Ich bin ganz überwältigt, schaue ich mir die Reaktionen zu meinem letzten Beitrag über das Hochzeits-„Horror“-Jahr 2021 an. So viele liebe Nachrichten haben mich erreicht. Sie haben mir Mut gemacht, die Situation anzunehmen und die positiven Seiten daran zu sehen, in Unsicherheit zu planen. Der folgende Gastbeitrag einer lieben Leserin (ganz <3-lichen Dank!) drückt genau das aus, was ich allen zukünfitgen Bräuten, die in diesem besonderen Jahr Hochzeit feiern, mitgeben möchte: Es ist wie es ist, aber das heißt nicht, dass es weniger schön ist. Vielleicht sogar schöner, als ihr es euch vorstellen könnt?
Hätte mich jemand vor ein paar Jahren nach meiner Vorstellung über meine eigene Hochzeit gefragt, hätte ich folgendes geantwortet: „Dass mein Mann und ich mit 25 Gästen in kleinem Rahmen rustikal feiern. Mit meiner Familie, der Familie meines Mannes und unseren Freunden.“
Nun habe ich im Herbst 2020 meinen Mann geheiratet. Mit uns waren 9 Personen im Standesamt erlaubt. Im Standesamt durften nur wir als Paar die Masken bei der Trauung abnehmen. Wir hatten die vollkommene Hochzeit. So schön hätten wir sie nie selber ohne Corona geplant.
Während andere unter der Pandemie litten, hatte ich den Luxus eine Hochzeit planen zu dürfen
Mal ganz ehrlich. Ich empfinde es in Zeiten der Corona-Pandemie als puren Luxus mir Gedanken über eine Hochzeit machen zu dürfen. Während andere Menschen Verluste geliebter Menschen betrauern, gesundheitliche Beschwerden haben, unter (drohender) Armut, Isolation, Einsamkeit, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und/oder den Folgen der Kontaktreduzierung leiden, habe ich das große Glück einen Menschen an meiner Seite zu haben. Ich bin dankbar dafür, dass wir gesund sind, und dass wir beide arbeiten können. Wir lieben uns und haben uns entschlossen zu heiraten, eine verbindliche Ehe einzugehen. Leider kam Corona und schmiss unsere Pläne x-mal um. Während andere Menschen im Homeoffice ackern und mit ihren Kindern Home-Schooling und die Kinderbetreuung schmeißen oder sich selbst ihr Gehalt streichen, damit ihr Unternehmen überlebt, planten wir für eine Feier Geld auszugeben.
Wir leben in einer Großstadt unserer Wahl. Und mit uns tun das sehr viele andere Menschen. Das führte leider dazu, dass wir nicht unseren Wunschtermin im September bekamen. Der erste freie Termin beim Standesamt war der 24.10.2020 um 10 Uhr. Den nahmen wir. Ich freute mich riesig, dass wir überhaupt einen Termin am Samstag bekommen hatten. Was für ein Glück! Es war eine Freundin, die mich darauf aufmerksam machte, dass ich bei einer so frühen Trauung keinen Frisörtermin vorher wahrnehmen kann. So war es leider auch.
Natürlich hatten wir mit unseren Gästen geplant, geredet und sie eingeladen. Uns ging es wie vielen Menschen, die merkten, wir möchten doch noch einige Freunde mitfeiern lassen. Wir haben unsere Ringe schon im Sommer ausgesucht, als das noch möglich war Wir haben uns schicke Kleidung besorgt. Mein Mann sah aus wie ein englischer Gentleman. Ich bin dann doch sehr pragmatisch an die Brautkleidung rangegangen. Ich habe mir festliche aber legere und lockere Kleidung mit Turnschuhen ausgesucht. Also Kleidung, in der ich mich wirklich frei und wohl fühlte und die ich übrigens bis heute liebe und immer und immer wieder zu schönen Anlässen trage. Mein Rock hatte die Farbe Beere und ich trug ein Brautoberteil, das ich aber nur für ein Foto und bei der Trauung anzog. Für den Monat Oktober war das natürlich viel zu kalt. Also trug ich schicke Pullis, Jäckchen und 3 Lagen Strumpfhosen. Das Restaurant war gebucht, der Brautstrauß bestellt und wir freuten uns.
An einem Wochenende zerriss es uns fast.
