Gastbeitrag: Umgang mit dem Tod in der Beziehung: Wenn Eltern sterben

Vielen Dank an die Autorin, die mir diesen berührenden Text zur Verfügung gestellt hat. Sie möchte anonym bleiben. 

 

Wenn man sich darüber Gedanken macht, was überhaupt Schlimmes passieren kann, dann fallen einem spontan mindestens 5 Dinge ein. Das Auto geht kaputt, ob durch Fremd- oder Eigenverschulden. Man wird krank oder man wird schlimm krank. Der Arbeitgeber kündigt einen aufgrund von betrieblichen Umstrukturierungen. Man wird im Bus beim Schwarzfahren erwischt.
Das sind nur einige Beispiele von Dingen, die wehtun und unseren Wagon in der Achterbahn des Lebens dezent nach unten dirigieren. Aber was passiert, wenn der Wagon rasant auf den Erdboden zusteuert?

 

Das Gedankenkarussell ratterte los – Was war heute wieder schief gelaufen?

Es ist jetzt ungefähr 4 Wochen her, seit bei uns die Farben des Lebens nur noch in schwarz und weiß dämmerten. Wenn ich sage uns, dann meine ich meine Beziehung, meinen besten und festen Freund, den ich seit 2 Jahren nicht von meiner Seite denken kann und möchte.
Alles war wie immer, ich war erschöpft von der Arbeit zuhause angekommen und wartete auf die Rückkehr meines Liebsten. Als dieser durch die Tür trat merkte ich, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. Gleich ratterte bei mir das Gedankenkarussell los und ich überlegte, was heute wieder alles schief gelaufen ist. Vielleicht ist jemand bei der Arbeit verletzt worden oder er hatte einen Autounfall oder oder oder..
Ich sprach ihn nach kurzer Zeit direkt an und die Worte, die aus seinem Mund sprudelten wurden abgelöst von lautem Rauschen in meinen Ohren.
Unmöglich schien es mir, dass dies stimmte.

 

Kein Versehen, keine Verwechslung

„Mein Vater ist heute früh gestorben.“…“Herzinfarkt“ Unsere Welt hörte auf sich zu drehen und ich nahm ihn in den Arm, konnte selbst kaum fassen, was da vor sich ging. Es musste ein Versehen, eine Verwechslung sein.
Wie sich in den darauffolgenden Wochen rausstellte war es definitiv kein Versehen und schon gar keine Verwechslung. Der Vater meines Freundes, mein Schwiegervater war urplötzlich an einem Herzinfarkt verstorben und hinterließ uns in Schockstarre und nachfolgend unendlicher Trauer.
In meiner Familie war es bisher noch unüblich jemanden zu verlieren und den Gedanken verschwendete ich auch immer nur ganz kurz, da der Schmerz, der damit aufkam zu schlimm war, um nur davon zu kosten. Ich wollte es nicht Realität werden lassen und schon gar nicht, sollte dies bei mir vorkommen. Nicht in den nächsten 2-3 Jahrzehnten.

 

Was aber können wir einem Todesfall positives zusprechen? Nichts.

Doch dies war Realität, ein Elternteil der uns und besonders natürlich meinem Freund sehr nahe stand war mit einem Male verschwunden. Ausgelöscht und unwiederbringlich weg. Ich stellte mir selbst immer wieder die Fragen: wie kann ich helfen, was kann ich tun um diesen Schmerz zu stillen? Was mir mit der Zeit bewusst wurde, dass ich wenig tun konnte. Normalerweise kann man gewissen schlimmen Dingen auch etwas Gutes abgewinnen. Beispielsweise ist ein kaputtes Auto vielleicht die Fahrkarte für mehr Nachhaltigkeit im Nahverkehr oder der gekündigte Job, die Möglichkeit neu anzufangen.
Was aber können wir einem Todesfall positives zusprechen? Nichts.
Natürlich sind wir dankbar über die zahlreichen gemeinsamen Stunden, über die vielen erzählten Geschichten. Wir sind dankbar für die verrückten Unternehmungen und hilfreichen Ratschläge.

