Ode an meine Stammkneipe

Als wir uns kennenlernten, wurdest du gerade 15 Jahre alt. Zumindest ist das meine erste Erinnerung, die ich mit dir verknüpfe. Du hattest schönes Wetter bestellt und feiertest eine große Sause, bei der ich mich mit Bacardi Razz betrank. Es war Liebe auf den ersten Blick! Dass ich dich danach nicht angerufen habe, tut mir leid! Ich steckte in einer zeitaufwendigen Beziehung, die heimliche Treffen nicht zuließ. Doch als ich Single, und somit frei wurde, konnte unsere Lovestory endlich ihren Lauf nehmen.

Bei dir vergesse ich die Zeit

Es begann mit ersten schüchternen Bierchen, welche meine Freundin und ich ab und zu in deiner Gegenwart genossen. Meine intensive Liebe zu dir entfaltete sich aber erst, als mir die Magie deiner Abende bewusst wurde. Deine 4-Wände umschließen ein kleines Stückchen Erde, auf dem alles passieren kann. Wirklich alles! So oft wie ich die Zeit während des Tanzens vergaß, scheint es zumindest einen kleinen Knick im Raum-Zeit-Kontinuum zu geben. Dort wo du stehst, geht’s nicht mit rechten Dingen zu. „Magic Friday“ wurde von uns der Tag getauft, an dem alles passieren kann. Denn es waren die Freitage, an denen wir Dinge erlebten, von denen wir noch unseren Enkelkindern erzählen werden.

Was im Pub war, bleibt im Pub

Ich liebe dich für Abende, an denen wir einfach die Tische zur Seite schoben, die Musik laut drehten und tanzten. Allein tanzten, zu zweit tanzten, manchmal mit dem ganzen Laden tanzten. Einfach weil wir es konnten und vor allem durften! Laut mitbrüllen zu 90er Klassikern, Nackenschmerzen durch Headbanging bekommen, in welcher Kneipe kann man das schon? Du bist einzigartig! An einigen Abenden verlor ich nicht nur meine halbe Garderobe, sondern auch die ein oder andere Erinnerung. Na gut, vielleicht mehr „ein oder andere“ Erinnerungen. Das weiß ich nicht mehr so ganz genau. Sehen wir es mal positiv, so lernt man schließlich jede Woche die gleichen Leute noch einmal neu kennen, weil sich beide nicht an das Gegenüber erinnern können. „Was im Pub war, bleibt im Pub!“, wie wahr diese Worte doch sind. Denn im Pub nimmt man den Gästen wenig übel. Vor den Laden kotzen, betrunken andere Gäste und deren Gläser umrennen, Schwamm drüber! Wir waren schließlich alle mal jung. Würde ich alle Peinlichkeiten, die ich in diesem Laden schon erlebte, zusammenrechnen, käme da ein ziemlich großer Haufen zusammen.

Man weiß nie, was die Nacht bringt

Du bist irgendwie zu meinem zweiten zu Hause geworden. „Eigentlich, müssten wir uns hier ein Feldbett aufstellen!“, sagte ich scherzhaft zu meiner Freundin, als wir nur wenige Stunden nach einer sehr langen und alkoholreichen Partynacht, wieder vor den Toren unserer Kneipenliebe standen. Öffne ich deine Türen, fällt der Alltagsstress von meinen Schultern. Hier darf ich sein, wie ich bin. Verrückt, sonderbar und manchmal auch ein bisschen schlecht gelaunt. Stellt sich die Frage, wo man einen gelungen Abend beginnen könnte, ist die Auswahl schnell getroffen. Viele Kneipen haben versucht mein Herz zu gewinnen, aber sie wurden irgendwann langweilig. Irgendwann passierte nichts mehr, das Ding war durch. Doch das wird in meiner Stammkneipe nicht passieren. Jeden Abend andere Leute, jeden Abend eine andere Stimmung. Man weiß nie, wie die Nacht ausgehen wird. Manchmal ruhig mit wenigen Bieren, aber dafür umso besseren Gesprächen. Manchmal eskalierend mit Geschichten, die uns am nächsten Tag sowieso keiner mehr glaubt.

