Die Psychologie des Bösen – Lydia Benecke erklärt mir Drama-Beziehungen

Ich gebe zu, vor dieser Lesung hatte ich mich nicht mit den Werken von Lydia Benecke beschäftigt. Aber das war gut so. Denn ich ahnte nicht, dass sie mir erklären würde, warum manche Menschen gar nicht anders können, als Drama-Beziehungen zu führen.

19:45 Uhr – Waschhaus Potsdam. Als ich den Saal betrete, bin ich verwundert, dass die Zuschauer schon in Reih und Glied auf ihren Stühlen platz genommen haben. Normalerweise steht das Publikum bis zur letzten Minute an der Bar, vor den Klos, oder am Aschenbecher. Der Grund für die frühe Ruhe im Saal erschloss sich mir schnell. Die Hauptperson des heutigen Abends hatte es sich schon auf der Bühne gemütlich gemacht. Ungewöhnlich, dachte ich. Die Lesungen und Konzerte die ich normalerweise besuche, beginnen selten pünktlich und der Akt des Abends lässt sich ordentlich dafür feiern, dass er den Saal betritt. Nicht so bei Lydia Benecke. Sie saß schon eine gefühlte Stunde auf einem bequem anmutenden Sessel, vor ihr ein Laptop. An die Wand wurde das projiziert, was sie vor, und auch während der Lesung, auf ihrem Rechner zeigte. Verschiedene Musikvideos brachten das Publikum in Stimmung, immer mit dem Hinweis versehen, dass diese Videos in ihrem Vortrag eine Rolle spielen würden. Wer ist sie überhaupt, die Lydia Benecke? Der Name Benecke mag einigen von euch sicherlich bekannt vorkommen. Mark Benecke, Ex-Mann von Lydia Benecke, ist einer der bekanntesten Kriminalbiologen, und außerdem noch ziemlich witzig. Passend dazu beschäftigt sich Lydia Benecke mit den Untiefen der menschlichen Psyche. Was macht einen Menschen zum Serienkiller? Wie merkt man eigentlich, dass man einen Psychopathen um sich hat? Diese Fragen sollten in ihrem Vortrag zum Thema Die Psychologie des Bösen“ beantwortet werden.

Wie eine Psychologievorlesung an der Universität

Ich war unvorbelastet, da ich abgesehen von ihrer Biografie nichts über sie wusste und auch keines ihrer Bücher gelesen hatte. Somit war ich gespannt auf das, was da kommen mag. Wer sich unter den Auftritten von Lydia Benecke eine typische Lesung vorstellt wird schnell merken, dass er falsch liegt. Das was Benecke auf der Bühne darbietet, ist eher ein Fachvortrag. Psychologische Fachbegriffe, fundierte Diagnosen und eine Portion Biologie haben mich im ersten Moment an eine Psychologievorlesung an der Universität erinnert. Hier kann man richtig was lernen. Wer mit einer eher geringen Aufmerksamkeitsspanne ausgestattet ist, sollte sich jedoch zweimal überlegen, ob er hier richtig ist. Um die komplexen Zusammenhänge zu verstehen, bedarf es ordentlich Hirnschmalz seitens des Publikums. Die Vortragsdauer von insgesamt drei Stunden sollte ebenfalls bedacht werden. Ich muss zugeben, dass ich nach der ersten Stunde schon ziemlich angestrengt war, da ich unbedingt alle Informationen aufnehmen wollte. Natürlich hat es nicht funktioniert.

Ist Trump ein Psychopath? Benecke liefert die Fakten

Benecke stellt in ihrem Vortrag spannende Fakten zu verschiedenen Arten des „Psychopath seins“ vor. Ein Schelm, der sich in einigen Momenten an den aktuellen Präsidenten der USA erinnert fühlt. Besonders spannend sind diese Informationen übrigens, wenn man selbst schon immer vermutete, dass sich im persönlichen näheren Umfeld genau so ein Psychopath befinden muss. In Gedanken ging ich jedes Merkmal durch und stellte fest: Uiuiui, gewisse Ansätze sind definitiv vorhanden. Es ist spannend, dass Benecke es mühelos schafft, dem Zuschauer Bilder in den Kopf zu setzen, die da so schnell nicht mehr rausgehen werden. Bezeichnend ist für mich dabei der Moment, an dem sie einen Song von Eminem abspielen ließ. Mit der dazugehörigen Lyricübersetzung fühlte ich mich, als stünde ich genau neben dem Interpreten und würde das Elend selbst erleben. Die historischen Beispiele, mit denen Benecke ihre Analysen untermauert, sind sehr gut gewählt. Man merkt, dass sie das was sie tut, mit Leidenschaft macht.

Drama-Menschen ziehen sich magisch an

Das Wichtigste an dem ganzen Vortrag kam zum Schluss, und leider ziemlich zu kurz. Benecke beschrieb ein typisches Beziehungsmuster, welches auch mir schon oft untergekommen ist. Die sogenannten „Drama-Paare“, waren mir bis dahin immer ein Rätsel gewesen. Wie halten Menschen es aus, ständig von Hass in Leidenschaft zu wechseln? Was mich sonst nur mit dem Kopfschütteln ließ, wurde plötzlich verständlich. Die Menschen, die mit gewissen Persönlichkeitsmerkmalen ausgestattet sind, welche Impulsivität und einen Hang zum Drama verursachen, werden magisch voneinander angezogen. Diejenigen, denen schnell langweilig wird und die dadurch regelmäßig einen „Kick“ benötigen, treibt es eher in eine dramatische Beziehung. Dieses Persönlichkeitsmerkmal geht teilweise auch mit einer schlecht ausgebildeten Fähigkeit der Impulskontrolle einher, so dass von jetzt auf gleich in einen anderen Gefühlsmodus gewechselt werden kann. Hoch spannend das ganze Thema! Das ist natürlich nur eine ganz kurze und oberflächliche Zusammenfassung dessen, was Benecke als glaubhafte Erklärung für Drama-Beziehungen lieferte. Hätte sie damit einen ganzen Abend gefüllt, wäre ich am Ende applaudierend aufgestanden. Liebe Frau Benecke, bitte mehr davon!