 

Zusammen nahmen wir Abschied, aber jeder trauerte für sich allein

Seitdem lebten wir in unserer Beziehung nebeneinander her und ich versuche für ihn da zu sein. Ich spürte seinen Schmerz sehr genau, doch kannte ich keinen Weg, um diese aufzulösen. Ich fühlte mich unsicher und hilflos. Ich schrieb seinen besten Freund an und fragte ihn nach Unterstützung. Ein paar Tage später stand er dann vor unserer Türe und ich spürte einen Auftrieb und die alten bekannten Seiten wieder hervorblitzen.
Es war eine gute und hilfreiche Zeit, bis es dann zur Beerdigung und Trauerfeier kam. Ich war mir bewusst, dass uns dies wieder zurückwerfen würde. Zusammen nahmen wir Abschied und doch trauerte jeder für sich alleine.
Als dieser Tag überstanden war, näherten wir uns dem Alltag wieder an. Immer wieder versuchte ich meinen Partner auf gute Gedanken zu bringen, allerdings funktionierte dies mehr schlecht als recht. Ich hatte Angst, dass er sich zurückzog oder depressiv wurde, aber musste mir immer wieder eingestehen, dass die Trauerzeit noch ewig dauern würde.

 

Was wäre, wenn er nicht mehr der Mann würde, in den ich mich verliebt hatte?

Ich stellte mir innerlich die Frage, was wäre, wenn er eben nicht mehr der Mann würde, in den ich mich verliebt hatte. Wenn er nicht darüber hinwegkommen könnte, dass jemand, der ihm so nahestand nicht mehr bei uns wäre. Wenn er sich selbst verändern würde und so auch zu einer anderen Person würde?
Ich schimpfte innerlich mit mir und nannte mich egoistisch und versuchte mir die schlechten Gedanken aus dem Kopf zu treiben. Ich wusste, dass ich ihn liebte, ich wusste, dass ich immer bei ihm bleiben würde, wenn er es zuließ und ich wusste, dass er sicher nicht der Alte werden, aber dennoch nicht seine ganze Persönlichkeit verändern würde.
Ich merkte, dass es half über den verlorenen Menschen zu sprechen. Wir würden ihn niemals vergessen und würden selbst unseren zukünftigen Kindern nicht die Chance verwehren seine Werke zu hören und zu sehen und ihn auf ihre Weise auch kennenzulernen.
Eines war mir bewusst, auch wenn der Mensch nicht mehr unter uns weilt, so erlebe ich ihn tagtäglichen in kleinen Dosen auch in meinem Partner, so erlebe ich ihn auch in vielen anderen Menschen, die er in seinem Leben berührt hat.

 

Wertschätzung und Dankbarkeit

Das auch diese Worte meinem Geliebten nur Tränen entlocken würde war mir bewusst, aber ich weiß, dass da auch Dankbarkeit ist.
Gebt euren Liebsten Zeit und Raum, aber seid immer da, sowohl geistig, als auch körperlich. Den Schmerz kann einen keiner nehmen, aber man kann den Personen beistehen, während sie diesen tragen, auch wenn dies Wochen, Monate und Jahre dauert und manchmal niemals aufhört. Dieser Verlust kann jeden treffen und je nachdem wie eng die Beziehung zu Familienmitgliedern ist, trifft es einige besonders hart. Trotz der fehlenden körperlichen Nähe ist der verstorbene Mensch immer ein Teil der Familie, dies sollte man sich immer wieder bewusst werden.
Was wir zusätzlich daraus mitnehmen ist, dass wir unser Leben in seiner Zerbrechlichkeit und Kürze besonders wertzuschätzen sollten, um Dinge zu unternehmen, die uns Freude bringen mit Menschen die wir lieben.

 

Kein Alkohol? Schwanger! – Wie der Griff zur Pulle mir lästige Fragen erspart

Es gibt einen entscheidenden Moment, wenn man als kinderlose Frau um die 30 mit Freunden oder der Familie verabredet ist. Der, sobald die ersten Getränke bestellt werden, die erste Flasche Sekt zur Feier des Tages geöffnet wird. Die Blicke verändern sich, greift Frau nicht direkt zum promillehaltigen Glas. Es sind prüfende Blicke, die meinen Körper abscannen. Sie bleiben kurz an meiner Bauchregion hängen, um die auch noch so kleinste neue Wölbung zu entdecken. Ich komme mir dabei manchmal so vor, als wäre ich in einem kleinen Zoogehege ausgestellt. Beäugt wie eine Affendame, auf deren Trächtigkeit gewartet wird. Na, greift das Weibchen zum Zellgift, oder schützt es das noch geheime Ungeborene?

Schwanger oder nicht Schwanger

Schwanger oder nicht schwanger, diese Frage wird in Geselligkeit durch die Getränkewahl bestimmt. Noch vor einigen Jahren war es für andere durchaus plausibel, wenn ich Bier, Sekt und Schnaps aufgrund von Medikamenteneinnahme oder einem angeschlagenen Magen ablehnte. Mag halt nicht, vollkommen okay. Meine Gesundheit stand im Vordergrund des Interesses. Dieses Bild hat sich schlagartig geändert, seitdem ich „alt genug“ und vergeben bin. Um die 30, in einer stabilen Partnerschaft = müsste in kürzester Zeit Mama werden.

