Wir leben um zu arbeiten, davon zu leben und uns in der Zeit zwischen zwei Arbeitstagen wieder fit für die selbige zu machen. Kompliziert! Klingt zumindest so. Aber eigentlich ist es ganz einfach: damit man Geld zum Leben hat, muss man arbeiten gehen. Das tun die meisten von uns 40 Stunden in der Woche. 40 Stunden, das sind pro Werktag 8 Stunden. Rechnet man den durchschnittlichen Arbeitsweg, also die Pendlerzeit hinzu, ist man schnell bei mind. 10 Stunden Abwesenheit von zu Hause. Gerade in einer Großstadt wie Berlin, sind kurze Arbeitswege ein Luxus! Ich kenne kaum jemanden, der unter 45 Minuten von A (wie Abschalten) nach B (wie busy Büro) unterwegs ist. Machen wir keine Überstunden, sind wir schlussendlich also eher 50 Stunden die Woche nicht verfügbar. Nicht verfügbar in dem Sinne, dass wir weder einem Hobby nachgehen, noch mit den Kindern spielen oder einen Arzttermin wahrnehmen können.
Habe ich eine freie Stunde am Tag, ist das Luxus
Der Tag hat 24 Stunden. Wenn ich davon ausgehe, dass die ideale Schlafdauer (je nach Alter und Veranlagung natürlich unterschiedlich) 8 Stunden pro Nacht beträgt, reduzieren sich diese 24 Stunden schon einmal auf 16 Stunden. Zieht man von diesen 16 Stunden die ca. 10 Stunden Abwesenheit durch Arbeit ab, bleiben exakt 6 h um zu „leben“. Aber Moment…kann ich Aufstehen, hektisch Frühstücken, Duschen und Zähneputzen als „Leben“ zählen? Ich empfinde den morgendlichen Stress weder als Freizeit, noch als erholsam. Also -1 Stunde, komme ich nach Adam Riese auf 5 Stunden Freizeit. Ach, verdammt, da waren ja noch so Dinge wie: Einkaufen, Wohnung putzen, Behördentermine, Arzttermine…etc. pp. Auch keine Freizeit. Zumindest empfinde ich das so. Vielleicht ist es für manche Menschen besonders entspannend, dem Bohrer beim Zahnarzt zu lauschen, aber dabei sollte es sich um Sonderfälle handeln. Was ich hier bis jetzt überhaupt nicht betrachtet habe, ist die Situation, wenn man sich nicht nur um sich alleine kümmern muss, sondern vielleicht sogar einen Partner oder Kinder hat. Plötzlich kommen Dinge wie: aus dem Kindergarten abholen, bei den Hausaufgaben helfen, gesund und lecker kochen dazu. Ich merke regelrecht, wie die verfügbare Zeit nur so zwischen den Fingern zerrinnt. Eigentlich wollte ich doch mal einen Sportkurs machen, mich weiterbilden oder einfach ein Buch lesen.
Jedes Ticken der Uhr lässt mich austicken
Es gibt schon einen Grund, warum ich keine Uhr am Handgelenk trage. Jedes Ticken, jede Bewegung des Zeigers würde mir verdeutlichen: du hast keine Zeit! Du schaffst einfach nicht was du dir vorgenommen hast. Und vor Allem: Du schaffst es nicht, dich um dich selbst zu kümmern! Nur die Tatsache, dass du morgens gewaschen und angezogen im Büro ankommst heißt nicht, dass du entspannt und ausgeglichen bist. Alle Zeit, die ich mir für mich nehme, geht von anderen Zeiteinheiten ab. Meistens reduziere ich den Schlaf, um zumindest ein wenig das Gefühl zu haben, entspannen zu können.
„Das Wochenende ist zum Erholen da.“, dachte ich zumindest immer. Doch was passiert, wenn man unter der Woche nur zwischen „Schlafen, Arbeiten, Essen, Schlafen“ hin und her rennt? Richtig, alle Aufgaben die unter der Woche liegen bleiben, verlagern sich auf das Wochenende. Da wird groß eingekauft, zum Baumarkt gefahren, die Wohnung gewischt, das Auto geputzt…etc. pp. Und schon wieder hetzt man von A nach B, um wenigstens das Gefühl zu haben, etwas zu schaffen. Schließlich muss man sich auch noch genug Zeit nehmen, um das Sozialleben nicht zu vernachlässigen. Ohne Freunde ist es ja auch ein langweiliges und trostloses Leben.
Familie? Kann ich mir nicht leisten, rein zeitlich gesehen
Ganz ehrlich, mich stresst das ganze! Wenn ich morgens schon weiß, dass ich abends noch nicht einmal Zeit für ein Bier mit Freunden habe, ist meine Laune direkt im Keller. Wenn ich weiß, dass ich auch in nächster Zeit keinen Sportkurs besuchen werde, freut sich auch meine Gesundheit einen Kullerkeks. Soll das so sein? Wer hat sich das eigentlich ausgedacht? Und wie kommt man da wieder raus? Arbeite ich weniger, habe ich weniger Geld zum Leben. Dann kann ich mir vielleicht das Buch nicht mehr leisten, was ich gerne in der dazugewonnen Freizeit lesen würde. Ich grusele mich vor dem Moment, in dem ich eine Familie und Kinder habe. Dann bin nicht nur ich es, der unter dem Zeitdruck leidet, sondern auch meine Liebsten. Dann habe ich wenn es hoch kommt 4 Stunden am Tag für Mann und Kind, in denen ich natürlich trotzdem dafür sorgen muss, dass alles läuft. Ist es naiv wenn ich davon ausgehe, dass das einfach nicht machbar ist?
Ich stelle mir manchmal vor wie es sein wird, wenn ich irgendwann meine letzten Atemzüge nehme. Vielleicht fragt mich dann jemand, wie ich mein Leben verbrachte. „Schlafen, Arbeiten, Essen, Schlafen. Manchmal traf ich auch Menschen die ich gerne hatte, aber das war selten. Zeit ist schließlich ein Luxusgut.“