„Ich will das nicht!“ – hallt es in meinem Kopf. „Ich will darüber nicht nachdenken!“ – stampfen meine Gedanken wie ein kleines Kind mit dem Fuß auf. Seit Stunden versuche ich mir kluge Gedanken zu machen. Mein Wochenende muss ja irgendwie verarbeitet werden. Bruchstückhaft kommen mir ansatzweise kluge Formulierungen in den Kopf, die aber direkt wieder zu den Ohren herauspurzeln.
Ich suche nach einer tiefgreifenden Erkenntnis, nach einer Erleuchtung oder einer neuen Meinung. Umso länger ich darüber nachdenke, desto mehr stelle ich fest: Mein Kopf streikt!
Er will sich nicht mehr mit Männern beschäftigen. Da ist eine kleine aber feine Tür zugegangen, die jetzt klemmt. Was hinter dieser Tür steckt, möchte dort auch bleiben.
Die Kompensation, die am Wochenende wieder meinen Tagesablauf bestimmte. Feiern, trinken, schlecht schlafen, nutzlos herumliegen, trinken um die Müdigkeit zu verdrängen, feiern um der gelebten Zeit einen Sinn zu verleihen.
Es folgte schlecht schlafen und die besagte Gedankensperre.
„Aber irgendwie habe ich dann nicht aufgepasst, als aus cool tiefgekühlt wurde. Ich muss versehentlich auf die Frosttaste gekommen sein, eingefroren, während das Leben drumherum weiterging. Vielleicht hätte ich besser auf einen anderen alten Tocotronic-Song gehört: »Sich rar machen bringt ja nichts / Wenn es niemand merkt«.“
Ich fand mich heute morgen in einem Text der Süddeutschen wieder. Lösten doch vor einiger Zeit solche Wochenenden noch positive Gefühle in mir aus, sitze ich nun schulterzuckend vor dem Rechner und fühle keinen Sinn. Wie lang ist es eigentlich her, dass ich so wirklich verliebt war? Wie lang ist es her, dass ich jemanden angeschmachtet habe, der kein Arschloch war?
Wo sind die warmen Gefühle in der Bauchgegend, nach denen ich mich immer sehnte?
Das passt nicht zu mir. So war ich nie, und so wollte ich nie werden. Ich trug mich von Schwärmerei zu Schwärmerei, um lächelnd durch die Welt zu tanzen. Und nun? Ist es leer. Dieses Gefühl im Bauch, einfach leer.
Hoffnung weg, Motivation weg.
Wie eiskalt ich sein kann, würde ich gerne mal ausprobieren. Wie sehr ist der Prozess der Unterkühlung schon fortgeschritten?
Ein Testobjekt ist schon gefunden. Sich selbst als „Arsch“ bezeichnend, behandelt er mich kontinuierlich wie eine kostengünstige Prostituierte. So lange dieser Umgang digital erfolgt, kann ich damit einigermaßen leben. Auf Forderungen wird einfach nicht eingegangen, gut ist.
Generell habe ich aktuell den Eindruck, dass es sich einige Männer sehr leicht machen. Durch tinder & Co. sind Frauen noch mehr zur „Ware“ geworden, die man sich bei Bedarf aus dem Schrank nehmen kann. Da wird man schnell mal zur kostenfreien Prostituierten.
So drängte der besagte „Arsch“ am Wochenende darauf, dass ich doch bei ihm vorbei kommen solle.
„Seit wann kommt der Berg zum Propheten?“ – fragte ich scherzhaft, um auszurdücken, dass er sich schon bewegen müsste, wenn er etwas von mir wollen würde.
„Deine Einstellung finde ich nicht in Ordnung!“ – erhielt ich als Reaktion. Es wäre schließlich schon fast eine „Ehre“ eine Stelldichein mit ihm zu verbringen. Da müsse sich Frau auch bewegen! Auf meinen Hinweis, dass für solche Situationen ein spezialisierter Berufszweig existiert, erhielt ich nur böse Kommentare.
Aber genau darum ist dieser Herr das perfekte Testobjekt. „Objekt“ trifft es nämlich ziemlich gut! Schaffe ich es seine Kälte zu spiegeln, ohne mich dabei schlecht zu fühlen, bin ich vermutlich endlich an dem Punkt, an dem sich die meisten Singles befinden. Die Resignation und Gefühlskälte ist groß genug, um das eigene Herz so einzumauern, dass es kaum von einer Abrissbirne befreit werden könnte.
So langsam verstehe ich, warum mir im Singleumfeld kaum offene und fröhliche Gesichter entgegen blicken. Die meisten arbeiten sich an ihrem Gegenüber ab, und entsorgen es dann auf dem fein säuberlich angelegten Gefühlsfriedhof. Sie ziehen weiter und lassen ihre „Opfer“ zu Ihresgleichen mutieren.
Das ist ein bisschen so, als würde eine Zombifizierung statt finden. Ein Zombie verwandelt Menschen in neue Zombies. Eine Krankheitswelle, die nun anscheinend auch bei mir angekommen ist.
So schmiss ich am Samstag Abend einen vermutlich netten Herren auf meinen Gefühlsfriedhof, weil ich einfach nicht anders konnte. Er war irgendwie im Weg. Er war nicht kalt genug und Wärme macht einem Zombie Angst.
Wer mir keine Angst macht, ist der „Arsch“, der mir nichts gutes will. Da kann mir nichts passieren. Der hat kein Interesse an meiner Mauer, der verstärkt sie gerne noch um ein paar Steine.
Wenigstens können sich zwei Zombies nicht mehr infizieren. Wir können uns am Ende auf die Schulter klopfen, bevor wir unser Gegenüber auf den Gefühlsfriedhof kehren und zukünftig nicht mal mehr als ein müdes Lächeln für ihn übrig haben.
Ist es nicht bezeichnend, dass man Zombies nicht ins Herz schießen muss, sondern in den Kopf?