Dann ging es leider los mit den Beschränkungen. Von Woche zu Woche änderten sich die Regelungen zu privaten Zusammenkünften. Mal war es erlaubt noch im Hotel zu übernachten, mal nicht. Was bedeutete das für unsere Gäste, die längst ein Hotelzimmer gebucht hatten und von weit her reisten? Unsere Hochzeit haben wir innerhalb der Monate September und Oktober wöchentlich neu planen müssen. Während wir lasen, wie andere Hochzeitspaare noch feiern durften und die Kontaktbeschränkungen langsam losgingen, fanden auch verbotene Hochzeitsfeiern mit 60-100 Gästen statt. Vor der Hochzeit praktizierten wir wochenlang freiwillige Kontaktreduzierung. Wir fuhren tatsächlich bis zur Hochzeit jeden Sonntag zum Restaurant und fragten nach, was wir denn nun dürften. Auch das Restaurant wusste es nicht, weil die Veröffentlichungen bei ihnen auch erst sehr spät ankamen. Bis zum Tag vor der Hochzeit wussten wir tatsächlich nicht, was wir dürfen und mit wie vielen Personen. Wir mussten ausladen, immer wieder. Wir erhielten Absagen von Gästen, die wegen Corona das Risiko nicht eingehen wollten, anzureisen oder sich mit vielen Personen in einen Raum zu begeben. Wir konnten wieder einladen. Oder hörten, dass jemand nun in Quarantäne war und nicht kommen konnte. Einen Fotografen zu bestellen verwarfen wir völlig. Wir hätten sonst 2 Gäste ausladen müssen. Das wollten wir nicht und verzichteten auf das perfekte Hochzeitsfoto. Ich fragte einfach meine Trauzeugin, ob sie uns fotografieren könnte und ihre Fotos wurden wunderschön. Wir bestellten auch keine Hochzeitstorte. Das war auch gar nicht mehr möglich. Natürlich waren die Familienangehörigen traurig, die absagen mussten. Manchmal war einem nur noch nach Weinen zumute. Manchmal weinten wir am Telefon. Es zerriss uns an einem Wochenende fast, sodass wir uns fragten, weswegen heiraten wir eigentlich? Warum machen wir das eigentlich und warum tun wir uns das gerade an?
Ist es nur noch ein Fest für die Anderen oder heiraten wir für uns?
Irgendwann ging es mir richtig schlecht. Ich konnte kurz vor meiner Hochzeit einfach nicht mehr. Dieses nicht wissen, was nun zu planen und heute noch möglich ist und in drei Tagen wieder verworfen wird, zog an meinen Nerven. Wir hatten nun immer und immer wieder alles neu organisiert und fingen nach neuen Beschränkungen wieder von vorn an. Jede Woche neu. Mein Mann konnte es besser und rationaler angehen als ich. Ich war für Verschieben, denn es gab auch Angehörige, die uns baten, die Hochzeit zu verschieben, damit sie dabei sein können. Mein Mann war zum Glück dagegen. Er meinte, wir verschieben nicht, denn wir wissen nicht, was kommt und wann überhaupt wieder eine Zusammenkunft mit vielen Menschen möglich ist, oder ob wieder ein Lockdown kommt. Oder, ob dann wieder viele Menschen absagen müssen. Denn wirklich fast alle Brautpaare wollen einen Termin im Mai, Juni oder September, weil alle Angehörigen im Sommer selbst in den Urlaub fahren und aufgrund dessen absagen. Puh… Wie denn nun planen? Ich bin sehr froh, dass ich meinem Mann schließlich die komplette Kommunikation mit allen Gästen übertragen habe.
Es machte uns beiden sehr wohl bewusst, dass es bei der Heirat um uns als Paar geht. Wir heiraten. Das heißt wir heiraten als Paar, weil wir uns lieben und nicht für die Gäste oder um deren Erwartungen für ein großes Hochzeitsfest zu erfüllen. Natürlich hätten wir uns gefreut, dass endlich meine Familie die Familie meines Mannes mal wirklich kennenlernt. Und dass sie auch an unserem Privatleben teilhaben können, weil unsere Freunde kommen. Letztlich geht es aber nicht darum. Die Heirat ist unser privater liebevoller Akt. Und gerade uns war es wichtig, diesen Schritt zu tun und ihn nicht weiter ins Ungewisse zu verschieben. Es ist schließlich eine sehr große Sache, dass man sich endlich entschieden hat, zu heiraten. Dann will man es auch tun.