Sollte ich den Zugang zu meiner Zyklus-App teilen?

Vor einigen Jahrzehnten war es normal erst zu heiraten und dann den Familienplan in die Hand zu nehmen. Eine klare Zeitabfolge, die nur Mutige durchkreuzten. Heutzutage gelten keine Regeln mehr. Es könnte immer so weit sein. In meinem Umfeld gibt es tatsächlich Menschen, die sich alle paar Wochen über den Zustand meiner Gebärmutter informieren möchten. „Und, hats geklappt?“, werde ich in regelmäßigen Abständen gefragt. Ich war schon kurz davor, den Zugang zu meiner Zyklus-App zu teilen, um Interessierte täglich informiert zu halten. Oder alle paar Wochen auf einen Schwangerschaftstest pinkeln und das Bild auf Facebook und Instagram teilen? Gruselige Vorstellung.

Mein Körper gehört mir!

Wann zum Teufel ist der Zustand meiner Gebärmutter zum Allgemeingut geworden? Zur Information, die für Freunde und Familie so relevant ist, wie die aktuelle Zeitungsausgabe? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie andere Frauen unter diesem Gesellschaftsdruck überhaupt in der Lage sind, ihren Körper auf Kinderwunsch einzustellen. Was macht es mit ihnen, wenn es Monat für Monat wieder nicht klappt? Wenn sie Monat für Monat wieder mit dem Kopf schütteln müssen, sobald die regelmäßige Statusabfrage des Umfeldes erfolgt? Es hat doch einen guten Grund, dass die Befruchtungsprozesse innerhalb des Körpers, für die Mitmenschen verborgen, stattfinden. Mein Körper gehört mir, und damit alles, was darin vorgeht.

Die Spannung löst sich, sobald alle gebärfähigen Damen am Alkohol genippt haben

Seitdem ich mich bei der Getränkeauswahl gaffenden Blicken ausgesetzt fühle, bestelle ich Alkohol. Immer. Egal, ob mir danach der Magen kneift, oder ob ich eigentlich mehr Bock auf Limo habe. Mindestens ein Getränk des Abends muss promillehaltig sein. Das macht mir das Leben leichter. Es verhindert Gespräche, die ich nicht führen möchte. Interessant zu sehen ist, wie sich plötzlich jegliche Anspannung bei einer Veranstaltung löst, sobald alle gebärfähigen Damen der Runde zumindest einmal am Alkohol genippt haben. Ach, wobei, nippen reicht nicht. „Du hast doch gar nicht richtig getrunken.“ Meine Reaktion? Ein großer Schluck aus dem Glas. Bitteschön, gern geschehen, nächste Nachfrage erst in einigen Wochen notwendig.

Niemand hat einen Anspruch auf dich, auch nicht an Weihnachten

Weihnachten – ein schönes Wort für eine schöne Zeit. Eine Zeit, auf die man sich freut. So geht es auch mir, eigentlich. Der Weihnachtsmarkt ist jedes Jahr wieder ein Highlight. Wo sonst kann man reuelos Glühwein schlürfen, und das an jedem Tag der Woche? Ist schließlich nur wenige Wochen im Jahr.

Hier hört es aber auch schon auf, mit den Vorteilen der Weihnachtszeit. Ich glaube ja, dass der Glühwein und die Feuerzangenbowle nur erfunden wurden, um sich die negativen Seiten der Feiertage schön zu saufen. Jetzt, Anfang Dezember, mag es noch nicht besonders auffallen, aber die Menschen sind im Stress. Umso näher das Weihnachtsfest rückt, desto mehr verändern sich die Blicke, mit denen Menschen durch die Stadt laufen. Aus einem „Schau mal hier, das ist aber schön!“ wird ein „Muss Geschenke kaufen…kaufen, kaufen, kaufen!“. Ich war genauso. Noch vor schätzungsweisen 5 Jahren lief die Packstation in meiner Nähe heiß. Bestellt wurde alles, was mir unter die Maus kam. Ich bildete mir ein, meine Mitmenschen und damit auch mich, mit vielen Geschenken glücklich zu machen. Es blinkt und macht Geräusche, das ist DAS DING! Genau das, was mein Herzblatt braucht, um noch ein kleines Stückchen glücklicher zu sein. Und lieben wird er mich dafür, das reicht sicherlich für ein ganzes weiteres Jahr. Ein Trugschluss. Wenn das mühevoll ausgesuchte Geschenk nur ein müdes Lächeln erntet, hört man mein Herz ein kleines bisschen knirschen. Das erste Feiertagsdrama ist also schon einmal gesichert.

