„Bromance“ auf den ersten Blick

Langsam beginne ich ja tinder teilweise nur noch aus „Recherchegründen“ zu nutzen. Treffe ich mich mit einem tinder Kontakt, schreibe ich schon während des Dates in Gedanken an einem neuen Text.

Soeben schloss sich meine Wohnungstür und ich kann nichts anderes tun, als den Laptop aufzuklappen. Mein Abend war als ruhiger TV Abend geplant. Ich und Netflix, wir sind ein Traumpaar! Noch schnell beim Dönermann meines Vertrauens vorbei, und ab auf die Couch. Die Zeitumstellung tut ihr übriges und versetzt auch das Licht in eine perfekte chill Stimmung.

Während ich mich gemütlich auf meiner Couch einrichtete, schrieb ich mit S.

Wir matchten vor einigen Tagen, und unterhielten uns seit dem relativ gut. S. bot mir an, auf den Abend bei mir vorbei zu schauen. So ganz ernst nahm ich das Angebot am Anfang nicht. Ein fremder Mann neben mir auf der Couch? Muss ja eigentlich nicht sein. Doch dann blitzte ein Gedanke in meinem Kopf auf: „Warum eigentlich nicht? Jetzt wo du schon so viele Idioten getroffen hast, wäre einer mehr oder weniger ja auch nicht tragisch.“. Vielleicht wäre er auch so angenehm, dass ich mich anlehnen könnte, ein bisschen entspannen und nett quatschen.

Noch schnell die Wohnung in Ordnung gebracht, das Make Up gerichtet, da klingelte es auch schon an der Tür. Nach den 5 zu bewältigenden Etagen, stand er vor mir. Hübsch der Herr! Gut angezogen, freundlich lächelnd. Kann man machen!

Wir umarmten uns, und ich drückte ihm ein Bier in die Hand. Sofort unterhielten wir uns ausgelassen. Ich würde ihn als eher extravertiert bezeichnen. Okay, er arbeitet bei Film und Fernsehen, da bleibt einem wohl keine andere Möglichkeit. Nachdem wir uns das Netflix Angebot näher angeschaut hatten, bat er mich die Serie „Californication“ einzuschalten. Aufgrund vieler Empfehlungen, wollte er schon immer mal reinschauen. Ich war nicht vorbelastet, da ich von der Serie vorher noch nicht gehört hatte.

Hätte ich gewusst, was mich erwartet, hätte ich wohl lieber Family Guy angemacht. „Californication“ kann man relativ kurz zusammen fassen: Sex, belanglose Unterhaltung, Sex, Unterhaltung über Sex.

Da saß ich nun da, ein mehr oder weniger wildfremder Typ neben mir, und rumvögelnde Menschen im Fernsehen. Herrlich! Im 10 Minuten Takt erwähnte S., dass das genau seine Serie sei, Frauen, Brüste, so soll das sein!

Unsere Gesprächsthemen wurden von dieser Serie natürlich ebenfalls beeinflusst. Wir unterhielten uns über Affären, Aufreißstrategien und komische Übernachtungssituationen. Hätte ich das ganze von außen betrachtet, hätte ich uns glatt für beste Freunde gehalten.

Es war eine komische Situation. Irgendwie mochten wir uns, konnten die Gesprächsthemen aber nicht auf eine praktische Ebene heben. Ich glaube dieser Herr wäre ein perfekter Wingman und ich seine perfekte Wingwomen. Wir würden uns gegenseitig jemanden aufreißen, und es unserem gegenüber von Herzen gönnen.

Insgesamt kann ich es nicht empfehlen, beim 1. „Date“ so eine sexualisierte Serie zu schauen. Das macht das Ganze um einiges schwieriger. Aber bei uns beiden ging das! Wir konnten lachen und uns gegenseitig peinlich sein. Ich halte ihm sehr zu Gute, dass er nicht einmal ansatzweise versucht hat, mich anzubaggern.

Das erinnert mich an das erste Kennenlernen eines bis heute sehr guten Freundes: Man hat sich total gern, aber komme was wolle, da geht nichts!