Ich gab die Kontrolle über die Hochzeit ab und plötzlich fügte sich alles von selbst
Irgendwann konnte ich loslassen. Davon, dass ich überhaupt noch planen kann. Ich gab die Kontrolle ab und plötzlich fügte sich alles von selbst. Ich hatte Angst vor einer Hochzeit, zu der keiner kommen kann und was das mit mir macht. Ich schrieb einer Freundin ihre Antwort war so liebevoll: „Möchtest du Musik zu deiner Hochzeit? Ich würde gern mit meiner Harfe kommen und für euch spielen, wenn das geht und ihr das möchtet.“ Und wie wir das wollten, es war sogar erlaubt im Wintergarten mit Abstand! Das rührte mich so, dass jeder irgendwie Anteil nehmen wollte. Aber es durften ja nicht alle kommen. Also bastelte ich für alle Menschen, mit denen wir gern unter normalen Umständen gefeiert hätten, Papierkraniche. Die wurden im Standesamt und im Restaurant verteilt. Wir gaben es schließlich auf, eine Feier zu fixieren. Es war klar, wir gehen kurz essen, das war es dann auch. Meine Trauzeugin sagte zu mir: „Ich gehe mit euch auch ne Bratwurst essen und stoße mit euch mit Pappbechern an.“ Ich lachte und das tat so gut.
Als ich meine Oma fragte, ob sie auch im kalten Wintergarten essen würde, weil wir im warmen Restaurant nicht mehr sitzen dürften und wir uns alle ganz warm statt schick anziehen müssten, erwiderte sie: „Ich habe den Krieg und die Flucht überlebt, ich komme.“ Es war übrigens auch keine Option für meine Oma die Hochzeit zu verschieben. Sie freute sich so sehr darauf und mobilisierte alle ihre Kräfte. Gesundheitlich ist es nicht klar, wie lange meine Oma überhaupt noch so mobil ist, um an einer Feier teilnehmen zu können. Wie oft meinte meine Oma, sie würde verstehen, wenn es ein zu großer Aufwand ist, dass sie kommt und dass sie auch verzichten würde. Das war für mich undenkbar! Meine Mutter und meine Trauzeugin setzten alles in Bewegung, damit auch meine Oma einen wundervollen Tag mit uns hatte. Dafür bin ich so dankbar!
Das Standesamt rief uns 2 Tage vor der Hochzeit an und gab uns noch einmal persönlich Bescheid mit, wie vielen Gästen wir kommen dürften.
Wenn ich jetzt Gefühle zeige, ist es ok. Da draußen stehen keine 60 Gäste, die gleich ein Foto wollen.
Unsere Hochzeit war wunderschön. Bei der Trauung durften nur wir als Paar auf den Sitzplätzen die Masken abnehmen. Die Standesbeamtin war total gerührt von den Kranichen, die ich mit den Trauzeugen verteilte. Mit unseren 7 Gästen im Standesamt war es eine sehr intime und festliche Trauung. Das „Ja“ sagen und der Kuss ist schon etwas Besonderes. Das macht was mit einem und zaubert eine wundervolle Atmosphäre und Energie. Es fiel mir so leichter mit wenigen sehr vertrauten Gästen ungelöst zu sein. Es war toll zu wissen, wenn ich jetzt Gefühle zeige, ist alles ok, da draußen stehen keine 60 Gäste die gleich ein Foto wollen. Der ganze Stress fiel bei der Trauung von uns ab. Wir strahlten, und das den ganzen Tag lang.
Nach unserer Trauung stand schon das nächste Brautpaar im Flur und wartete. Ich sah sie. Die perfekte, klassische Braut im perfekten Brautkleid und der perfekten Hochsteckfrisur. Mein Mann meinte zu mir, dass er die Braut nicht so schön fand, wie mich. Er fand es toll, dass er mich noch erkennen konnte und dass ich nicht so gekünstelt war. Ich sei so echt gewesen, dass ich wirklich „Ich“ gewesen bin und dass er mich erkennen konnte mit all dem, was er an mir liebt. Meine Frisur war durch das ständige Maske aufsetzen und Maske ablegen übrigens, naja, etwas wild geworden. Ich war eben echt und es kommt auf andere Dinge an. Das gleiche Feedback gaben mir alle Gäste und auch alle lieben Verwandten und Freunde, denen ich die Fotos zeigte.