Da bleibt nur eins zu sagen: Liebes Pub a la Pub, bleib so wie du bist! Und lass deine Gäste so sein, wie sie sind. Denn beides zusammen entfaltet seine Magie, jeden Abend aufs Neue.

Die magische Nacht zum Valentinstag – Wenn Restefi**** schon 1 1/2 h vorher beginnt

Wenn ich Single wäre, könnte ich hier jede 30 Minuten jemanden abschleppen!“ – selig grinsend drückte mir mein Kumpel eine Gin-Mate in die Hand.

Aber wie würdest du das denn machen? Und vor allem wo?“ – fragte ich interessiert.

Ach, na schnell zu denen nach Hause und danach wiederkommen!“ – selbstverständlich, wie auch sonst!

So in etwa gestaltete sich ein Gespräch zwischen einem sehr guten Freund und mir, kurz nachdem wir die Valentinsparty in unserer Stammbar betreten hatten. Die Nacht vom 13. auf den 14.02. hat etwas Magisches. Es ist die Nacht, in der alles passieren kann. Zwei Menschen von denen man niemals gedacht hätte, dass sie je zueinander finden könnten, stehen auf einmal eng umschlungen auf der Tanzfläche. Am Valentinstag möchte man nicht allein sein.

Ich habe mich schon seit Wochen auf die Fu** Valentinsday-Party in meiner Stammbar gefreut. Gespannt, ob diese besondere Nacht ihre Magie entfalten würde, glühte ich mit meiner Besten ein wenig vor. Wer würde wohl alles dort aufschlagen? Welche Chancen ergeben sich und vor allem: Was geht zwischen welchen Leuten? Dass es auf dieser Party voll werden würde, war uns bewusst. Doch als wir gegen 23 Uhr den Eingang passieren wollten, eröffnete sich uns ein überraschendes Bild: Es war kaum ein Durchkommen. Um vom Eingang bis zur Tanzfläche zu gelangen, mussten wir regelrecht Gewalt anwenden, um die Menschen vor uns wegzuschieben. Als wir endlich einen Quadratmeter Platz gefunden hatten, kamen wir dort auch  nicht mehr weg. Wäre jemand von uns umgefallen, wäre das niemandem aufgefallen. Schließlich war die Möglichkeit des Fallens nicht gegeben, da wir wie die Sardienen in der Dose eng an eng standen.

Als ich mich umsah, fielen mir einige Dinge auf. Der Frauenanteil war überraschend hoch! Normalerweise sind in unserer Stammbar eher mehr Männer unterwegs, als Frauen. Doch diesmal schien es so, als wären knapp 2/3 Frauen anwesend. Es waren keine bekannten Gesichter, die ich dort zu sehen bekam. Vermutlich waren diese Mädels vorher noch nie in dieser Bar gewesen und wussten nicht, auf was sie sich dort einlassen würden. Aufgestylt und tief ausgeschnitten, tanzten die Damen auffallend exzessiv, um ja nicht in der Masse unterzugehen. Sie boten sich an wie ein Stück Ware in der Fleischereiauslage. Die meisten Damen verkörperten schnelle Verfügbarkeit und Spaß ohne Verpflichtungen. Solche Frauen findet man eigentlich immer in Bars und Clubs, aber diese Häufung stelle ich sonst selten fest.

Gottseidank befanden sich die dazu passenden Herren im Lokal. Als der Alkoholpegel noch nicht an die 3 Promille reichte, waren diese schon intensiv auf der Jagd. Jede Frau, die auch nur ansatzweise ein Lächeln in ihre Richtung schickte, wurde direkt angesprochen und in ein Gespräch verwickelt. Mit steigendem Alkoholpegel, wurde es zunehmend lustiger für Beobachter wie mich. Auch meine Beste wurde „Opfer“ eines Handynummernsammlers. Der Herr, der sie anbaggerte, konnte kaum mehr richtig gerade aus schauen. Er suchte nach Blicken, an denen er sich festhängen konnte. Sobald er eine Dame fixiert hatte, versuchte er vehement an ihre Telefonnummer zu kommen. Anrufen wird er nie, vermute ich mal. Auch seine Beteuerung, sich doch nüchtern treffen zu wollen, erschien mir eher als scheinheiliges Argument, um eine Handynummer einzusacken.