Mich hat nie jemand gefragt: Willst du das überhaupt?

Weihnachten ist ein Familienfest, sagt zumindest der Großteil der Gesellschaft. Das heißt: Anstandsbesuch bei Eltern, Großeltern, Schwiegereltern, Onkels, Tanten und wer da sonst noch genetische Ähnlichkeiten aufweist. Irgendwie hat mich nie jemand gefragt: Willst du das überhaupt? Macht dich das glücklich? Diese Frage stellte ich mir über Jahre leider nicht einmal selbst. An meinem ersten Single-Weihnachten stelle ich gottseidank fest: Nö, das macht mich überhaupt nicht glücklich, dieser ganze Familienkram. Friede-Freude-Eierkuchen, Pustekuchen!

Es gibt 365 Tage im Jahr, an denen man die Familie treffen kann

Einem Marathon der aufgesetzten Freude glichen die Weihnachtsfeste, die ich die letzten Jahre er-, oder eher überleben musste. Schon Wochen zuvor begann der „Terminpoker“. Welcher Familienteil würde wohl an welchem Feiertag bedacht. Ich verstehe diesen Anwesenheitszwang nicht. Was unterscheidet den 24.12. vom 13.01.? Zum Essen treffen kann man sich an 365 Tagen des Jahres, warum quetschen wir alle Verwandten in drei? Mir läuft es eiskalt den Rücken runter, wenn ich mir eine vollgepackte Weihnachtsplanung anschaue. Wo bleibe ich zwischen Mittagessen mit Omi, Abendbrot mit dem Onkel und Kaffee bei der Schwiegerfamilie? „Das ist historisch gewachsen“, sagt man gerne im Büro zu Dingen, die zwar nervig, aber nicht zu ändern sind. Ich will etwas ändern. Ich will Besinnlichkeit, und zwar in Ruhe. Ich will Entspannung auf der Couch, ohne mich dabei vollgefressen wie ein Mastferkel zu fühlen. Ich will Zeit die vielen Lichter und weihnachtlichen Gerüche um mich herum zu genießen. Wie sagte es mein hoch geschätzter Chefredakteur Eric Hegmann so schön: „Zu Weihnachten hat niemand einen Anspruch auf dich.“. Genau, so ist es.

Wer am Ende glücklich ist? Niemand

Letztes Jahr verbrachte ich Weihnachten allein, gewollt. Wer denkt dass ich weinend auf meiner Couch lag und den Trubel inklusive der Geschenke vermisst habe, den kann ich beruhigen. Ich war zufrieden. Zufrieden mit mir und der Welt. Ich weiß nicht warum Singles zu Weihnachten überhaupt so bedauert werden. Ich bedauere eher die Menschen, die sich in den Trubel stürzen und nach den Feiertagen erst einmal Urlaub nötig haben. Manchmal glaube ich, wir machen diesen ganzen Zirkus nicht für uns, sondern für die anderen. Wer am Ende damit glücklich ist? Niemand.

Die 20-Something Depression

Knapp 2 Jahre ist es her, dass ich das erste Mal in eine altersbedingte Sinneskrise fiel. An meinem 25. Geburtstag wurde mir bewusst, was ich alles NICHT erreicht hatte.

Wird man erwachsen, formen sich im Kopf Zukunftsvorstellungen, auf die man sehnsüchtig blicken kann. Ich glaube bei mir war das mit ca. 18 Jahren der Fall. Ich wusste ziemlich genau, wo ich mal mit 25 stehen möchte. Mindestens verlobt, studiert, fest im Job-Sattel sitzend. So wollte ich mit 25 sein, darauf arbeitete ich hin. Die Chancen standen nicht schlecht, begann ich doch gerade erst ein spannendes Studium. Auch der passende Partner war da, so dass ich eigentlich nur streng gerade aus laufen musste, um auf dem schnellsten Weg ans Ziel zu gelangen. Es wäre so einfach, wenn das Leben einer geraden Straße gleichen würde. Einfach, aber vermutlich auch ziemlich langweilig, oder? Mein Weg begann jedoch schnell ein paar Kurven einzuschlagen. Da war das Studium dann doch nicht so motivierend wie gedacht und schon bog ich kurz vom Lebensweg ab. Gottseidank nahm ihn nur eine kleine Umleitung, die mich schlussendlich trotzdem auf den Karriereweg führte. Nochmal Glück gehabt, Plan nicht in Gefahr, dachte ich.

