Ich liebe Artikel, die eine große Diskussion einlösen. Einer dieser Artikel titelte „Frag doch selbst“. Analysiert wird die Frage, wer denn nun eine der wichtigsten Fragen im Leben zu stellen hätte: Mann oder Frau?
All you need is love…
Trotzdem sich die Emanzipation immer weiter Bahn bricht, scheint sie vor dem Bund des Lebens Halt zu machen. Macht es da nicht Sinn, wie im Zeit-Artikel beschrieben, als Frau selbst das Ruder in die Hand zu nehmen? Schließlich wird uns Damen immer gesagt, wir könnten alles erreichen, alles selbst erledigen, dazu braucht es keinen Mann, der voran geht, oder eben die Frage der Fragen stellt. Als ich den Artikel das erste Mal las, unterstrich ich viele Passagen mit einem Nicken. Wenn Frau heiraten will, soll sie einfach fragen. Wo liegt das Problem? Erst als mich selbst in die Situation hineinversetzte, kam ich ins Grübeln. Ich stellte mir vor, wie ich meinem Herzblatt vor all unseren Freunden überraschend einen Antrag machte. Alle würden sie applaudieren, bunte Glitzerherzchen in die Luft schmeißen und „All you need is love“ anstimmen. Hollywood stünde Schlange, um diesen Moment für die nächste Blockbuster-Romanze zu verwenden.
N-E-I-N
Das, was meine filmreife Romantik jedoch zerplatzen lassen könnte, wären vier einfache Buchstaben: N-E-I-N. Plant man einen Heiratsantrag, ist der Himmel voller rosaroter Zuckerwattewolken, die keinen Anlass dazu geben, auch nur im entferntesten an das Gegenteil eines freudigen „Ja“ zu denken. An diesem Punkt meiner Gedankenspielerei rumort es ordentlich in meinem Bauch. Wie kann ich mir eigentlich sicher sein, dass mein Herzblatt sich über meine Frage genauso freuen würde, wie ich es täte, wenn er sie mir stellen würde? Allein der letzte geschriebene Satz gibt die Antwort: Ich habe es ihm schon oft, wenn auch manchmal etwas versteckt, mitgeteilt.
Das „Ja“ auf die Nase gebunden
Frauen wissen, dass Männer keine Gedanken lesen können. Sie wissen, dass das zukünftige Weihnachtsgeschenk vorher explizit angedeutet werden will, damit am Ende kein Bügeleisen unter dem Baum liegt. Außer natürlich, man hat sich genau so eins gewünscht. Im Laufe einer Beziehung haben wir Damen es also perfektioniert, kleine aber feine Hinweise zu geben, ob wir bereit wären, den Bund der Ehe einzugehen. Hier ein kleines „Das könnten wir sein.“, wenn ein Brautauto vorbeizieht, dort ein „Hach ist der schön!“, wenn wir mal wieder vor der Ringauslage eines Juweliers festkleben. Was Männer gerne mit einem Augenrollen kommentieren, ist für uns Frauen eine ernstgemeinte Botschaft. Komm, trau dich, ich werde Ja sagen!
Großes Glück oder Beziehungsende
Männer hingegen halten solche kleinen Hinweise für unnötig und verzichten meist gänzlich darauf. Ein regelmäßiges „Ich liebe dich“ sollte doch ausreichen, oder? Problematisch wird es dann, wenn Frau wirklich darüber nachdenkt, die Frage aller Fragen aufzuwerfen. Wie kann sie sich sicher sein, dass ihr Liebster vor Freude strahlend Ja sagen wird? Man stellt eine Frage nur, wenn man mit verschiedenen Antworten leben kann. Das gilt zumindest für die meisten anderen Situationen im Leben. Bei einem Heiratsantrag jedoch geht es um Top oder Flop, um gewollte Liebe bis ans Lebensende, oder tschüss und goodbye. Die wenigsten Beziehungen halten ein „Nein“ als Antwort auf einen Heiratsantrag aus. Frau begibt sich also mit einem Antrag auf einen schmalen Grat. Sie kann sich aufgrund fehlender Signale des Partners nicht sicher sein, dass dieser romantische Moment direkt ins Standesamt führt. Sie kann sich nicht sicher sein, ob die Beziehung nach den möglichen schlimmen vier Buchstaben überhaupt noch bestand hat.
Was ist mit meiner Bucketlist?
Das, was mich von einem Antrag abhält, ist allerdings nicht nur ein mögliches „Nein“, sondern auch die Tatsache, dass ein selbst in die Hand nehmen meinerseits zu einem anderen Dilemma führt: Ich werde keinen Antrag bekommen. Hier greift die traditionelle Seite in mir, die ich, trotz langer Diskussionen im Freundeskreis, einfach nicht ablegen kann. Ich möchte diesen einen Moment erleben, bei dem alles um mich herum stillsteht, bei dem mir ein Mann, den ich liebe, ins Gesicht sagt, dass er sein Leben mit mir verbringen möchte. Ganz offiziell. Ich habe Angst, dass mir dieser Moment auf meiner Bucketlist fehlen würde, wenn ich ihn selbst übernähme.
Wie ich es drehe oder wende, ob ich es emanzipiert oder traditionell betrachte, die Frage aller Frage wirft weiterhin Fragen auf, auf die ich noch keine für mich passenden Antworten finden konnte. Abseits einer solchen Diskussion über Antrag, Geschlechterrollen, Ja und Nein, wird eines jedoch häufig vergessen: Das, was die Liebe glücklich macht, ist kein Antrag, keine Ehe, kein Ja und kein Nein. Das was die Liebe glücklich macht, ist die Liebe selbst.