Das Restefi**** beginnt heut aber früh!“ – bemerkte mein Kumpel. „Was? Woran hast du das denn gemerkt?“ – fragte ich verwundert. „Die üblichen Verdächtigen, die sich immer eine mitnehmen, sind schon weg. Und das 1 1/2h vor der Zeit. Respekt!“ – erwiderte mein Kumpel mit einem Funken Bewunderung in den Augen.

Er hatte Recht! Ein Bekannter, der zu Beginn des Abends noch sicher war, mich am späteren Abend noch einmal mit einem Gespräch beglücken zu können, zog schon kurz vor 24 Uhr mit einer Dame ab. Selten gab es so viele „Pärchen“, die wild knutschend die Tanzfläche bevölkerten. Es war ein Schauspiel, welches ich als Außenstehende sehr genoss. Dass meine Beste und ich relativ außen vor gelassen wurden, lag vermutlich an unserer zufriedenen und nicht-suchenden Ausstrahlung. „Heute nicht Jungs!„, stand uns ins Gesicht geschrieben.

Als besonders dreist stellte sich eine Taktik einiger Herren heraus, welche sich zu Beginn des Abends eher im Hintergrund gehalten hatte. Sie checkten die Frauen im Laden ab, und verschwanden. Kurz nach 3 Uhr standen sie wieder in der Tür, scannten die „übriggebliebenen“ Damen, und machten sich auf die Jagd. Ich konnte nur den Kopf schütteln. Dass sich unter diesen Herren auch mein Kryptonit befand, machte es nicht besser. Er starrte mich an und ich konnte nur erahnen, was in seinem Hirn vorging. So nicht Junge, so nicht! Das hättest du wohl gern. Zu spät, zu spät, zu spät, zu spät! Dann ist alles viel zu spät! Um es mal mit den Lyrics der Ärzte zu sagen. Laut mitbrüllend hätte ich den DJ knutschen können, als er diesen wundervollen Song auf meinen Wunsch hin spielte. Denn er spiegelte meine Gedanken an diesem Abend sehr gut wider. Es war ein magischer Abend, an dem alles hätte passieren können. Ich für meinen Teil, begab mich in die Rolle der Beobachterin. Habe ich alles schon gehabt, alles schon gemacht. So betrachtete ich das ganze Schauspiel von außen und ließ den Ohrwurm in meinem Hirn singen:

Eines Tages werd‘ ich mich rächen.
Ich werd‘ die Herzen aller Männer brechen.
Dann bin ich ein Star und Du läufst hinter mir her,
doch dann ist es zu spät, dann kenn‘ ich Dich nicht mehr!

Zu spät (zu spät), zu spät (zu spät), zu spät (zu spät),
doch dann ist es zu spät, zu spät (zu spät), zu spät (zu spät),
zu spät (zu spät), dann ist alles viel zu spät

Brief an einen Täter

Heute erreichte mich eine Mail der Huffington Post, in der zu einer Bloggeraktion aufgerufen wurde. Aufgrund der Vorkommnisse am Köln HBF zur Silvesternacht, gibt es nun die Aktion: „Nicht ich muss mich ändern, sondern du.„. Adressiert sind Frauen, die schon einmal einer Belästigungssituation ausgesetzt waren. Die Frauen sollen einen briefähnlichen Text bzw. ein Video an den Täter verfassen. Da leider auch ich eine solche Situation schon erleben musste, entstand folgender Text:

Lieber 23-Jähriger junger Mann,

es ist jetzt exakt ein Jahr her, dass wir aufeinander trafen. Erinnerst du dich noch? Wir tanzten gut gelaunt in meiner Stammkneipe. Du warst mit einem Freund da, auch ich hatte eine Freundin als Begleitung dabei. Schon in der Bar habt ihr von Distanz nicht viel gehalten. „Kommt doch noch mit zu uns!“ – habt ihr uns entgegen gerufen. Unser eindeutiges Nein, ist bei euch anscheinend nicht angekommen. Als die Bar sich leerte, beschlossen auch wir den Heimweg anzutreten. Noch beschwingt von der guten Stimmung, brachen wir in Richtung Bahnhof auf. Auf ca. der Hälfte der Strecke bemerkten wir, dass ihr hinter uns lauthals nach uns rieft. Wir ignorierten das elegant, da wir dachten, ihr hättet unser Nein schon irgendwie verstanden. Doch schnell standet ihr neben uns. Auf oberflächliche Gespräche ließen wir uns ein, was hätten wir auch tun sollen? Wir konnten euch ja nicht verbieten, ebenfalls den Bahnhof aufzusuchen.

Am Bahnsteig verabschiedete ich meine Begleitung und machte mich alleine auf den restlichen Heimweg. Den bin ich bis dahin immer allein gelaufen. Auch nachts. Knapp 15 Minuten Fußweg an einer großen Straße entlang. Als ich das Gleis verließ bemerkte ich, dass ihr schon wieder lauthals auf euch aufmerksam machen wolltet. Ich hatte ein schlechtes Bauchgefühl. Lieber ganz schnell das Weite suchen! Ich kramte meine Kopfhörer heraus, um eurem Gegröle nicht zuhören zu müssen. Erst lief ich schnell, dann begann ich halb zu rennen. Aber ich war nicht schnell genug. Du hattest dich von deinem Freund verabschiedet und dir in den Kopf gesetzt, mir zu folgen. Knapp 500m hinter dem Bahnhof hast du mich dann erwischt.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als du deine Hand auf meine Schulter legtest. Nach Hause bringen wolltest du mich. „Eine Frau hat mitten in der Nacht nichts alleine draußen zu suchen“ – sagtest du mir. Du müsstest mich nun also nach Hause bringen. Dass ich dir erklärte, dass ich immer allein nach Hause laufe und keine Begleitung benötigte, hast du ignoriert. Meine Angst hast du anscheinend gar nicht wahrgenommen. Zu Beginn unterhielten wir uns oberflächlich, vielleicht bist du ja doch ein netter Kerl? Doch ich wurde schnell eines Besseren belehrt. Wie aus dem Nichts hast du mich gegriffen, gegen einen Baum gedrückt und mich geküsst. Ich verfiel in eine Angststarre, war hilflos und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Es war mitten in der Nacht, keine Passanten in der Nähe. Schreie hätten nichts geholfen. Ich war nicht in der Lage, mich körperlich zu wehren, zu sehr stand ich unter Schock. Als du mich losgelassen hast, habe ich überlegt zu fliehen. Doch du hattest vorgesorgt. Meine Hand hattest du dir geschnappt und keine Anstalten gemacht, sie loszulassen.

Da lief ich nun, Hand in Hand mit einem Mann, der mir eine verdammte Angst einjagte. Wie oft sagte ich dir, du solltest nach Hause fahren. Der Weg wäre noch weit, und ich würde das allein schaffen. Doch du hörtest nicht auf mich. Alle paar 100m hast du mich gegriffen und wieder und wieder geküsst. Hast du nicht gemerkt, wie ich gezittert habe? Kurz vor meiner Haustür hast du mich so überschwänglich küssen wollen, dass es mich umriss. Da lag ich nun auf dem kalten Winterboden. Anstatt mir aufzuhelfen, legtest du dich auf mich und konntest dein Glück kaum fassen. Ich war dir ausgeliefert. Mit sehr viel Kraft schaffte ich es, dich von mir zu drücken und aufzustehen. Es waren noch 100m bis zu meiner Wohnungstür.

