Aktive Selbstzerstörung. So könnte man das benennen was ich, sowie auch andere frische Singles betreiben. Diese Selbstzerstörung äußert sich meist in dem Missbrauch von allerlei Betäubungsmitteln. Es gibt auch abgeschwächte Varianten, manch Einer beginnt sehr viel zu essen, Frustfressen sozusagen, oder verfällt dem exzessiven Sport.
Zu Beginn mag das alles noch irgendwie „cool“ sein, man testet seine Grenzen und holt nach, was man denkt verpasst zu haben.
Mit der Zeit nimmt das Ganze jedoch unschöne Formen an. Ich sehe es an mir selbst. Wie sehr habe ich es in der Anfangszeit meines Single-Daseins genossen, lange weg zu bleiben. Mal bis um 4 Uhr feiern, ohne dass sich jemand zu Hause Sorgen macht. Mal die Nacht woanders verbringen, das war Luxus. Dieser Luxus wurde irgendwann zum Alltag. Ich wollte mehr, es musste doller werden. Gab ich mich am Anfang mit einem kleinen Flirt zufrieden, werden heute erbeutete Handynummern und Küsse gezählt. Ein erfolgreicher Abend ist es erst dann, wenn „irgendwas ging“. Das hat in den ersten Monaten noch gut funktioniert. Es war neu, spannend und amüsant.
Auch das reichte auf Dauer nicht. Mehr, länger, exzessiver war die Devise. Die Nächte dauerten bis in den Morgen, vor 6 Uhr geht hier niemand nach Hause! Auch gab ich mich nicht mehr zufrieden mit einem Kuss, da musste mehr passieren. Die ersten Male war auch das noch aufregend und neu. Mit der Zeit nutzt sich alles ab. Man sucht nach neuen Kicks, neuen Erfahrungen.
Jedes Wochenende erzeugt sich ein Druck des „etwas erleben müssen“. Das Leben ist kurz, wir sind noch (relativ) jung, diese Zeit muss man genießen. Dass ich mit der Zeit daran zerbrach, war mir lange nicht klar. Über ein Jahr spiele ich nun schon dieses Spiel: größer, höher, weiter. Ich fühle mich trotzdem als Verlierer. Früher habe ich so etwas nicht gebraucht. Ich habe kaum etwas getrunken, war wenig feiern und einfach zufrieden. Der Mann an meiner Seite gab mir die Ruhe, die mir jetzt so schmerzlich fehlt.
Wieso trinkt man auf Partys so übermäßig viel? Die ersten Getränke dienen dem Locker werden, Hemmungen abbauen und leichter Spaß haben. Normalerweise hört man an diesem Punkt auf. Ich nicht. Wenn bei vielen eine gewisse Zufriedenheit einsetzt, steigt in mir die Einsamkeit hoch. Dinge die ich unter der Woche verdränge, bahnen sich ihren Weg in meine Gedanken. „Du möchtest doch einfach nur jemanden, der dich in den Arm nimmt“ – schreit es durch meinen Kopf. Jemanden, der dich als liebenswerten Menschen sieht, nicht als Sexobjekt. Ich schaue mich um, schaue in die leeren Gesichter der fremden Männer und versuche so auszusehen, als hätte ich Interesse an einem Gespräch. Ich wünsche mir in diesen Situationen jemanden, der sieht was in mir vor geht. Jemanden, der mir anstatt des nächsten Cocktails eine Cola in die Hand drückt, und mich aus der Masse herauszieht.
Da dies nicht passiert, sticht die Einsamkeit immer weiter auf mich ein. Meine einzige Abwehr in diesem Moment ist der nächste Drink. Irgendwann sind die Gefühle so abgeschaltet, dass ich für einen Augenblick vergesse, dass ich nur kompensiere.
Jede übertriebene Partynacht kompensiert Gefühle, die sich nur in bestimmten Situationen zeigen. Ich kompensiere, da ich mich hilflos gegenüber diesen Gefühlen sehe. Ich glaube, dass ich jemanden an meiner Seite brauche, um aus diesem Strudel herauszukommen.
Mir geht es gut. So lange ich meinem Alltag nachgehe, ist die Welt in Ordnung.
Es sind die Momente, in denen ich zum Beispiel durch einen Albtraum verängstigt aufwache, neben mich greife, und niemanden habe, der mich in diesem Moment trösten könnte. Was würde ich dafür geben, in so einem Augenblick einen starken Arm um mich zu haben, der mich zu sich heran zieht. Ein beruhigenden Herzschlag zu hören, und einfach wieder einzuschlafen.
Diese Gefühle sammeln sich und wollen irgendwann raus. Aber mein Körper wehrt sich, er vergiftet sich selbst, um sich vor ihnen zu schützen. Am Ende sind die durchzechten Partynächte nur ein Hilfeschrei. Mit der Zeit schreie ich immer lauter, in der Hoffnung, dass mich jemand hört. Doch die Männer um mich herum sind taub.
Irgendwann folgt die Resignation. Ein unschönes Wort, aber Resignation ist der erste Weg raus aus diesem Teufelskreis. Sich mit der Situation abzufinden, einen eigenen Weg heraus zu entdecken.
Am Ende kann ich mich nur selbst „retten“, mir selbst unter die Arme greifen, eine Cola bestellen, und auch manchmal vor 4 Uhr nach Hause gehen. Weil ich mich um mich selbst sorge und für mich sorge.