Vor dem Standesamt standen meine liebe Arbeitskollegin und ihr Mann mit Maske. Sie sangen und warfen mit Rosenblüten und übergaben uns liebevolle und wertvolle Geschenke, die mich sprachlos machen. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet.
Es war nicht einmal das übliche Gruppenfoto vor dem Standesamt erlaubt.
Die Trauzeugin meines Mannes und eine liebe Freundin durften wegen der Personenbeschränkung nicht ins Restaurant zum Essen mitgehen. Leider war nicht einmal das übliche Gruppenfoto vor dem Standesamt erlaubt. Wir gingen also direkt mit meiner Mutter, Oma, meiner Tante, meinem Onkel und meiner Trauzeugin ins Restaurant. Meinen Mann freute es sehr, dass es dann doch so ein kleiner entspannter und fröhlicher Rahmen wurde. Er genoss es, auch wenn seine Familie nicht dabei sein konnte. Eine Freundin spielte mit Abstand auf ihrer irischen Harfe im Restaurant und es war wunderschön. Wir als Paar und die Gäste hatten eine lockere, legere Hochzeit und jeder konnte sich fallen lassen. Schön war, dass wir uns in dem Rahmen alle kannten und keiner musste sich irgendwie überwinden, weil man den Anderen noch nicht kannte. Wir hatten in den wenigen Stunden wirklich eine wunderschöne Zeit mit ganz viel Qualität. Tatsächlich hatten wir Zeit für alle Gäste und für ein längeres Gespräch! Das wäre sonst doch nie so möglich gewesen mit ganz vielen Gästen. Das war wirklich der richtige Rahmen für uns.
Als Rede gab es das Mantra „Sarve sham“. Das richtete sich an alle. An alle Lebewesen denen man Erfüllung, Frieden, Liebe und Reichtum wünscht. Auch an alle Gäste, die nicht dabei sein konnten. Das passte ganz gut.
Ich merkte auch, dass die Rolle als strahlende Braut nicht so meins ist. Ich bin lieber ich selbst. Dabei muss ich ein bisschen an Hape Kerkeling denken, der als Königin Beatrice mal vorfuhr und richtig viel Spaß beim Winken und Lächeln hatte. Ich winke dann doch nicht so gern und so viel.
Meine Trauzeugin zeigte mir Fotos und Videos von einer Freundin von ihr, die im September am Meer mit Freiredner und allem drum und dran eine Traumhochzeit wie in amerikanischen Filmen hatte. Erst machte es mich traurig, dann dachte ich, das hätten wir als Paar sowieso nicht gewollt.
Ohne Corona hätten wir nicht daran gedacht, etwas nur für uns als Paar zu tun.
Nach dem völlig entspannten Hochzeitsessen fuhren wir in ein Schlosshotel und genossen den Hochzeitstag danach nur für uns. Auch ohne Fotografen. Nur wir zwei als Paar ließen den Stress von uns fallen. Das hätten wir so nie getan, wir hatten es doch eher so geplant, dass wir ganz viel Zeit mit den weit angereisten Gästen verbringen. Wir hätten ohne Corona nicht daran gedacht, etwas nur für uns als Paar am Anfang der Ehe zu tun. Und das tat uns richtig gut. So hatten wir sogar einen richtigen Flittertag mit dem schönsten Herbstwetter. Und im Schloss konnte ich beim Essen dann doch noch meine Hochzeitskleidung mit dem schönen Oberteil tragen.
Übrigens ist noch etwas Schönes bei der Hochzeit passiert. Nach der Hochzeit konnte ich die Harfe meiner Freundin einfach nicht vergessen. Ich habe mich bei meiner Hochzeit in die irische Harfe verliebt. Ich habe von den Klängen und der Harfe geträumt und wusste, dass muss ich einfach lernen, um solche Töne und Klänge wieder zu hören und zu spüren. Inzwischen steht hier bei mir zu Hause eine wundervolle Leih-Harfe und ich nehme Unterricht. Es ist wunderschön das Instrument spielen zu lernen und gibt mir wahnsinnig viel Kraft und Ruhe in diesen Zeiten.
Ich kann jedes Paar nur ermutigen zu heiraten und für sich selbst den richtigen Rahmen in diesen Zeiten zu finden. Vielleicht wird es schöner und entspannter, als man es je selbst „normal“ geplant hätte.