Als wir dort ankamen, dachtest du nicht daran, nach Hause zu gehen. „Du nimmst mich doch jetzt noch mit hoch!“ – sagtest du selbstbewusst. Natürlich wies ich dich mehrmals zurück. Als du kurz abgelenkt warst, griff ich meinen Schlüssel, und hielt ihn so fest ich konnte. Den Überraschungsmoment ausnutzend, öffnete ich die Tür und rannte die Treppen hoch. Du konntest nicht so schnell reagieren, und kamst mir nicht hinterher. Als ich meine Wohnung betrat, ließ ich das Licht aus. Du solltest nicht wissen, in welchem Stockwerk ich wohne. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie brenzlig die Situation war. Ich sank auf den Boden und begann zu weinen. Was war da gerade passiert? Mein Herz schlug mir bis zum Hals, ich hyperventilierte. Ich hatte Angst, du würdest es irgendwie zu mir hoch schaffen. Es dauerte Stunden, bis ich mich beruhigte und endlich einschlafen konnte. Die Tage darauf, traute ich mich kaum aus dem Haus. Ich hatte Angst, du würdest mir auflauern. Schließlich wusstest du, wo ich wohne.

Eine Woche später, gleiche Bar, sah ich dich zur Tür reinkommen. Meine Freunde waren informiert und rieten mir, dich zu ignorieren. Doch so einfach funktionierte das nicht. Du machtest dich wieder an mich heran. Doch diesmal war ich nicht allein. Meine Freunde beobachteten die Situation und reagierten. Sie begleiteten dich freundlich aus der Bar und versuchten dir klar zu machen, was du mir angetan hattest. Dass du dich kaum noch erinnern konntest, schockierte mich. Anstatt dich zu entschuldigen, beleidigtest du meine Freunde aufs Übelste. Erst als die Polizei gerufen wurde, beruhigtest du dich. Seitdem habe ich dich nie wieder gesehen. Doch in meinem Kopf bist du präsent. Bewege ich mich nachts allein durch die Stadt, drehe ich mich um, damit ich sicher sein kann, dass mir niemand folgt. Gottseidank zog ich wenige Wochen später um, und traue mich auch wieder vor meine Haustür. Doch sobald ich Geschehnisse, wie die in Köln lese, kommt alles wieder hoch. Die Angst, die Ohnmacht, die Scham, welche du mir bereitet hast.

Lieber junger Mann, nicht ich muss mich ändern, sondern du.

Nüchtern betrachtet…

Nüchtern betrachtet, trinke ich ganz schön viel Alkohol. BÄM! Das ist mal eine Aussage. Wenn ich mir diese Woche anschaue, stelle ich mit Erschrecken fest, dass ich an jedem verdammten Tag Alkohol trinken werde. Mit Glück kann ich den Donnerstag Alkoholfrei gestalten, aber ansonsten? Der Weihnachtszeit geschuldet, gibt es allein im Büro an drei Tagen dieser Woche Glühwein. Dazu ein Bier-Abend in der Lieblingsbar, der Magic Friday mit meinem Lieblingsbarkeeper, die obligatorische Samstagsparty. Da bleibt nicht viel Raum für Saft. Warum ich nicht einfach Alkoholfrei trinke? Weil ich den Zustand des leicht beschwippst seins sehr genieße. Es ist der Moment, an dem die ein oder andere Barriere fällt und ich einfach tue, wonach mir ist. Auch meine Mitmenschen sind lockerer, es wird mehr gelacht und  der Alltagstrott vergessen. Alkohol ist eine Zuflucht. Noch vor 2 Jahren, als ich fest in meiner Beziehung steckte, trank ich sehr selten. Da war mir schon ein Glas Sekt zu viel. Ich habe es einfach nicht gebraucht. Partys konnte ich im Jahr an einer Hand abzählen. Ich habe keinen Mehrwert darin gesehen, etwas zu trinken. Schlagartig änderte sich dies, als ich mich unbewusst von meinem Ex löste. Ich konnte nicht genug bekommen, musste mich betäuben.

Vielleicht ist es das, was Singles oft im Alkohol suchen: Betäubung.