Mein 25. Geburtstag machte mich zum Single

Doch da war ja noch die Liebe, welche bekanntermaßen nicht vorhersehbar ist. „Wenn er mir bis 25 keinen Antrag gemacht hat, muss ich mich wohl trennen.“, sagte ich mit Anfang 20 einer guten Freundin. Eigentlich, war es eher scherzhaft gemeint, trotzdem schon ein Fünkchen Wahrheit in diesen Worten steckte. Wir wären dann schließlich 7 Jahre zusammen, da kann man sich schon mal „trauen“. Trotzdem diese „Drohung“ kaum ernst gemeint war, war es genau mein 25. Geburtstag, welcher mich zum Single machte. Ich war unzufrieden. Ich war nicht mehr glücklich. Mir das einzugestehen fiel schwer, sehr schwer sogar. Doch meine Gefühle hatten sich schon längst so weit entfernt, dass ich um eine Trennung nicht mehr herum kam. Da stand ich nun, am ersten Zielpunkt meines geplanten Lebensweges. Ich stand dort allein. Abgesehen von der mehr oder weniger vorhandenen Karriere, hatte ich meine Zukunftsvorstellungen nicht umsetzen können. Es fühlte sich an, als wäre ich vom Einkauf heimgekommen und hätte von meiner Einkaufsliste nur eine Zutat besorgt, anstatt mit vollen Tüten die Treppe hochzugehen. Leer fühlte sich das an, so als hätte ich mein halbes Leben auf der Strecke vergessen. Nach jedem Tief kommt bekanntlich ein Hoch und so schaffte ich es, mich zumindest überwiegend wieder aufzurappeln, und wenigstens den Karriereweg straight gerade aus zu bestreiten. Doch umso älter man wird, desto öfter blickt man zurück. Ich blickte zurück, als ich 26 wurde, ich blickte zurück, als die 27 auf meinem Geburtstagskuchen prangte. Es machte mich immer trauriger. Wieder ein Jahr vergangen und so gut wie nichts erreicht.

Wenn’s kein Mann wird, dann eben ne Katze

Allein die Familienplanung, rückt in weite Ferne. Zumindest kaufte ich mir erstmal eine zweite Katze. Dann hab ich wenigstens etwas, um das ich mich kümmern kann und auf das ich zurück blicke, wenn die böse 28 auf mich zurollt. „Wenn ich nächstes Jahr immer noch Single bin, dann wird’s kein Mann, sondern ne Katze.“, sagte ich 2015 zu meiner besten Freundin. Ich hatte gehofft, um die Anschaffung herum zu kommen.

Es ist komisch, aber mit jedem Tag, jeder Woche und jedem Monat, der ins Land geht, fühlt sich mein Lebensweg sinnloser an. Er ist Alltag, alles ist schon mal da gewesen. Jedes kurze Glück streift vorüber und wird wieder eingeholt von langen, langweiligen Arbeitstagen. Da fehlt irgendwie der Sinn. Da fehlt irgendwie die Zukunftsperspektive. Soll das jetzt ewig so weiter gehen? Da kann ich befördert werden bis ich blau anlaufe, ich komme trotzdem abends allein nach Hause, gehe ins Bett und wiederhole mich täglich. Einziger Lichtblick sind aufregende Wochenenden, welche aber enorm an meinen Energiereserven zehren.

Hätte ich es besser machen können?

Ist es Fluch oder Segen, sich mit den Jahren nach dem Sinn zu fragen? Jeder Blick zurück raunt mir entgegen, ich hätte es anders, ich hätte es besser machen können. Wo könnte ich schon stehen, wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte? Ich sehe so viele Menschen heiraten, Kinder bekommen, einen Sinn im Leben finden. Und was mache ich? Ich schaue mir bis in die Nacht hinein Reportagen darüber an, dass ich, falls ich denn mal Kinder wollen würde, mich mal beeilen sollte. Wird ja alles nicht besser mit der Biologie und so. Dann denke ich an die Frau, die in dieser Reportage vorkam. Über 40, Single, kinderlos. „Ich habe einfach den perfekten Moment verpasst. Entweder war da der falsche Partner, oder gar kein Partner.“. Prost Mahlzeit, denke ich mir und würde am liebsten eine Flasche Wein aufmachen. Ist das meine Zukunft? Verbittert und allein sein? Es ist eine Sinneskrise, die viele Frauen in meinem Alter ereilt. Man glaubt gar nicht, wie so etwas an den Nerven zerren kann. Vielleicht wird das ja mit 30 besser? Vielleicht hat man sich dann damit abgefunden, dass es nun mal so ist, wie es ist? Abfinden ist so unschön! Sinn finden, wäre mir um einiges lieber.

