Welche Faktoren bestimmen eigentlich unsere Beziehungen? Abgesehen von gegenseitiger Zuneigung, bestenfalls Liebe, könnte man gemeinsame Hobbys, einen stabilen Freundeskreis und eine ähnliche Zukunftsvorstellung anführen. Ein Part, der jedoch oft vergessen wird, ist Alkohol. Was Alkohol mit unseren Beziehungen zu tun hat? Eine Menge. Als Alltagsdroge beliebt, sorgt er nicht nur für ausschweifende Partynächte, sondern auch für eine verschobene Gefühlswelt.
Es gibt Beziehungen, und es sind nicht wenige, die nur mit dem Genuss von Alkohol funktionieren. Das klingt im ersten Moment radikal. “Die lieben sich nur, wenn sie betrunken sind.”. Schaut man sich jedoch an, wie viele Paare ihren Alltag bestreiten, wird klar, welchen großen Stellenwert das betäubende Nervengift hat.
Ein romantischer Pärchenabend ohne ein Glas Wein oder Bier?
Zu allererst sollte man sich fragen, welche positiven Aspekte mit dem Genuss von Alkohol einhergehen. Es ist kein Zufall, dass ein romantischer Pärchenabend gerne mit dem fast schon obligatorischen Glas Wein kombiniert wird. Alkohol sorgt dafür, dass wir redseliger werden. Die Zunge sitzt lockerer und wir haben plötzlich das Bedürfnis uns mitzuteilen. Jeder, der sich schon in einer längeren Beziehung befand, kann nachfühlen, wie es ist, wenn man sich nach einem anstrengenden Arbeitstag am Abendbrottisch nur noch über das Wetter, das aktuelle Fernsehprogramm und den neuesten Klatsch und Tratsch unterhält. Tiefsinnige Gespräche, die auf eine Entwicklung der Beziehung abzielen, scheinen verschwunden. Hier sorgt das ein oder andere Glas Wein oder Bier dafür, dass manche, längst vergessene Gemeinsamkeiten, zu Tage kommen. Wir wollten doch zusammen die Welt erkunden, eine Familie gründen oder einfach mehr Zeit miteinander verbringen – solche Erkenntnisse ergeben sich nicht vor Netflix oder während des Kaffeetrinkens. Es gibt Paare, die abseits eines leichten Rauschzustandes überhaupt keine tiefere Kommunikationsebene mehr miteinander finden. Sie nutzen jede sich bietende Gelegenheit, etwas tiefer ins Glas zu schauen, der Liebe wegen.
Alkohol verstärkt Gefühle. Er sorgt dafür, dass uns plötzlich klar zu werden scheint, wie schrecklich verliebt wir doch sind. Das kann sich ziemlich schön anfühlen, hat aber nichts mit unserer realen Gefühlslage zu tun. Wie unangenehm das werden kann, habe ich am eigenen Leib erlebt. Ich gehöre zu der Kategorie „Handy zu Hause lassen, wenn ich etwas trinken gehe“. Habe ich ein paar Gläser zu viel genossen, verfalle ich in einen Kurznachrichten-Schreibwahn. Berauscht gehe ich davon aus, die mit meinen Nachrichten beglückten, würden sich über meine Gefühlsausbrüche freuen. Dass ich mich nach einer durchzechten Nacht viel zu oft entschuldigen muss, erklärt sich von selbst.
Er enthemmt und lässt uns zueinander finden
Ein weiterer Aspekt, der Alkohol zu einem wichtigen Faktor in unseren Beziehungen macht, ist Sex. Alkohol enthemmt und sorgt dafür, dass wir das Tier in uns einfach machen lassen, ohne großartig nachzudenken. Das kann unglaublich aufregend sein. Zumindest, solange der Pegel sich nicht jenseits von Gut und Böse befindet. Sich im Alltag dem Partner hinzugeben, fällt vielen Pärchen schwer. Nicht umsonst wir gerne scherzhaft behauptet, manch einer würde während des Liebesspiels die Einkaufsliste der nächsten Tage zusammenstellen, anstatt die Zweisamkeit zu genießen. Alkohol entspannt nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, dass Gespräche und Bettsport mit ein zwei Gläschen einfacher und gegebenenfalls auch spannender sind, kommt man aus diesem Teufelskreis kaum mehr heraus. Es wird zur Normalität zur Flasche zu greifen, wenn man eine gute Zeit miteinander haben möchte.
Läuft es mit dem Partner nicht mehr ganz rund, ist Alkohol der Grund Nummer 1, der vorgebracht wird, wenn es um Affären und Betrug geht. „Ich war betrunken“ – die allgemeingültige Ausrede für Seitensprünge. Alkohol lässt unsere Hemmschwelle sinken und das Herzblatt für einige Zeit aus dem Kopf verschwinden, um die Bahn für andere interessante Kontakte frei zu machen. Alkohol ist ein Ventil für unsere Bedürfnisse und Sehnsüchte, die wir uns im nüchternen Zustand selten eingestehen. Wie der Psychologe Sigmund Freud es ausdrücken würden: Ist das Über-Ich erst außer Gefecht, siegt das Es über das Ich. Wer viel trinkt, erhöht somit sein Risiko, durch unüberlegte Flirtereien seine Beziehung zu zerstören.
Alkohol schadet Beziehungen
Wie konnte es dazu kommen, dass das Nervengift Alkohol in vielen Beziehungen eine so wichtige Rolle spielt? Wir hetzen durch den Alltag und schaffen es nicht, innere Ruhe zu finden. Entspannung, die es für eine funktionierende Beziehung braucht, erreichen wir nur mit einem gefüllten Glas in der Hand. Das ist gefährlich für unsere Liebe. Können wir uns sicher sein, dass wir dem Menschen, der neben uns aufwacht, auch nüchtern betrachtet, zu Füßen liegen? Oder lieben wir das, was wir als Paar sind, wenn die Promille durch unser Blut fließen?
Alkohol schadet Beziehungen. Er sorgt zwar dafür, dass wir uns einander öffnen, aber vermindert gleichzeitig unsere Fähigkeit zu denken. Alkohol bringt und zueinander, trennt uns aber schneller, als uns lieb ist. Liebe? Lieber nüchtern betrachten.