„Ein alkoholfreies Bier bitte.“, sagte ich zu meinem Barkeeper, als ich ein Kichern neben mir vernahm. Ein junges Mädchen, vermutlich gerade mit dem Studium gestartet, musterte mich. Ihr Blick blieb an meinen Haaren hängen, an denen der Zahn der Zeit nicht Halt gemacht hatte. Sie belächelte die ersten grauen Haare, die meinen Kopf zierten. Dabei fühlte ich mich doch wie 22. Muss ich langsam erwachsen werden?
Als mich eine liebe Freundin vom Spiegel-Magazin fragte, ob ich ihr für einen Bericht eine*n Single-Student*in vermitteln könnte, dachte ich mir: Nichts leichter als das! War ich mir doch sicher, dass ich in meinem studentischen Single-Freundeskreis im Handumdrehen einen passenden Protagonisten finden würde. Doch während ich durch meine Facebook Freundesliste scrollte, kam ich ins Zweifeln. Studenten? Fehlanzeige. Singles? Fehlanzeige. Ich blickte nur auf romantische Pärchen-Profilbilder und Karriere-Typen in Anzügen. Hatte ich die letzten Jahre verpennt, oder warum ist mir nicht aufgefallen, dass sich mein Umfeld schleichend veränderte?
Es ist alles wie früher, nur wir haben uns verändert
Noch vor 3 Jahren stürmten wir im Rudel Single-Partys und ließen keine Veranstaltung im Studentenclub aus. Günstige Preise und überdurchschnittlich attraktive Gäste gaben uns das Gefühl, genau am richtigen Platz zu sein. Wir waren jung, wir waren frei und genossen unser unbeschwertes Leben in vollen Zügen. Aber Moment mal…hat sich daran wirklich etwas geändert? Nein. Auch heute sind die Semestereröffnungspartys unserer Stamm-Studentenkneipe eines unserer Feier-Highlights des Jahres. Auch heute noch treffen wir uns an den Wochenenden bei einem günstigen Bier im Studentenclub. Es ist alles wie früher, nur wir haben uns verändert.
Die Unverbrauchtheit der anderen hält uns jung
40 Stunden Jobs, zusammenziehen und Zukunftsplanung, das steht heute auf unserer Agenda. Trotzdem leben wir unser Leben, als wären wir keinen Tag älter als 22.Ist es nicht an der Zeit, langsam erwachsen zu werden? Spieleabende, Clubs für „Erwachsene“, vielleicht sogar ein Pärchen-Tanzabend. Sollte nicht so unser Partyleben aussehen? Nein. Allein bei der Vorstellung graust es mich. Was wollen wir zwischen all den „Erwachsenen“, die unsere Klagen wie „Früher war auch alles besser“ oder „Das Leben ist hart“ mit einem stummen Nicken bejahen würden? Ist es nicht die naive Jugendlichkeit der Menschen um uns herum, die wir während unserer studentischen Feierabenteuer spüren, die uns nicht mit dem Leben brechen lässt? Diese Unverbrauchtheit der Menschen, die mit uns im Beat der besten 90er hoch und runter springen, hält auch uns in Bewegung.
Was kostet die Welt, wenn wir für ein Bierchen nur 2,20€ ausgeben?
Ja, auch in meinem Freundeskreis gibt es Momente, in denen das “Erwachsen sein” sich Bahn bricht. Wenn wir uns am Freitagabend bei einem alkoholfreien Bier darüber unterhalten, ob es nicht langsam einmal Zeit wäre, an eigenen Nachwuchs zu denken. Doch dann schauen wir uns um, sehen die jugendliche Naivität in den Augen der anderen Gäste unserer Studentenbar und plötzlich ist er wieder da, der unverbrauchte Leichtsinn, der uns so oft abhanden kommt. Es dauert keine 5-Minuten und wir fühlen wir uns wie 22, spüren die ganzen offenen Türen, die wir sonst so gerne ignorieren. Was kostet die Welt, wenn wir für ein Bierchen nur 2,20 € ausgeben? Indem wir unseren Studenten-Lifestyle beibehalten, sperren wir das Erwachsenwerden aus. Wir bleiben in unserer Filterblase, die den Ernst des Lebens einfach nach draußen verbannt. Genau aus diesem Grund bin ich mir sicher: Erwachsen werden können die anderen. Soll das junge Gemüse in unseren Lieblingsclubs doch kichern, wenn wir mit ersten grauen Haaren an der Bar nach einem Bier verlangen. Was interessiert die fehlende Farbe im Haar, wenn in uns das bunte Leben tanzt.