Von der Erfahrungen Älterer profitieren – Weisheit färbt ab

Umso älter ich werde, desto erfahrener werde ich. Das bezieht sich auf Fähigkeiten, sowie auch auf Lebensansichten und „Weisheit“, wenn man davon in meinem Alter schon sprechen kann. Da reicht schon ein weiteres Lebensjahr um Dinge zu lernen, die die eigenen Augen öffnen und ein „Hätte ich das mal vorher gewusst!“ auslösen. Manchmal sind das ganz einfache Dinge, einfache Erfahrungen, die das Leben beeinflussen. „Ab 4 Bier ist mir am Folgetag schlecht“ – einfach, aber ziemlich gut zu wissen. Von solchen „einfachen“ Erfahrungen möchte ich an dieser Stelle allerdings nicht sprechen. Es geht um Sinnesfragen, Lebensfragen und Liebesfragen. Gerade wenn es einer gewissen Weisheit bedarf, halte ich mich gerne an ältere Familienmitglieder. Meine Oma ist da ein großes Vorbild für mich. Jedes seltene Mal bei dem ich die Gelegenheit habe, länger mit ihr zu sprechen, ist wertvoll. Aus solchen Gesprächen gehe ich oft mit vielen neuen Erkenntnissen und Denkansätzen, die mich im Leben weiterbringen.

Zu Weihnachten traf ich nach knapp 10 Jahren mal wieder auf meine Großtante, also die Schwester meiner Oma. Trotzdem wir uns so lange nicht gesehen hatten, bestand eine Verbindung. Ich erinnerte mich, wie ich als Kind mit ihr und meinem Großonkel einkaufen ging. Unbedingt wollte ich eine bestimmte Packung Kaugummi, die mir meine Eltern nie erlaubt hätten. Dass meine Großtante sie mir ohne Widerrede in den Einkaufswagen packte, ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Verrückt, welche Kleinigkeiten sich Kinder so merken können. Als wir uns am Heiligabend verabschiedeten versprach ich meiner Großtante, dass ich zeitnah bei ihr vorbei schauen würde. So kam es dann auch. Wir verabredeten uns zu einem Tee, und zum Reden. Als ich mich auf den Weg zu ihr machte, war ich leicht verunsichert. Würden wir einen Drat zueinander finden, oder wüssten wir nach wenigen Minuten nicht mehr, über was wir uns unterhalten könnten? Diese Bedenken waren unbegründet. Wie alle Frauen meiner Familie mütterlicherseits, ist auch meine Großtante sehr gesprächig. Mit viel leckerem Tee eingedeckt, konnte es losgehen. Ich hatte mir vorher überlegt, welche Themen ich gerne ansprechen möchte, und wo ich mich nach einem Rat erkundigen werde. So hörte ich mir die verschiedensten Liebschafts-Geschichten an, lernte so einiges über den Alltag vor knapp 50 Jahren und konnte mir so ein gutes Bild machen.

Ich ließ es mir nicht nehmen Fragen zu stellen, die mich in Bezug auf die Liebe bewegten. Vielleicht würden mir die Erfahrungen eines weiseren Menschen helfen, selbst weise zu entscheiden. „Wie merke ich denn, ob mein Partner der Richtige für mich ist?“ – fragte ich in der Hoffnung, eine klar und anwendbare Antwort zu bekommen. Doch ich lag falsch. „Ob jemand der Richtige für dich ist, das weißt du nie!“ – erhielt ich als Antwort. Menschen entwickeln sich ein ganzes Leben lang. Was 40 Jahre zusammen passte, kann nach 41 Jahren komplett entgegengesetzt laufen. Liebe hat viel mit Vernunft zu tun, mit Vernunftentscheidungen. Sich verlieben ist eine tolle Sache, aber nur weil es nicht direkt funkt heißt es nicht, dass zwei Menschen nicht zusammen passen. Man muss ein Team bilden. Aus den Erfahrungen meiner Großtante lernte ich nun, wie wichtig es ist, in eine Beziehung zu investieren. Man muss etwas „reinstecken“ um etwas „herauszubekommen“. Ebenfalls sollte man nie den Blick auf den Partner verlieren. Ich sollte den Mann als Mann sehen und ihn auch so behandeln. Genauso ist es wichtig, dass ich mich als Frau gewertgeschätzt und gut behandelt fühle. Sich nicht aus den Augen zu verlieren, ist hier die Herausforderung.

