Kater ohne Rausch – Die öde Feierkultur ab 30

Freitagabend, der gehörte einmal uns. Ob Kneipentour oder ausgelassener Discogang, langweilig wurde es nie. Die Abende, deren Ausgang uns immer wieder staunen ließen, sind meine liebsten. Aber seitdem wir die Schwelle zur 30 überschritten haben, sind sie nur noch Erinnerungen.

Was wir hatten, haben jetzt andere

Wieder einmal ist es Freitag. Der DJ spielt unsere Songs, doch ich tanze allein. Ich möchte die gesungenen Textzeilen in den Raum schreien, die Arme wild durch die Gegend werfen, aber ich bleibe stumm und setze einen Fuß neben den anderen, um mich zumindest ein wenig im Takt zu bewegen. Es laufen die gleichen Lieder wie damals, wie jeden durchgetanzten Freitag. Sie erinnern mich an das, was einmal war, nicht mehr ist. Was wir hatten, haben jetzt andere. Freudestrahlend schieben sich unsere Nachfolger an mir vorbei, singen laut und tanzen gemeinsam im Takt der Musik. Mitleidig schauen sie mir in die Augen, die sich nicht nur traurig anfühlen, sondern auch dementsprechend aussehen.

Wir waren eine Macht, wenn es um ausgiebige Partyabende ging

Als Freitage noch UNSERE Freitage waren, hielt ich diejenigen, die sich alleine auf der Tanzfläche bewegten, für bemitleidenswert. Ich hatte mir geschworen, es ihnen niemals gleichzutun, schließlich waren wir eine Macht, wenn es um ausgiebige Partyabende ging. Die, mit denen ich noch vor wenigen Jahren die Clubs der Stadt unsicher machte, hängen nun lieber auf der Couch oder beim öden Pärchenabend herum. Seitdem wir die Schwelle zur 30 überschritten haben, scheinen diese Abendbeschäftigungen angemessener, erwachsener zu sein. Ich fühle mich, als wäre meine Ausgehzeit nun abgelaufen. Hach… Damals…

Was löst das Gefühl aus, etwas verloren zu haben?

Ob es richtig ist, den alten Zeiten nachzutrauern, frage ich mich jedes Mal, wenn ich einen Satz mit „Damals..“ beginne. Dinge verändern sich. Menschen verändern sich. Doch was ist es, das in mir das Gefühl auslöst, etwas verloren zu haben? Je länger ich drauf herumkaue, desto deutlicher wird es mir: ich vermisse nicht die laute Musik, das viele Bier und die viel zu vollen Tanzflächen. Ich vermisse uns. Wenn wir uns sehen, tun wir so, als wären wir verdammt erwachsen. Unterhalten uns über Kinderplanungen, Karrieren und das geeignete Waschprogramm, um Rotweinflecken aus weißen Blusen zu entfernen. Nur nicht zu tief bohren, bloß keine Sorgen auf den Tisch packen. Sieht so Erwachsensein aus?

Ich glaube, wir sind uns ein bisschen fremd geworden

Die Gespräche, die wir führen, kratzen an einer Oberfläche, die nach außen schön glänzen soll. Immer seltener schaffen wir es, die Tiefsinnigkeit zu erreichen, die Unterhaltungen an legendären Freitagen so besonders machten. Es war laut, es war stickig, aber das hielt uns nicht davon ab, einfach mal alles rauszulassen. Ohne große Umschweife sprachen wir das aus, was uns bewegte. Ich glaube, wir sind uns ein bisschen fremd geworden. Haben wir gedacht, zum Erwachsen werden gehört es dazu, sich mit den „wichtigen“ Dingen des Lebens zu beschäftigen? Karriere, Familie, ständiges Weiterkommen. Da fehlt doch was. Wo bleibt das WIR? Das wir, welches an gemeinsamen Freitagen durch innige Liebesbekundungen ausgedrückt wurde, während im Hintergrund der Soundtrack unserer Freundschaft lief.

Meine Freitage vergehen, ohne bleibende Erinnerungen zu hinterlassen

Ich gebe ungern zu, wie schwer mir der Bruch in unserem wir fällt. Zu groß ist die Angst, dass ich in alten Verhaltensweisen hängengeblieben bin, während ihr es tatsächlich viel schöner findet, auf der Couch zu versacken, anstatt für gemeinsame Erinnerungen zu sorgen. Das ist es doch, was eine Freundschaft ausmacht: Erinnerungen zu schaffen, oder? Ich erinnere mich nicht, welche Netflix Serien ich an den Freitagen gebingt habe, an denen meine Ausgehanfragen ins Leere liefen. Die Zeit verpuffte, ohne irgendetwas zu hinterlassen. Fühlt sich an wie ein Kater ohne vorangegangenen Rausch. Ich habe Angst, dass unser gemeinsames Unbeschwertsein der Vergangenheit angehört. Angst, dass unsere Verbindung, die uns über viele Jahre trug, abzubrechen droht. Vielleicht ist es der Lauf des Lebens, der ab 30 ein wenig unvermittelt zuschlägt. Vielleicht ist es nur eine Phase, deren Ende schon absehbar ist. Ich werde warten auf den vollen Tanzflächen in den Clubs der Stadt, werde zu unseren Liedern tanzen, dabei in Erinnerungen schwelgen und ganz fest daran glauben, dass das wir nur eine kleine Verschnaufpause eingelegt haben.

Übrigens, trotzdem laut einer Studie der SPLENDIT RESEARCH GmbH (2018) die Ausgehfrequenz mit dem Alter stetig sinkt, sind 69% der Befragten der Meinung, es gibt keine Altersgrenze für Discobesuche. Diejenigen, die eine Altersgrenze setzten, legten sich im Durchschnitt auf 46 Jahre fest. Na wenn das so ist, bleiben uns ja noch ein paar Jahre 😉