Ode an meine Stammkneipe

Als wir uns kennenlernten, wurdest du gerade 15 Jahre alt. Zumindest ist das meine erste Erinnerung, die ich mit dir verknüpfe. Du hattest schönes Wetter bestellt und feiertest eine große Sause, bei der ich mich mit Bacardi Razz betrank. Es war Liebe auf den ersten Blick! Dass ich dich danach nicht angerufen habe, tut mir leid! Ich steckte in einer zeitaufwendigen Beziehung, die heimliche Treffen nicht zuließ. Doch als ich Single, und somit frei wurde, konnte unsere Lovestory endlich ihren Lauf nehmen.

Bei dir vergesse ich die Zeit

Es begann mit ersten schüchternen Bierchen, welche meine Freundin und ich ab und zu in deiner Gegenwart genossen. Meine intensive Liebe zu dir entfaltete sich aber erst, als mir die Magie deiner Abende bewusst wurde. Deine 4-Wände umschließen ein kleines Stückchen Erde, auf dem alles passieren kann. Wirklich alles! So oft wie ich die Zeit während des Tanzens vergaß, scheint es zumindest einen kleinen Knick im Raum-Zeit-Kontinuum zu geben. Dort wo du stehst, geht’s nicht mit rechten Dingen zu. „Magic Friday“ wurde von uns der Tag getauft, an dem alles passieren kann. Denn es waren die Freitage, an denen wir Dinge erlebten, von denen wir noch unseren Enkelkindern erzählen werden.

Was im Pub war, bleibt im Pub

Ich liebe dich für Abende, an denen wir einfach die Tische zur Seite schoben, die Musik laut drehten und tanzten. Allein tanzten, zu zweit tanzten, manchmal mit dem ganzen Laden tanzten. Einfach weil wir es konnten und vor allem durften! Laut mitbrüllen zu 90er Klassikern, Nackenschmerzen durch Headbanging bekommen, in welcher Kneipe kann man das schon? Du bist einzigartig! An einigen Abenden verlor ich nicht nur meine halbe Garderobe, sondern auch die ein oder andere Erinnerung. Na gut, vielleicht mehr „ein oder andere“ Erinnerungen. Das weiß ich nicht mehr so ganz genau. Sehen wir es mal positiv, so lernt man schließlich jede Woche die gleichen Leute noch einmal neu kennen, weil sich beide nicht an das Gegenüber erinnern können. „Was im Pub war, bleibt im Pub!“, wie wahr diese Worte doch sind. Denn im Pub nimmt man den Gästen wenig übel. Vor den Laden kotzen, betrunken andere Gäste und deren Gläser umrennen, Schwamm drüber! Wir waren schließlich alle mal jung. Würde ich alle Peinlichkeiten, die ich in diesem Laden schon erlebte, zusammenrechnen, käme da ein ziemlich großer Haufen zusammen.

Man weiß nie, was die Nacht bringt

Du bist irgendwie zu meinem zweiten zu Hause geworden. „Eigentlich, müssten wir uns hier ein Feldbett aufstellen!“, sagte ich scherzhaft zu meiner Freundin, als wir nur wenige Stunden nach einer sehr langen und alkoholreichen Partynacht, wieder vor den Toren unserer Kneipenliebe standen. Öffne ich deine Türen, fällt der Alltagsstress von meinen Schultern. Hier darf ich sein, wie ich bin. Verrückt, sonderbar und manchmal auch ein bisschen schlecht gelaunt. Stellt sich die Frage, wo man einen gelungen Abend beginnen könnte, ist die Auswahl schnell getroffen. Viele Kneipen haben versucht mein Herz zu gewinnen, aber sie wurden irgendwann langweilig. Irgendwann passierte nichts mehr, das Ding war durch. Doch das wird in meiner Stammkneipe nicht passieren. Jeden Abend andere Leute, jeden Abend eine andere Stimmung. Man weiß nie, wie die Nacht ausgehen wird. Manchmal ruhig mit wenigen Bieren, aber dafür umso besseren Gesprächen. Manchmal eskalierend mit Geschichten, die uns am nächsten Tag sowieso keiner mehr glaubt.