Drama Baby, Drama! Wer braucht sowas bitte in Beziehungen?

Drama Baby, Drama! So geht es in nicht wenigen Beziehungen zu, die in meinem Umfeld geführt werden. Alltag und „ankommen“, gibt es da nicht. Da wird sich innig geliebt, gefetzt, getrennt, vertragen, geliebt und alles wieder von vorn. Mir ist das komplett unverständlich. Ich habe es noch nie am eigenen Leib erlebt. Vielleicht kann ich mir deshalb nicht vorstellen, in einer solchen Beziehung zu sein. Beziehung heißt für mich Harmonie! Das Leben ist in meinen Augen schon stressig genug, da muss ich mir nicht noch einen Drama liebenden Partner ans Bein binden. Was ist es, das diese Paare dennoch zusammenhält? „Ich brauche eine Bestätigung für meine Gefühle.“, sagte mir ein guter Freund zu diesem Thema. Jeder Streit, jede dramatische Entwicklung innerhalb der Beziehung hinterfragt nun einmal auch die Gefühle der Beteiligten. Verlustängste, Verletzungen und Wut sorgen dafür, dass uns Gefühle mehr denn je bewusst werden. Das ist dann die Bestätigung, die sich mancher wünscht. Auch das kann ich absolut nicht nachvollziehen. Für mich ist es eine Bestätigung der Liebe, wenn ich eben keinen Streit, kein Drama und keine Verletzungen durchleben muss. Für mich ist es die Sicherheit, die ein Partner ausstrahlt. Permanente Angst haben zu müssen, dass die Gefühle regelmäßig auf eine harte Probe gestellt werden, würde mich kaputt machen.
Das intensive Gefühl der Liebe wird uns oft so vermittelt, dass es uns theoretisch total aus den Socken hauen müsste. Die Gesellschaft sagt, wir sollten in der frühen Beziehungsphase eigentlich alles andere vernachlässigen, die meiste Zeit im Bett verbringen und in unserem Bauch Schmetterlinge züchten. Mal ganz realistisch betrachtet, wem geht es so? Wer entspricht genau diesem „Ideal“ was uns eingetrichtert wird? Ich entspreche ihm nicht! Natürlich kenne ich Schmetterlinge, die intensive Anziehungskraft eines Bettes oder auch den Umstand alles um sich herum zu vergessen. Aber das ist endlich, sehr endlich sogar! Leider wird uns immer wieder zu verstehen gegeben, dass Beziehungsanbandelungen, welche nicht mega intensiv sind, irgendwie falsch sein müssten. „Da fehlt doch irgendwas!“, schreit unser Hirn. Dass der Bauch sich wohl fühlt und wir eigentlich genau das haben, was uns gut tut, wird überstimmt. Wer sich ständig bewusst machen muss, was er für eine andere Person fühlt, scheint irgendwas falsch zu machen. Für mich ist es das latente Gefühl der intensiven Zuneigung, die ich nicht „auslösen“ muss, die ist einfach da.

Wenn wir aber so von unserer Außenwelt beeinflusst sind, dass wir nicht mehr wahrnehmen können, was uns angenehm ist, sondern wir nach mehr, nach höherem streben, werden wir nie irgendwo ankommen. Ist das nicht das Ziel einer Liebe? Ankommen? Der Druck, dass alles perfekt laufen muss, wie im Märchen und bitte schön ohne Zweifel, treibt uns nicht hin zur Liebe, sondern entfernt uns nur weiter von ihr. „Es liegt nicht an dir, es liegt an mir!“, ist einer der ekelhaftesten Sätze, die man von einem potenziellen Partner hören kann. Denn egal was danach kommt, es wird zwei Menschen auseinander treiben. In diesem Falle, liegt derjenige aber richtig. Es liegt an ihm. Es liegt an seinen Erwartungen, an seinen Vorstellungen, wenn es um die Liebe geht. Man muss wissen was man will, bevor man es findet. Will man Drama, wird man Drama finden. Fühlt man sich damit nicht wohl, sollte man mal versuchen, die Perspektive zu verändern. Was tut mir gut? Was wünsche ich mir für die Zukunft? Ist es das, was ich mir auch in 10 Jahren noch vorstellen kann? Beantwortet man sich diese Fragen, sollte bei den wenigsten Menschen herauskommen, dass sie sich nach einer Drama-Beziehung sehnen. Eine Beziehung ist nämlich meist dann perfekt, wenn sie weder verletzt, noch Wut verursacht. Muss man seine eigenen Gefühle ständig bestätigen, sollte man sich darüber Gedanken machen, ob überhaupt genug Gefühle da sind. Sind nur wenige Gefühle vorhanden, schreit das natürlich nach Verstärkung. Das will ich nicht. Was ich fühle, braucht kein Drama. Was ich fühle, zeigt mir mein Herz, mein Bauch und nicht mein Verstand.