Weihnachten ist zu einem Fest des Konsums geworden. Geschenke, Geschenke, Geschenke, aber wo bleibt die magische Stimmung, die ich als Kind so liebte? Ich hätte nicht gedacht, dass ich dieses Gefühl einmal dort wiederfinden würde, wo ich mich sonst so unwohl fühlte: in der Kirche.
Früher, als ich noch ein Kind war, bedeutete Weihnachten für mich Magie und Besinnlichkeit. Auf den Familienspaziergang an Heiligabend, um ja noch den Weihnachtsmann bei seiner Tour zu erwischen, freute ich mich schon Monate zuvor. Eine Zeit voller Überraschungen und Liebe, so sind meine Erinnerungen an das Weihnachtsfest. Doch dann wurde ich erwachsen. Die Magie verflog und die Besinnlichkeit verwandelte sich in einen konsumgetriebenen Geschenkemarathon. Umso älter ich wurde, desto mehr entwickelte ich eine Abneigung gegen das Fest, welches eigentlich mit Liebe einhergehen sollte. Einen Heiligabend verbrachte ich sogar komplett allein. Nur ich, ein selbstgekochtes Essen und viele Schnulzenfilme auf dem TV-Bildschirm. Ja, auch die ein oder andere Träne ist dabei geflossen. Dass Weihnachten irgendwann wieder eine besondere Bedeutung bekommen würde, ahnte ich nicht.
Als Atheistin in die Kirche gehen?
Vor knapp zwei Jahren trat, ganz unverhofft, eine neue Liebe in mein Leben. Nicht nur der neue Mann an meiner Seite bereicherte mein Leben, sondern auch die Menschen, die ihn großgezogen hatten. Trotzdem graute es mir vor dem ersten gemeinsamen Weihnachtsfest. Ich liebe einen Pastorensohn, was zur Folge hat, dass die besinnlichen Tage im Jahr für mich ab sofort auch eine religiöse Bedeutung bekamen. An Gott glaube ich nicht, ich wurde atheistisch erzogen. In Kirchen fühlte ich mich unwohl, auch wenn ich sie nur zu kulturellen Zwecken besichtigte. Nun sollte ich das komplette Programm bekommen: Krippenspiel, Gottesdienst, Gesänge, die mir komplett fremd waren. Es war ein komisches Gefühl durch das Liederbuch zu blättern, ohne auch nur ein Lied zu kennen. Dementsprechend aufgeregt beging ich im letzten Jahr meine erste kirchliche Weihnacht.
Ich spürte Liebe, die sich über alle Besucher ausbreitete
Ich war überrascht, welch feierliche Stimmung im hübsch dekorierten Gotteshaus herrschte. Zwischen vielen betagten Gästen sprangen putzmuntere Kinder herum, die sich wie Bolle auf das Krippenspiel freuten. Ich fühlte mich wohl, keine Spur mehr von Befürchtungen, ich könne mit kirchlicher Weihnacht nichts anfangen. Gespannt lauschte ich den Worten meiner Schwiegermutter, die als zuständige Pastorin durch den Gottesdienst führte. Es dauerte nicht lange, bis mir die erste kleine Träne über die Wange kullerte. So viele warme Worte, die mich emotional ziemlich aus der Fassung brachten, hatte ich lange nicht gehört. Ich spürte die Liebe, die sich über alle Besucher ausbreitete. Trotzdem ich nur die bekanntesten kirchlichen Weihnachtslieder mitsingen konnte, war es für mich ein ergreifender Moment, überhaupt einmal wieder meine Stimme für klassisches Liedgut zu erheben. Plötzlich war sie wieder da, die weihnachtliche Magie, die ich über vielen Jahre verloren geglaubt hatte. Sie verbreitete sich wie eine warme Welle im ganzen Raum.
Ich fühlte mich wie ein Kind, welches das erste Mal die Magie der Weihnacht spürt
Trotzdem ich nie eine wirkliche Verbindung zur Kirche oder auch zu Gott hatte, genoss ich die Besinnlichkeit, die mein Herz erfüllte. Nun verstand ich, warum die Gotteshäuser an den Weihnachtsfeiertagen so gut gefüllt waren. Alle suchten das Gefühl, welches ich nun seit langer Zeit wieder erleben durfte. Die Magie, die das Weihnachtsfest so aufregend machte. Die Magie, die das Herz mit Liebe erfüllt, damit es die liebsten Menschen im Leben damit beschenken kann. Dieses Jahr werde ich wieder an Heiligabend auf der Kirchenbank sitzen, Lieder singen und in die vielen glücklichen Gesichter der Besucher blicken.
Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche euch ein vor Liebe nur so strotzendes Weihnachtsfest. Haltet euch fern von Stress und Konsumzwang und hört auf eure Herzen. Fröhliche Weihnachten!