Da bleibt nur eins zu sagen: Liebes Pub a la Pub, bleib so wie du bist! Und lass deine Gäste so sein, wie sie sind. Denn beides zusammen entfaltet seine Magie, jeden Abend aufs Neue.

Nüchtern betrachtet…

Nüchtern betrachtet, trinke ich ganz schön viel Alkohol. BÄM! Das ist mal eine Aussage. Wenn ich mir diese Woche anschaue, stelle ich mit Erschrecken fest, dass ich an jedem verdammten Tag Alkohol trinken werde. Mit Glück kann ich den Donnerstag Alkoholfrei gestalten, aber ansonsten? Der Weihnachtszeit geschuldet, gibt es allein im Büro an drei Tagen dieser Woche Glühwein. Dazu ein Bier-Abend in der Lieblingsbar, der Magic Friday mit meinem Lieblingsbarkeeper, die obligatorische Samstagsparty. Da bleibt nicht viel Raum für Saft. Warum ich nicht einfach Alkoholfrei trinke? Weil ich den Zustand des leicht beschwippst seins sehr genieße. Es ist der Moment, an dem die ein oder andere Barriere fällt und ich einfach tue, wonach mir ist. Auch meine Mitmenschen sind lockerer, es wird mehr gelacht und  der Alltagstrott vergessen. Alkohol ist eine Zuflucht. Noch vor 2 Jahren, als ich fest in meiner Beziehung steckte, trank ich sehr selten. Da war mir schon ein Glas Sekt zu viel. Ich habe es einfach nicht gebraucht. Partys konnte ich im Jahr an einer Hand abzählen. Ich habe keinen Mehrwert darin gesehen, etwas zu trinken. Schlagartig änderte sich dies, als ich mich unbewusst von meinem Ex löste. Ich konnte nicht genug bekommen, musste mich betäuben.

Vielleicht ist es das, was Singles oft im Alkohol suchen: Betäubung.

Alkohol begünstigt das Sozialleben sehr. Wie viele Bekannte und mittlerweile sogar Freunde habe ich an feucht fröhlichen Abenden kennengelernt? So einige! Noch vor einem Jahr waren wir eher unbekannte Gesichter in unserer Stammbar. Jetzt können wir uns sicher sein, dass wir nach Betreten erst einmal einige Minuten mit dem Begrüßen der anderen Gäste beschäftigt sein werden. So eine Stammbar kann wie eine kleine Familie sein. Der Lieblingsbarkeeper kennt die Vorlieben und hat geschwind den Lieblingscocktail gemixt. Es ist eine Last die abfällt, wenn ich meine Stammbar betrete. Dann bin ich nicht mehr die einsame, sondern die selbstbewusste und beliebte Jule. Einen Ruf, so wie wir ihn haben, muss man sich erst erarbeiten. Uns hat es viele Katertage und Kopfschmerzen gekostet. Hätte das auch ohne Alkohol funktioniert? Nein! Ohne die richtigen Getränke, hätten wir nie spontan eine Tanzfläche eröffnet. Wir hätten nie die anderen Pub-Nasen kennengelernt, die uns ins Nachtleben der Stadt integrierten.