Ich glaube, den S. werde ich wiedersehen! Nicht in meinem Bett, aber vielleicht in einem Club, in dem er mir den schönsten Mann im Raum aufreißt 😉

„Was wird denn jetzt aus uns?“

Zu lange kein Date zu haben, ist auch nicht gut! Ich beginne dann sehr gerne wieder mit der Träumerei, mit der Hoffnung, dass da jemand kommen mag, der meine teils nicht so positive Meinung über Männer verändert. So meldete ich mich wie berichtet vor Kurzem wieder bei tinder an.

Dort lernte ich A. kennen. Ein hübscher Mann aus meiner Gegend. Dazu auch noch Polizist. Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich kurzfristig mit diesem Mann zu verabreden. Wir trafen uns auf den späten Abend in einer Bar, um ungezwungen festzustellen, ob wir uns sympathisch sind.

Lief auch meiner Ansicht nach richtig gut! Gemeinsame Interessen, wir haben viel gelacht, Schweigepausen gab es selten. Als sich unsere Zeit dem Ende näherte, kippte das Ganze.

Was wird denn jetzt aus uns?“ – fragte er mich interessiert.

Wie, was wird jetzt aus uns? Ich war leicht überfordert.

Heiraten und Kinder!“ – entgegnete ich scherzhaft.

Na gehen wir jetzt noch zu dir, oder nicht?“ – erwiderte er ungeduldig.

Ich stelle mir gerade vor, wie mein Gesicht ausgesehen haben muss: Kinnlade nach unten, Atem anhaltend und ziemlich dämlich aus der Wäsche guckend.

Verwirrt versuchte ich, die Situation klarzustellen. Klarzustellen, dass ich nur einen Tee trinken wollte, ein kurzes Kennenlernen, nichts weiter. Ich konnte gar nicht so schnell reagieren, wie er die Kellnerin heran winkte, um die Rechnung zu verlangen.

Das hat schon etwas von Prostitution, was du da vor hattest. Meinst du nicht?“ – konnte ich mir nicht verkneifen. Aber ganz ehrlich, entspricht das nicht der Wahrheit? Man trifft sich mit einer Frau, redet kurz, und ab gehts. Einziger „Fehler“ an der Situation war, dass wir keinen Preis verhandelt haben. Nicht mal den Tee hat er bezahlt. Hätte ich da mitgemacht, wäre das im wahrsten Sinne des Wortes „billig“ gewesen!

Ich fühlte mich nicht wertgeschätzt. Ich fühlte mich wie ein Objekt, bei dem kein Charakter zählt, sondern nur der Fakt, ob ich mich kurzfristig auf einen One Night Stand einlassen würde.

Läuft das nicht so über tinder?“ – fragte er mich leicht wütend. Nein! tinder ist doch keine App, mit der man sich die Kosten für eine Prostituierte sparen kann. Natürlich kann es sein, dass am Ende ein One Night Stand raus kommt, aber doch bitte nicht nach einer Stunde oberflächlichen Quatschens!

Als ich nach Hause ging, steckte mir der Schock noch in den Knochen. Ich habe ja schon einiges auf Dates erlebt, aber das war mir neu!

In meiner „Gutmensch-Denke“ versuchte ich, das nicht so eng zu sehen. Vielleicht haben wir uns einfach missverstanden? Vielleicht war ihm nicht bewusst, um was es geht? Eine Nacht drüber schlafen und dann vielleicht noch mal ein klärendes Gespräch anvisieren.

Mit diesem Gedanken ging ich ins Bett und hoffte, den Abend schnellstmöglich zu vergessen.

Am nächsten Morgen dachte ich in meinem Eifer, dass ich dem Herren doch eine Nachricht schreiben könne. Ganz unverbindlich: „Hey, bist du gut heim gekommen? Blöd gelaufen gestern. Wollen wir noch mal drüber reden?“

Doch das blieb Theorie. Der Herr hatte mich geblockt! Ich dachte ich werd nicht mehr! Er hat aktiv die Kommunikationsmöglichkeit unterbrochen. Was geht denn bitte in ihm vor?

„Die will nicht direkt vögeln, also ist sie es nicht wert, meine Zeit zu stehlen?“

Schon mal was von Menschlichkeit oder Respekt gehört? Anscheinend nicht! In solchen Momenten würde ich mir gerne mal einen Stellvertreter der Spezies Mann schnappen,  ihn anbrüllen und ihm blaue Flecken zufügen. Das passt alles nicht zu meinem Menschenbild.