Alkohol begünstigt das Sozialleben sehr. Wie viele Bekannte und mittlerweile sogar Freunde habe ich an feucht fröhlichen Abenden kennengelernt? So einige! Noch vor einem Jahr waren wir eher unbekannte Gesichter in unserer Stammbar. Jetzt können wir uns sicher sein, dass wir nach Betreten erst einmal einige Minuten mit dem Begrüßen der anderen Gäste beschäftigt sein werden. So eine Stammbar kann wie eine kleine Familie sein. Der Lieblingsbarkeeper kennt die Vorlieben und hat geschwind den Lieblingscocktail gemixt. Es ist eine Last die abfällt, wenn ich meine Stammbar betrete. Dann bin ich nicht mehr die einsame, sondern die selbstbewusste und beliebte Jule. Einen Ruf, so wie wir ihn haben, muss man sich erst erarbeiten. Uns hat es viele Katertage und Kopfschmerzen gekostet. Hätte das auch ohne Alkohol funktioniert? Nein! Ohne die richtigen Getränke, hätten wir nie spontan eine Tanzfläche eröffnet. Wir hätten nie die anderen Pub-Nasen kennengelernt, die uns ins Nachtleben der Stadt integrierten.

Sobald sich die haustür hinter uns schließt, ändert sich die Stimmung

Wie sehr sich Partyabende doch von der Realität abheben, bemerke ich meistens an einem Katersonntag. Zu gewohnt ist der Ablauf. Um 7 Uhr morgens stochern wir mit dem Schlüssel am Schlüsselloch der Haustür herum. Sobald sich die Tür hinter uns schließt, ändert sich die Stimmung. Den Spaß und die Ausgelassenheit haben wir draußen gelassen, neben uns nur die Einsamkeit und der üble Geschmack eines Mix aus Gin, Bier, Wodka, Zigaretten. Ich erinnere mich an einen Sonntagmorgen, an dem ich genau an diesem Punkt die Kontrolle verlor. Die Tür fiel ins Schloss, ich konnte mich nicht mehr bewegen. Nach einem tiefen Atemzug sank ich mit dem Rücken an die Tür gedrückt auf den Boden des Flurs. Tränen konnte ich nicht mehr zurückhalten. Wie ein Wasserfall kam alle Trauer und alles Leid aus meinem Körper, ohne dass ich eine Kontrolle darüber hatte. In meiner Hilflosigkeit versuchte ich meinen besten Freund zu erreichen. Ein Psychologe im Freundeskreis, ist manchmal Gold wert. Er wusste sofort, was zu tun war: „Jule, du musst aufstehen. Stell dir vor ich nehme deine Hand und ziehe dich hoch. Du schaffst das!“. Es brauchte einige Zeit, bis ich in der Lage war, seinen Anweisungen zu folgen. Selten habe ich mich so schwach und kaputt gefühlt, wie an diesem Abend. Offizielle Diagnose: Nervenzusammenbruch.

Verdrängung als 1. Hilfe

Nach diesem Erlebnis habe ich versucht so eine Situation zu vermeiden. Einfach nicht mehr allein nach Hause gehen, empfand ich als die sinnvollste Lösung. Das klappte natürlich! Nach ein paar Drinks lässt sich doch öfter mal jemand dazu bewegen, mich heim zu bringen. Verdrängung könnte man das nennen. Es war die 1. Hilfe, die sicherlich zu Beginn sinnvoll war. Dadurch habe ich mir wohl das Selbstbewusstsein erarbeitet, welches mich jetzt auch allein Heim trägt. Ich bezweifle, dass ich solche Emotionen ohne Alkohol je gehabt hätte. Ich hätte allerdings auch nie erkannt, was da in mir los ist. Zu stark ist meine innere Mauer, die solche Gefühle nicht nach außen dringen lässt. Seitdem ich mir bewusst bin, was da in mir schlummert, geht es mir besser.