Sobald sich die haustür hinter uns schließt, ändert sich die Stimmung

Wie sehr sich Partyabende doch von der Realität abheben, bemerke ich meistens an einem Katersonntag. Zu gewohnt ist der Ablauf. Um 7 Uhr morgens stochern wir mit dem Schlüssel am Schlüsselloch der Haustür herum. Sobald sich die Tür hinter uns schließt, ändert sich die Stimmung. Den Spaß und die Ausgelassenheit haben wir draußen gelassen, neben uns nur die Einsamkeit und der üble Geschmack eines Mix aus Gin, Bier, Wodka, Zigaretten. Ich erinnere mich an einen Sonntagmorgen, an dem ich genau an diesem Punkt die Kontrolle verlor. Die Tür fiel ins Schloss, ich konnte mich nicht mehr bewegen. Nach einem tiefen Atemzug sank ich mit dem Rücken an die Tür gedrückt auf den Boden des Flurs. Tränen konnte ich nicht mehr zurückhalten. Wie ein Wasserfall kam alle Trauer und alles Leid aus meinem Körper, ohne dass ich eine Kontrolle darüber hatte. In meiner Hilflosigkeit versuchte ich meinen besten Freund zu erreichen. Ein Psychologe im Freundeskreis, ist manchmal Gold wert. Er wusste sofort, was zu tun war: „Jule, du musst aufstehen. Stell dir vor ich nehme deine Hand und ziehe dich hoch. Du schaffst das!“. Es brauchte einige Zeit, bis ich in der Lage war, seinen Anweisungen zu folgen. Selten habe ich mich so schwach und kaputt gefühlt, wie an diesem Abend. Offizielle Diagnose: Nervenzusammenbruch.

Verdrängung als 1. Hilfe

Nach diesem Erlebnis habe ich versucht so eine Situation zu vermeiden. Einfach nicht mehr allein nach Hause gehen, empfand ich als die sinnvollste Lösung. Das klappte natürlich! Nach ein paar Drinks lässt sich doch öfter mal jemand dazu bewegen, mich heim zu bringen. Verdrängung könnte man das nennen. Es war die 1. Hilfe, die sicherlich zu Beginn sinnvoll war. Dadurch habe ich mir wohl das Selbstbewusstsein erarbeitet, welches mich jetzt auch allein Heim trägt. Ich bezweifle, dass ich solche Emotionen ohne Alkohol je gehabt hätte. Ich hätte allerdings auch nie erkannt, was da in mir los ist. Zu stark ist meine innere Mauer, die solche Gefühle nicht nach außen dringen lässt. Seitdem ich mir bewusst bin, was da in mir schlummert, geht es mir besser.

So schnell werde ich wohl nicht von meinem Alkohol/Partymodus los kommen. Noch bringt es mir zu viel Freude und zu viel spannende Erlebnisse. Jedoch werde ich kleine Schritte machen: Auf der Weihnachtsfeier heute Abend gibt es 2 Gläser Wein für die Stimmung und dann wird nur noch beobachtet. Ich werde sie mir anschauen, die Partybiester. Und ich werde es genießen, mal nicht die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Dafür ist am Magic Friday wieder genug Zeit 😉

Junggesellenabschied die Zweite

Nachdem ich im vorherigen Artikel über einen Junggesellinnenabschied berichtet habe, gibt es der Gerechtigkeit halber einen Bericht von dem männlichen Gegenpart, dem Junggesellenabschied. Ein bisschen Gendern muss sein 😉

Es ist einige Wochen her. Ich stand mit meiner Besten und einer Bekannten vor meiner Lieblingsbar. Sommer, Sonne, Bierchen, Cocktail, ein typischer Freitagabend. Plötzlich lief eine Truppe Männer an uns vorbei. „Du, ich glaube der R. ist jetzt bei der Bundeswehr!“ – flüsterte ich zu meiner Freundin.

R. kenne ich schon seit knapp 10 Jahren. Er war der erste Mann, den ich auf unserer ersten Studentenparty sah. DJ in dem Club, der uns mit 16 Jahren so aufregend und erwachsen schien. Mit einer Kiste Bier stand er vor uns. Der Club war noch leer, wir waren überpünktlich. Soweit ich mich erinnere, spielte er auf unseren Wunsch Manu Chao- King of the Bongo. R. war schon damals ein hübscher Kerl! Lange schwärmte ich aus der Ferne, bis ich einige Jahre später gelegentlich das Gespräch suchte.