Besonders wichtig war meiner Großtante mir zu vermitteln, dass ich kommunizieren müsse. Alles muss gesagt werden, auch unangenehme Dinge. Nicht als Vorwurf, sondern als Beschreibung der Gefühle. „Ich fühle mich unwohl, wenn du dies oder das tust.„. Diese klare Kommunikation sorgt dafür, dass der Partner zu jeder Zeit weiß, was im Gegenüber vorgeht. Das klingt auf den ersten Blick einfach, ist es aber nicht. Gerade als Frau kann ich mir schwer vorstellen, dass mein Partner manche Dinge einfach nicht merkt. Männer haben anscheinend nicht so feine Antennen für Gefühle, wie wir Frauen. Kommunikation als fester Untergrund für eine Beziehung. Irgendwie scheinen wir das zu wissen, aber die wenigsten setzen es um.

Es ist inspirierend, sich mit älteren Familienmitgliedern zu unterhalten. Nicht nur über oberflächliche Dinge, sondern über tiefgründige Fragen. Daraus können sich tolle Gespräche und Erkenntnisse ergeben. Somit kann ich euch nur raten, euch mit Großeltern, Eltern, Onkel, Tanten etc. pp. zusammen zu setzen und Fragen zu stellen. Es gibt Fehler, die andere vor uns gemacht haben, welche wir nicht wiederholen müssen. Ich nehme mir solche Ratschläge sehr zu Herzen und hoffe, dass sie in meiner Beziehung auf fruchtbaren Boden fallen werden.

Es gab nur noch ein „wir“, ein „ihr“, kein „du“ und kein „ich“ mehr

Schon wieder eine unruhige Nacht. Schon wieder eine Nacht, in der ich gefühlt alle 2 Stunden aufwachte. Schon wieder eine Nacht, in der ich abgesehen von Zombies auch noch von meinem Ex-Freund träumte. Zombies an sich sind ja schon schlimm genug, aber danach dann noch im Traum das Gesicht des Mannes zu sehen, mit dem ich 7 Jahre meines Lebens verbrachte, muss nicht sein!

Interessanterweise, kamen solche Träume kurz nach der Trennung nie vor. Der Moment in dem Er auszog, war ein Schlussstrich. Selten habe ich seitdem über die 7 Jahre Beziehung nachgedacht. Sie waren irgendwie nicht mehr existent. Man will ja meinen, dass man nicht einfach so weitermachen kann, ohne das ganze „aufzuarbeiten“. Ging jedoch ganz gut! Ich habe meine innere Uhr einfach 7 Jahre zurückgedreht, und da weiter gemacht, wo ich mit 19 Jahren aufgehört habe.

Zu Beginn war es schwierig, diese lange Zeit „aufzuholen“. Ich glaube so langsam bin ich an dem Punkt, wo ich ohne Abstriche behaupten kann: „Ich bin jetzt dort wo ich auch gewesen wäre, wenn die 7 Jahre nicht dazwischen gekommen wären.“

Nach und nach möchte sich mein Kopf nun aber doch mit dieser Zeit beschäftigen. Was war, und was hat es aus mir gemacht? Es ist schwer zu beschreiben wie es sich, wenn auch nur im Traum, anfühlt, mit dem Ex zusammen zu treffen. Da ich natürlich nicht von rosa Einhörnern und Friede Freude Eierkuchen träume, sind die erträumten Situationen meist ziemlich unangenehm.

Heute Nacht fand ich mich in Gegenwart meines Ex Freundes und seiner neuen Freundin wieder. Er wollte irgendetwas bei mir abholen. In seinen Blicken konnte ich die Abwertung, wenn nicht sogar Abscheu erkennen, die er mir gegenüber empfand. Auch seine neue Freundin strafte mich mit bösartigen Blicken. Als hätte das nicht schon gereicht, tauchten noch die ehemaligen Schwiegereltern auf, vor denen es mir auch heute noch graut.

Versteht mich nicht falsch, ich hatte tolle Schwiegereltern! Sie waren immer für uns da, und haben uns einiges ermöglicht. Das alles hatte allerdings seinen Preis. Erwartungen! Viele Erwartungen! „Ihr kommt aber doch Sonntag zum Essen, oder?“, „Beim Geburtstag von XY MÜSST ihr dabei sein!“, „Ihr seid die nächsten, die hier heiraten!“, „So langsam solltet ihr schon mal an Kinder denken!“….etc. pp.

