Als Kind sah ich die Welt eingetaucht in bunte Farben, an jeder Ecke lauerte ein Abenteuer. Wie sehr ich mich doch geirrt hatte. Was ist aus meinen kindlichen Vorstellungen über das Erwachsen sein nur geworden?
Ist doch irgendwie sinnlos, das alles hier, flüstert mein Hirn leise vor sich hin. Wieder einmal durchfährt mich ein Gefühl, welches sich mit jedem Lebensjahr zu intensivieren scheint: Trostlosigkeit. Während ich meinen Gedanken nachhänge und meine Mundwinkel sich immer weiter der Schwerkraft hingeben, nehme ich ein helles Lachen wahr. An mir vorbei rennt ein kleines Kind, welches Mühe hat, mir nicht direkt über die Füße zu fallen. Es lächelt mir zu und springt schnell wieder in die andere Richtung. Die Freude, die das Kind in diesem kurzen Moment ausstrahlte, hebt auch meine Stimmung. Plötzlich bekomme ich Lust ein wenig über den Bahnsteig zu hüpfen und dabei das ein oder andere Lächeln zu verteilen. Doch dieses Gefühl verfliegt mit dem nächsten Windhauch.
Erwachsen sein klingt nicht nach frei sein und Spaß haben
Das, was ich in den Augen des Kindes sah, vermisse ich in mir selbst. Ich vermisse Leichtigkeit, Sorgenfreiheit und die Impulsivität einfach das zu tun, wonach mir gerade der Sinn steht. Als ich jung war, wollte ich ganz schnell erwachsen werden. Ich wollte endlich selbstbestimmt leben, ins Bett gehen wann ich es will und so viel Spielzeug kaufen, dass es nicht mehr in mein Zimmer passt. Ich hatte über Jahre hinweg die Hoffnung, dass ich mich als Erwachsener frei fühlen würde. Was ich jedoch als Kind nicht ahnte war, dass die wahre Freiheit vorbei sein würde, sobald ich in das Erwachsenenleben eintrat. Theoretisch betrachtet steht mir die Welt seit meinem 18. Geburtstag offen. Ich kann all das tun, was ich mir als Kind erträumt hatte. Damals war mir jedoch noch nicht bewusst, wie schwer es sein würde, diese Freiheit auch zu nutzen. Plötzlich musste ich mir Gedanken um Dinge machen, die ich als Kind nicht einmal buchstabieren konnte: Altersvorsorge, Versicherungen, Vorsorgeuntersuchungen, das klingt irgendwie nicht nach frei sein und Spaß haben, oder? Die Freiheit ist nicht das Einzige, was ich mir damals irgendwie anders vorstellte.
Im Kino flüchte ich mich in kindliche Vorstellungen
Ich hänge ihnen hinterher, diesen Vorstellungen, die ich mit dem “groß sein” verband. Als allererstes würde ich mir einen Prinzen suchen, der mich dann heiraten sollte, damit wir beide in ein großes Schloss ziehen könnten. Disney hat mir schließlich gezeigt, wie das mit der Liebe läuft. Umso härter traf es mich, als ich später weder auf Prinzen, noch auf nur ansatzweise märchenähnliche Wesen des anderen Geschlechts traf. Meine romantisierte Vorstellung von Schmetterlingen und rosa Wolken hatte nichts mit dem zu tun, was mich in der rauen Datingwelt erwartete. Es ist kein Zufall, dass aktuell so viele alte Disney-Klassiker neu verfilmt werden. Schließlich sind wir unterbewusst immer noch auf der Suche nach den Emotionen, die wir uns als Kinder unter dem Stichwort “verliebt sein” ausmalten. Und so sitze ich nun regelmäßig im Kino und schaue mir Filme wie “Die Schöne und das Biest” an. In diesen zwei Stunden Ablenkung bin ich wieder das kleine Mädchen, was damals mit ihren Puppen Hochzeit gespielt hat. Zumindest so lange, bis das Licht angeht und ich feststelle, dass ich mich wieder in meiner Traumwelt verlaufen habe. Die Liebe ist nur einer der Irrtümer, den ich als Erwachsener aufdecken musste.
Barbies und Lego vermittelten mir ein falsches Bild der Arbeitswelt
In meiner Kindheit war ich der festen Überzeugung, dass Arbeit etwas tolles und sinnvolles ist. Die einen bauen ein Haus in dem man wohnen kann, die anderen pflegen Kranke gesund. Das alles konnten Lego und meine Barbies auch. Dass die meisten Erwachsenen ihr Arbeitsleben jedoch vor einem Computer im stickigen Büro verbringen, war mir fremd. Wo bitte ist die rückenkranke, leicht sehbehinderte Puppe, die den Kindern das richtige Einstellen des Bürostuhls erklärt? Als ich Kind war, habe ich meine Eltern darum beneidet, dass sie zur Arbeit gehen durften. Ich musste schließlich in diesen doofen Kindergarten, in dem das gute Spielzeug sowieso immer besetzt war. Die Arbeitswelt malte ich mir bunt und fröhlich aus. Nachdem ich mit der Schule fertig war, verstand ich schnell, warum meine Eltern damals nicht so gerne über ihren Arbeitstag sprachen. Ich wollte jedes Mal wissen, welche Heldentaten sie in den 8 Stunden Abwesenheit verbracht hatten. Gespannt saß ich vor ihrer Ankunft auf meinem Stuhl und konnte kaum abwarten die aufregenden Geschichten zu hören, die sich ereignet hatten. Dabei hätte ich schon damals ahnen können, dass ich mit meinen Vorstellungen falsch lag, denn anstatt fröhlich beschwingt vom Arbeitstag zu schwärmen, wurde das Thema meist direkt verworfen. Lieber fragten meine Eltern mich, wie ich meinen Tag verbracht hatte. Rückblickend betrachtet verständlich, ich hatte schließlich um einiges mehr erlebt als sie.
Lichtblicke
Kindliche Naivität ist ein Segen, sie zeigt mir immer wieder, dass man die Dinge auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten kann. Auch wenn ich mir das Erwachsen sein durchaus anders vorgestellt habe, versuche ich mir immer wieder bewusst zu machen, dass der Ernst des Lebens nicht immer ganz ernstzunehmen ist. Dann riskiere ich mal wirklich was, stelle meinen Wecker zwei Stunden vor und lächle meinen vergangenen kindlichen Sichtweisen zu. Tja, zumindest die Vorstellung, dass ich als Erwachsener ins Bett gehen könnte, wann immer ich will, hat sich bewahrheitet.