„Wenn wir beide mal zeitgleich Single sind, muss da was gehen!“ – versprachen wir uns nach 4 Tequila. Doch dieser Moment kam nie, vor ca. 5 Jahren verloren wir uns aus den Augen. Bis zu diesem Abend.

R. war natürlich nicht bei der Bundeswehr. Die Uniformierung war Teil des Junggesellenabschiedes eines Freundes. Süß sahen sie aus, bei 30 Grad Hitze im langen Bundeswehroutfit. Ob er mich wohl erkennen würde?`Auch ich werde nicht jünger.

Sein Freund S. war schon ziemlich betrunken. Die Jungs hatten es sich auf die Fahne geschrieben, ihm allerlei dämliche Aufgaben zu stellen, welche er als Rekrut ohne Murren zu erledigen hatte. Wichtigste Aufgabe: So viele Menschen wie möglich küssen!

Natürlich erkannte R. mich und schob die Männertruppe zu uns rüber. „Der Rekrut muss heute so viele Küsse sammeln, wie möglich!“ – lallten sie uns entgegen. Man gibt sich ja gerne her für die Sache! Abgesehen davon, war S. eine Sahneschnitte, logisch, dass der vom Markt geklaut wurde. So ging es nun die Reihe rum, Kuss 1, Kuss 2…bis er bei mir ankam. Die vorher Geküssten wurden mit einem relativ kurzen Schmatzer bedacht, mir hingegen drückte er einen längeren Kuss auf. Dies wurde natürlich direkt von der Mannschaft bemerkt. Unter starkem Gruppenzwang, ergab ich mich und stimmte einer Wiederholung zu. Die Sekunden wurden gezählt, wie lange halten wir beide diesen Kuss aus? Ziemlich lange 😉

Noch leicht beeindruckt vom Kuss, beschloss die Truppe, weiterzuziehen. Ob wir mitkommen würden, stand zur Debatte. Schlussendlich war ich die Einzige, die den Weg in den nächsten Club mit den Herren antrat. Auf halber Strecke wurde eine Pause eingelegt. Ich überlegte kurz, ob die ganze Sache eine gute Idee war. Um mich zu überzeugen, hob mich der zukünftige Bräutigam auf seine Schultern und ließ mir keine andere Wahl.

Aus den spaßigen Küssen wurde lange, intensive Knutschereien. Auf offener Straße. Wenn das die Zukünftige gesehen hätte.

Der Weg zum Club führte an einem Park vorbei. Dieser Park ist nachts geschlossen, aber gelegentlich ist das ein oder andere Tor offen. Als ich ein offenes Tor entdeckte, schnappte ich mir den DJ R. und versicherte der Truppe, dass wir uns im Club treffen würden.

Stockdunkel war es im Park. Ich klammerte mich vor Angst an R.

Wieso nie etwas aus uns geworden war, fragte ich und erhielt leider keine befriedigende Antwort.

Plötzlich stand ich in seinem Arm, schaute ihm in die Augen und konnte nicht anders, als ihn endlich zu küssen.

10 verdammte Jahre habe ich darauf gewartet! R. hat eine Freundin, was er mir vorher noch nicht ernsthaft mitgeteilt hatte. Ein Kuss ist kein Kuss und wir dachten „Es ist schon schlimm genug, dann wenigstens ein bisschen genießen“.

Am Club angekommen versprach R., mich später nach Hause zu begleiten, wenn schon, denn schon! Es war mir klar, dass dies nicht passieren würde.

Eine Stunde später lief ich allein zum Bus, R. war nicht mehr auffindbar. An der Bushaltestelle saß der zukünftige Bräutigam, deutlich gezeichnet von der Nacht. Er drückte mir einen letzten Kuss auf und sagte: „Du bist die letzte Frau mit der ich das getan habe, abgesehen von meiner Frau“.

Es wirkte so endgültig. Er lächelte und ich wusste, der hat seine Traumfrau gefunden!