Diese 7 Beziehungsjahre waren so vollgestopft mit Erwartungen. So richtig bewusst wurde es mir erst, als ich kurz vor der Trennung merkte, dass ich mich nicht wohl und irgendwie erdrückt fühlte. Ich erinnere mich noch gut, wie ich in der ersten Zeit allein die ganz kleinen Dinge genossen habe. Ausschlafen so lange ich möchte, essen was ich möchte, so lang weggehen wie ich möchte, anziehen was ich möchte.

Wie wenig mochte ich teilweise die Beziehungs-Sonntage: spätestens 10 Uhr aufstehen, damit man es pünktlich zu 12 Uhr zum Mittag der Schwiegereltern schafft. War mir nicht danach, musste ich mir eine Rechtfertigung ausdenken, warum ich das Essen versäumen würde.

Generell gab ich an den meisten Wochenenden meine Individualität ein Stück weit auf. Geburtstag von X, Geburtstag von Y…eine große Schwiegerfamilie hat nicht nur Vorteile. Es wurde zur Tradition, die Wochenende komplett im Familienkreis zu verbringen. Zu Beginn empfand ich das als Bereicherung, einfach weil ich so ein Familienleben nicht gewohnt war. Doch mit der Zeit, kamen immer wieder die gleichen Themen auf: „Warum trinkst du denn nicht? Bist du etwa schwanger?“, „Ihr müsst auch mal so langsam heiraten!“

Ich muss dazu sagen, dass ich zu der Zeit wirklich wenig Alkohol getrunken habe. Heute kaum mehr vorstellbar.

So schön das Ganze für eine Zeit lang war, irgendwann verlor ich ein Teil meiner eigenen Persönlichkeit. Es gab nur noch ein „wir“, ein „ihr“, kein „du“ und kein „ich“ mehr. Ich sollte/musste überall hin mit. Ein nicht Erscheinen bei Familienveranstaltungen, war nicht gern gesehen. Es konnte ja nicht immer die „Jule ist krank“-Ausrede gebracht werden. Manchmal wäre ich einfach gern mit meinen Freunden weg gegangen, hätte einen drauf gemacht, und wär dann freudig schwankend ins Bett gefallen.

Mir wurde erst mit der Zeit klar, wie eingeengt ich mich gefühlt hatte. Verschmolzen zu einem „Wir“, konnte ich nicht das ausleben, was mich ausmachte. Ich bin zu einer Person geworden, die mir fremd war. Vermutlich war das auch der Grund, warum ich nach diesen 7 Jahren irgendwann einfach nicht mehr nach Hause wollte. Ich saß vor meiner Haustür in der Kälte und empfand alles angenehmer, als mich in das warme Bett zu legen.

Immer wenn ich mit den Beziehungsjahren konfrontiert werde, erschreckt sich ein kleiner Teil in mir. Dieser Teil will weglaufen, weg von der Spießigkeit, weg von den Erwartungen, weg von dem „Wir“.

Am Wochenende fragte mich ein Freund, ob ich schon bereit für eine neue Beziehung sei. „Ja!“, antwortete ich ohne zögern. Ich bin bereit für etwas Neues! Genau, für etwas NEUES. Etwas ohne erdrückende Familie. Etwas , wo ich ich bleiben kann. Etwas, wo ich entscheiden kann, wann es ein „wir“ gibt.

Eine Beziehung, in der meine Individualität geschätzt wird. Eine Beziehung, in der ich nicht 5 Kleidungsstücke aussortieren muss, damit mir mein Partner den Neukauf eines Kleidungsstückes genehmigt.

Die 7 Jahre Beziehung haben mir eines gelehrt: Lass den Partner so sein, wie er ist! Schränke ihn nicht ein. Jeder kann selbst entscheiden, wann es ein „wir“ gibt, und wann ein „ich“. Eine Schwiegerfamilie ist schön, trotzdem ist man nicht verpflichtet, deren Erwartungen zu erfüllen.

Es ist interessant, wie sich rückblickend die Sicht auf einen Lebensabschnitt verändern kann. Dachte ich mir zeitweise der glücklichste Mensch überhaupt gewesen zu sein,  bekomme ich heute fast Angstzustände, wenn ich an einige Situationen zurück denke. Eine Beziehung sollte beide Partner weiter bringen, eine Entwicklung fördern. Ich für meinen Teil bin damals stehen geblieben. Viel Mühe hat es am Ende gekostet, diese fehlende Entwicklung aufzuholen. Auch wenn ich mich wiederhole, ich kann nun aufrichtig sagen: „Ich bin jetzt dort wo ich auch gewesen wäre, wenn die 7 Jahre nicht dazwischen gekommen wären.“