Schon wieder eine unruhige Nacht. Schon wieder eine Nacht, in der ich gefühlt alle 2 Stunden aufwachte. Schon wieder eine Nacht, in der ich abgesehen von Zombies auch noch von meinem Ex-Freund träumte. Zombies an sich sind ja schon schlimm genug, aber danach dann noch im Traum das Gesicht des Mannes zu sehen, mit dem ich 7 Jahre meines Lebens verbrachte, muss nicht sein!
Interessanterweise, kamen solche Träume kurz nach der Trennung nie vor. Der Moment in dem Er auszog, war ein Schlussstrich. Selten habe ich seitdem über die 7 Jahre Beziehung nachgedacht. Sie waren irgendwie nicht mehr existent. Man will ja meinen, dass man nicht einfach so weitermachen kann, ohne das ganze „aufzuarbeiten“. Ging jedoch ganz gut! Ich habe meine innere Uhr einfach 7 Jahre zurückgedreht, und da weiter gemacht, wo ich mit 19 Jahren aufgehört habe.
Zu Beginn war es schwierig, diese lange Zeit „aufzuholen“. Ich glaube so langsam bin ich an dem Punkt, wo ich ohne Abstriche behaupten kann: „Ich bin jetzt dort wo ich auch gewesen wäre, wenn die 7 Jahre nicht dazwischen gekommen wären.“
Nach und nach möchte sich mein Kopf nun aber doch mit dieser Zeit beschäftigen. Was war, und was hat es aus mir gemacht? Es ist schwer zu beschreiben wie es sich, wenn auch nur im Traum, anfühlt, mit dem Ex zusammen zu treffen. Da ich natürlich nicht von rosa Einhörnern und Friede Freude Eierkuchen träume, sind die erträumten Situationen meist ziemlich unangenehm.
Heute Nacht fand ich mich in Gegenwart meines Ex Freundes und seiner neuen Freundin wieder. Er wollte irgendetwas bei mir abholen. In seinen Blicken konnte ich die Abwertung, wenn nicht sogar Abscheu erkennen, die er mir gegenüber empfand. Auch seine neue Freundin strafte mich mit bösartigen Blicken. Als hätte das nicht schon gereicht, tauchten noch die ehemaligen Schwiegereltern auf, vor denen es mir auch heute noch graut.
Versteht mich nicht falsch, ich hatte tolle Schwiegereltern! Sie waren immer für uns da, und haben uns einiges ermöglicht. Das alles hatte allerdings seinen Preis. Erwartungen! Viele Erwartungen! „Ihr kommt aber doch Sonntag zum Essen, oder?“, „Beim Geburtstag von XY MÜSST ihr dabei sein!“, „Ihr seid die nächsten, die hier heiraten!“, „So langsam solltet ihr schon mal an Kinder denken!“….etc. pp.
Diese 7 Beziehungsjahre waren so vollgestopft mit Erwartungen. So richtig bewusst wurde es mir erst, als ich kurz vor der Trennung merkte, dass ich mich nicht wohl und irgendwie erdrückt fühlte. Ich erinnere mich noch gut, wie ich in der ersten Zeit allein die ganz kleinen Dinge genossen habe. Ausschlafen so lange ich möchte, essen was ich möchte, so lang weggehen wie ich möchte, anziehen was ich möchte.
Wie wenig mochte ich teilweise die Beziehungs-Sonntage: spätestens 10 Uhr aufstehen, damit man es pünktlich zu 12 Uhr zum Mittag der Schwiegereltern schafft. War mir nicht danach, musste ich mir eine Rechtfertigung ausdenken, warum ich das Essen versäumen würde.
Generell gab ich an den meisten Wochenenden meine Individualität ein Stück weit auf. Geburtstag von X, Geburtstag von Y…eine große Schwiegerfamilie hat nicht nur Vorteile. Es wurde zur Tradition, die Wochenende komplett im Familienkreis zu verbringen. Zu Beginn empfand ich das als Bereicherung, einfach weil ich so ein Familienleben nicht gewohnt war. Doch mit der Zeit, kamen immer wieder die gleichen Themen auf: „Warum trinkst du denn nicht? Bist du etwa schwanger?“, „Ihr müsst auch mal so langsam heiraten!“
Ich muss dazu sagen, dass ich zu der Zeit wirklich wenig Alkohol getrunken habe. Heute kaum mehr vorstellbar.
So schön das Ganze für eine Zeit lang war, irgendwann verlor ich ein Teil meiner eigenen Persönlichkeit. Es gab nur noch ein „wir“, ein „ihr“, kein „du“ und kein „ich“ mehr. Ich sollte/musste überall hin mit. Ein nicht Erscheinen bei Familienveranstaltungen, war nicht gern gesehen. Es konnte ja nicht immer die „Jule ist krank“-Ausrede gebracht werden. Manchmal wäre ich einfach gern mit meinen Freunden weg gegangen, hätte einen drauf gemacht, und wär dann freudig schwankend ins Bett gefallen.
Mir wurde erst mit der Zeit klar, wie eingeengt ich mich gefühlt hatte. Verschmolzen zu einem „Wir“, konnte ich nicht das ausleben, was mich ausmachte. Ich bin zu einer Person geworden, die mir fremd war. Vermutlich war das auch der Grund, warum ich nach diesen 7 Jahren irgendwann einfach nicht mehr nach Hause wollte. Ich saß vor meiner Haustür in der Kälte und empfand alles angenehmer, als mich in das warme Bett zu legen.
Immer wenn ich mit den Beziehungsjahren konfrontiert werde, erschreckt sich ein kleiner Teil in mir. Dieser Teil will weglaufen, weg von der Spießigkeit, weg von den Erwartungen, weg von dem „Wir“.
Am Wochenende fragte mich ein Freund, ob ich schon bereit für eine neue Beziehung sei. „Ja!“, antwortete ich ohne zögern. Ich bin bereit für etwas Neues! Genau, für etwas NEUES. Etwas ohne erdrückende Familie. Etwas , wo ich ich bleiben kann. Etwas, wo ich entscheiden kann, wann es ein „wir“ gibt.
Eine Beziehung, in der meine Individualität geschätzt wird. Eine Beziehung, in der ich nicht 5 Kleidungsstücke aussortieren muss, damit mir mein Partner den Neukauf eines Kleidungsstückes genehmigt.
Die 7 Jahre Beziehung haben mir eines gelehrt: Lass den Partner so sein, wie er ist! Schränke ihn nicht ein. Jeder kann selbst entscheiden, wann es ein „wir“ gibt, und wann ein „ich“. Eine Schwiegerfamilie ist schön, trotzdem ist man nicht verpflichtet, deren Erwartungen zu erfüllen.
Es ist interessant, wie sich rückblickend die Sicht auf einen Lebensabschnitt verändern kann. Dachte ich mir zeitweise der glücklichste Mensch überhaupt gewesen zu sein, bekomme ich heute fast Angstzustände, wenn ich an einige Situationen zurück denke. Eine Beziehung sollte beide Partner weiter bringen, eine Entwicklung fördern. Ich für meinen Teil bin damals stehen geblieben. Viel Mühe hat es am Ende gekostet, diese fehlende Entwicklung aufzuholen. Auch wenn ich mich wiederhole, ich kann nun aufrichtig sagen: „Ich bin jetzt dort wo ich auch gewesen wäre, wenn die 7 Jahre nicht dazwischen gekommen wären.“