Ein Date ohne Alkohol ist kein richtiges Date – sagte mein Kumpel Christian, während er mir von seiner letzten tinder-Bekanntschaft erzählte. Bevor er sich mit seinem neuesten Match traf, hatte ich ihm vorgeschlagen, aus seiner typischen Datingroutine auszubrechen. Treffen in einer Bar, ein paar Drinks und dann schauen, auf was der Abend hinausläuft – so sah es aus, wenn Christian nach der „wahren Liebe“ suchte. Ich hatte genug von seinen Beschwerden darüber, dass sich nie etwas „Richtiges“ ergeben würde und er nicht verstünde, warum ihm einfach keine geeignete Dame über den Weg liefe. „Christian, ganz im Ernst, glaubst du wirklich, du kannst eine Frau bei einem Bier im schummrigen Licht richtig kennenlernen?“, fragte ich ihn, als mir sein Mimimi mal wieder zu viel wurde. „Brich doch mal aus aus deiner Routine. Sorge dafür, dass deine Dates zu etwas Besonderem werden. Ganz ohne Alkohol und schlechte Barluft.“, versuchte ich ihn zu überzeugen.
Kein Alkohol, keine Gesprächsthemen?
Sein nächstes Match erklärte er zum Testballon „Ausbruch aus der Datingroutine.“. Einige Tage später berichtete er von den Ergebnissen des Versuchs. Zusammen auf dem Jahrmarkt waren sie gewesen. Riesenrad fahren, Wilde Maus und dazu eine große Zuckerwatte, die sie sich romantisch teilten. Ich war mir sicher, dass dieses Date zu den besten gehörte, die Christian in den letzten Monaten, vielleicht sogar Jahren erlebte. „Alles in Allem, es war schrecklich“, sagte er bedröppelt und holte mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen. „Das Mädchen war süß, keine Frage, aber anstatt auf sie einzugehen und ihr richtig zuzuhören, war ich die ganze Zeit mit mir selbst beschäftigt.“. Christian beschrieb, wie schwer es ihm fiel, aus sich herauszukommen. Die richtigen Gesprächsthemen, die ihm sonst zuflogen, hatten sich diesmal in den hintersten Ecken versteckt. Diese Unsicherheit war ungewohnt für ihn. „Ein Date ohne Alkohol ist kein richtiges Date“, sagte Christian wie selbstverständlich, so als wäre noch nie eine Beziehung ohne den Einfluss von Alkohol entstanden.
Alkohol gibt uns das Gefühl fast alles schaffen zu können
Besonders beim ersten Kennenlernen ist Selbstsicherheit ein entscheidender Faktor. Trotz Nervosität müssen wir unserem Gegenüber begreifbar machen wer wir sind und was uns ausmacht. Vielen Menschen fällt genau das schwer, wenn sie nicht auf die Unterstützung eines promillehaltigen Getränks zurückgreifen können. Alkohol lockert die Zunge, lässt Ängste verschwinden und gibt uns das Gefühl fast alles schaffen zu können. Er macht uns selbstbewusst und mutig. Genau diese Dinge sind es, die ein Date erfolgreich werden lassen. Unter dem Einfluss von Alkohol zu daten hat jedoch gravierende Nachteile.
„Schöntrinken“ oder lieber Realität?
Können wir den Menschen, der uns gegenübersitzt, wirklich kennenlernen, wenn wir unsere Sinne benebeln? Allein der optische Eindruck verfälscht sich, sobald unserem Körper Alkohol zugeführt wird. Nicht umsonst kann man sich Menschen „schöntrinken“. Unsere Wahrnehmung verschiebt sich, und das schon nach einer geringen Menge Alkohol. Das sorgt dafür, dass es beim zweiten Date, soweit dieses Alkoholfrei verläuft, zu einem bösen Erwachen kommen kann. Plötzlich geht es verkrampft zu, ganz anders als gewohnt.
Ich gebe zu, auch ich war zu Singe-Zeiten großer Fan von hochprozentigen Dates. Dadurch konnte ich die Unsicherheit verbergen, die Selbstzweifel und damit einen Teil meiner Persönlichkeit, der durchaus liebenswert sein kann. Ich habe mit meiner Vorliebe für Gin Tonic und Bier bei Dates dafür gesorgt, dass ich nicht ich selbst war und mein Gegenüber nicht in seiner Gesamtheit wahrnehmen konnte. Darum: Spezi anstatt Bier und Wein! Zur Not tut es auch ein Glas Wasser. Hauptsache 0 Promille. Dann steht einem bewussten und ehrlichen Kennenlernen nichts mehr im Wege <3