So schnell werde ich wohl nicht von meinem Alkohol/Partymodus los kommen. Noch bringt es mir zu viel Freude und zu viel spannende Erlebnisse. Jedoch werde ich kleine Schritte machen: Auf der Weihnachtsfeier heute Abend gibt es 2 Gläser Wein für die Stimmung und dann wird nur noch beobachtet. Ich werde sie mir anschauen, die Partybiester. Und ich werde es genießen, mal nicht die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Dafür ist am Magic Friday wieder genug Zeit 😉

Öfter mal „Ja“ sagen!

What a night 🙂 Und das auf einen Montag…

Gestern war ich mit der besten Freundin für einen Pub Crawl hier in der Stadt verabredet. Wer es nicht kennt, ein Pub Crawl bedeutet, dass man durch unterschiedliche Bars zieht, dort eine gewisse Zeit verweilt, etwas trinkt und dann weiter geht. Meistens gibt es vor jeder Bar noch einen Kurzen zum „warm werden“. Der Pub Crawl gestern wurde von dem Erasmus-Programm der örtlichen Uni organisiert. Es waren also vor Allem ausländische Studenten anwesend. An sich eine tolle Sache, allerdings waren die alle erst um die 20, da kamen wir uns mega alt vor. Wir haben die ersten beiden Wodka Ahoj mitgenommen und uns danach in unsere Lieblingsbar abgeseilt. Dort gab es lecker Pommes und unser Lieblings-Honigbier *sabber*

Auf dem Weg in unsere 2. Stammkneipe sahen wir einen Rummel auf der anderen Straßenseite und meine Freundin meinte: Lass uns da mal hin und mit irgendwas fahren. Getreu meiner aktuellen Einstellung „Öfter mal Ja sagen“ machten wir einen kleinen Bogen und steuerten auf das Fahrgeschäft „Brakedance“ zu. Damit bin ich bestimmt 10 Jahre nicht gefahren. Als wir drin saßen, überkam mich etwas die Angst. Mein Alkoholspiegel war schon so, dass es mir vor kreisenden Bewegungen graute. Aber egal, man muss auch mal was riskieren. Attacke! Ich hab mir sowas von die Seele aus dem Leib gebrüllt, aber es war 1. Sahne 😀 Hat riesig Spaß gemacht. Das Tolle an so einem Fahrgeschäft ist, dass das Ding aufgrund von Musik etc. so laut ist, dass  niemand hört was man brüllt. Wir kommunizierten dann meist so: Aaaahhhhh verdammte Scheiße, wieso machen wir das? Ahhhhhh ich will hier raus. Zuckerwatte!!! Ahhhh scheiß drauf, auf die Männer, alles Trottel, Idioten aaahhhhhh.

Tja so ungefähr darf man sich das vorstellen haha 😀 Danach war mir leicht blümerant, aber die Zuckerwatte ging noch. Am Süßwarenstand sprangen uns gleich die Lebkuchenherzen entgegen. Meine Freundin konnte es nicht lassen und besorgte uns zwei kleine „Prinzessin“ Herzen 😀

In unserer 2. Stammkneipe angekommen, gab es erstmal lecker Cider. Allerdings wurde auch diese Kneipe von jungen Studenten überrannt. „Studiert ihr auch BWL? Wir im 1. Semester!“ unsere Antwort: „Neee wir arbeiten für unser Geld.“ Kurz darauf waren wir diese Kerle los 🙂

Auf dem Heimweg begegneten wir leider einem sehr, sehr betrunkenen Jungen (gerade mal 18!!!). Der lallend nach Feuer fragte. Soweit so ok, allerdings ging es dann los: „Ihr seid voll hübsch Alter! Was macht ihr jetzt noch alter? Wollt ihr tanzen alter? Müsst ihr morgen zum Rummel kommen alter!“ Herrliches Niveau 🙂 Dann musste er uns noch unbedingt in die Arme nehmen und meiner Freundin eine Liebeserklärung machen „Ich liebe dich Loretta!“ Natürlich heißt sie nicht Loretta 😉

Da war man doch froh zu Hause angekommen zu sein 🙂

Schön war es, richtig schön! Das sind so Momente, an die man sich auch noch erinnern wird, wenn man alt und grau ist 🙂

Jule