraut. Er beschäftigt sich den ganzen Tag damit, die Leistungen seines Unternehmens an den Mann/ die Frau zu bringen.
Leider sieht Philipp auch das Datingbusiness als Geschäft.
„Du wohnst ja gar nicht so weit von mir weg. Fährt bei dir die S1? Wie lange muss man denn da umsteigen? Dann brauche ich knapp 50 Minuten bis zu dir.“ – erörterte er, nachdem ich ihm kurz erklärte, wo ich zu Hause bin.
„Das ist schon ein Stückchen weg, den Weg würdest du dir eh nicht machen.“ – erwiderte ich.
Das Gespräch entwickelte sich erstmal wieder in eine andere Richtung, bevor wir zum Thema „Erfahrungen mit tinder“ kamen. Da wurde es dann interessant! Ich berichtete davon, dass es da jemanden gab, der am liebsten direkt nach dem Tee mit mir ins Bett gesprungen wäre. Er schaute interessiert und reagierte mit:
„Naja wenn es sich lohnt! So weit wohnst du ja nicht weg.“
Okay? Ich überhörte das mal großzügig. Leider lief der Herr nun zur Höchstform auf. Wie ein Top-Verkäufer erklärte er mir, wie man eine Frau rumbekommen könne.
„Bei der einen klappt es gleich nach einem Kaffee, bei Anderen dauert es schon ein paar Wochen. Man muss nur im richtigen Moment zuschlagen.“
Bäm! Mir blieb mein Salat fast im Hals stecken. Nach einer Ausführung über die besten, auf die Sex-suche angepassten, Verkaufsstrategien, blühte der Herr regelrecht auf.
Sollte ich nun begeistert Applaudieren?
Vermutlich ist ein wirklich gut in seinem Job! Vermutlich mag er damit auch bei den Frauen landen, aber ich finde es perfide. Es wirkt so wie die Akquisition eines Auftrages, man hängt sich so lange rein, bis der Kunde unterschreibt. Dann ist die Sache erledigt, und alle sind glücklich.
Alle? Ich wäre vermutlich nicht glücklich damit, wenn er mich in seine Sammlung von „erfolgreich akquirierten Frauen“ einreiht.
Das scheint dem Herren nicht bewusst zu sein. Noch während des Mittagessens versuchte er sich schon für die nächste Woche mit mir zu verabreden. Als wir uns am Bahnhof verabschiedeten, fragte er mich nochmals, wann wir denn nun etwas zusammen trinken gehen würden.
Er hat anscheinend noch nicht gemerkt, dass auf mir drauf ein großer Aufkleber befestigt ist: „Unverkäuflich!“