Keine Angst vorm Langeweile – Schreckgespenst

Ich kann nicht mehr „nichts“ tun! Gerade sitze ich in der Sonne, und tippe diese Zeilen in mein Telefon. Die Sonne scheint, die Vögel trällern, Bäume blühen und es riecht nach Sommer. Woher ich das weiß? Hat irgendjemand auf Facebook gepostet, glaube ich. Ein Blick über den Rand meine Smartphones verrät mir: stimmt, das was mich gerade wärmt, ist wirklich die Sonne und diese komischen piependen Geräusche, sind keineswegs die Whats App Benachrichtigungen der Menschen neben mir. Vögel zwitschern um mich herum, süß! Dass es so etwas noch gibt. Ah Moment, da kommt gerade eine Mail rein…. wo war ich? Ach so, Natur und so. Ne, Moment, eigentlich wollte ich doch etwas über die Langeweile, das Warten und die Inspiration schreiben. Also jetzt erst einmal den Faden wiederfinden. Ich habe verlernt mich zu langweilen. Langeweile, was ist das überhaupt? In meiner Kindheit kam es doch häufiger vor, dass ich nichts mit mir anzufangen wusste. Geschwister hatte ich nicht und der erste Fernseher zog auch erst im Teeniealter bei mir ein. Da saß ich nun mit meinen wenigen Lebensjahren im Zimmer herum und starrte an die Decke. Das konnte ich gut! Umso länger ich eigentlich nichts machte, desto weiter schweiften meine Gedanken in andere Welten ab. Plötzlich ging mir ein Licht auf und ich dachte, meine Puppen könnten mal wieder ins Theater gehen. Gesagt getan: Projekt Puppentheater bauen, wurde gestartet.

Ohne Langeweile, keine Kreativität

Es ist ja so mit der langen Weile, hat man sie, fühlt man sich zu Beginn unwohl. Doch sobald der Kopf realisiert hat, dass er gerade nicht beansprucht wird, sprudelt er nur so vor Gedanken. Kreativität kann nur entstehen, wenn wir unserem Hirn Ruhe geben. So geht es mir auch mit den Inspirationen für neue Texte. Die Besten kommen dann, wenn ich meinen Kopf vor lauter nichts tun am liebsten gegen die Wand schlagen würde. Heutzutage komme ich allerdings so selten in die Situation der Ruhe im Kopf, dass ich jedes Mal wieder überrascht bin, sobald ich so einen Moment erleben darf. Das Problem ist, dass ich es verlernt habe, den Kopf mal leer werden zu lassen. Bin ich unterwegs, dudelt Musik in meinen Ohren. Bin ich daheim, läuft mindestens der TV, oder das Radio. Selbst wenn ich krank bin, und Ruhe eigentlich bitter nötig hätte, schaffe ich mehrere Serienstaffeln, ohne auch nur ansatzweise überfordert zu sein.

Erste Hilfe: Smartphone

Kennt ihr die Situation, wenn ihr im Supermarkt an einer vollen Kasse steht? Man schaut umher, guckt sich die Kaugummis an, lästert innerlich über die blonde Tussi, welche vor einem Pizza kauft, guckt an die Decke und bemerkt, dass man hier gerade einfach nicht weg kommt. Man hat keine Kontrolle darüber, wie lange das dauern mag. Alarm! Das Hirn meldet: „Ich bin nicht beschäftigt!“. Da der Körper ja schlau ist, weiß er direkt was zu tun ist: Handy raus! Schnell in eine Welt abtauchen, wo noch etwas passiert, wo mehr passiert als hier an meiner Supermarktkasse. Mein Kopf hat sich daran gewöhnt, ständig im Dauerstress zu sein. Doch genau das ist es, was neue Gedanken und Kreativität verhindert. Mein Kopf reagiert nur noch. Er ist so damit beschäftigt mich während des Blickes aufs Smartphone nicht gegen einen Pfeiler laufen zu lassen, dass ihm gar nicht auffällt, wenn ich an einem schönen Gebäude vorbei laufe.

Einfach mal zurücklehnen und nichts tun?

Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir Menschen uns zunehmend einigeln. Es gibt uns, unser Smartphone und die Außenwelt. Wir interessieren uns allerdings nur für das, was sich in dem minimalen Kosmos bis zu unserem Telefon bewegt. Klar, haben wir die ganze Welt in unseren Händen wenn wir durchs Internet surfen, aber das sind alles Informationen, die verarbeitet werden müssen. Da bleibt kein Gedanke übrig, den wir mal den zwitschernden Vögeln widmen können. Dadurch übersehen wir die Dinge, die unverzichtbar sind: schöne Momente, die wir eben gerade nicht erwartet hatten. Es ist eigentlich ein Unding, dass ich hier gerade auf meinem Telefon umhertippe. Ich müsste mich zurücklehnen, den Duft der Wiese einatmen, die Augen schließen und den Beat der Stadt genießen. Einfach mal auf mich zukommen lassen, was da eben kommen mag. Menschen die genau mit dieser Einstellung unterwegs sind, werden oft belächelt. Sie passen nicht in das Bild des „schaffenden“ Menschen. Die Gesellschaft gibt uns vor, immer etwas Produktives tun zu müssen. Was oftmals allerdings nicht erkannt wird ist, dass wir erst dann etwas wirklich Produktives tun, wenn wir uns zurücklehnen können. Diese Dinge sind dann das, was wir aus unserem Inneren und unserer tiefsten Überzeugung tun möchten. Ich glaube, Menschen die eine Weltreise unternommen haben, kamen nicht während des stressigen Büroalltags auf diese Idee. Vermutlich lagen sie gerade in der Hängematte, das Buch war ausgelesen, der Handyakku leer und plötzlich entstanden im Hirn Wünsche und Gedanken, die sie vorher gar nicht wahrgenommen hatten. Wenn man im Kopf mal alles leise stellt, hört man die Seele sprechen. Und darum packe ich nun mein Telefon weg, lehne mich zurück und warte auf das, was da kommen mag.

„Ruhiger werden“ heißt vermutlich auch nur: Erfolgreich verdrängen

Ich habe ganz tolle Leser! Das kann ich nur immer wieder betonen. Mit dem ein oder anderen hat sich eine rege „e-Mail Freundschaft“ entwickelt. Ab und zu kommt es vor, dass daraus so tolle Themen oder Aussagen entstehen, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als diese hier etwas detaillierter zu betrachten.

Freitag Abend ist Stammkneipenabend. Wie verbrachte ich also den gestrigen Abend? Bei einem Bierchen in der Stammkneipe. Verabredet war ich mit einer guten Freundin, welche seit einigen Monaten mit einem meiner besten Freunde liiert ist. Lange hatten wir uns nicht gesehen. Dass sich unsere Welten jedoch so auseinanderentwickeln würden, hätte ich nicht erwartet.

Das Single-Leben und das Pärchen-Leben, sind so weit voneinander entfernt wie die Erde vom Mars. Während es für mich an Horror grenzt einen Samstagabend allein zu Haus zu verbringen, ist es für Pärchen absoluter Luxus Zeit zu zweit zu haben.

Mit großen Augen schaute mich meine Freundin an, als ich ihr die Erlebnisse der letzten Wochen schilderte. Dabei ist nicht einmal viel vorgefallen, der normale Single, Party, Datingkram eben. Dem gegenüber stand ein Pärchenalltag. Ihre Probleme unterschieden sich komplett von meinen. Ich konnte mich zwar irgendwie in sie hinein versetzen, aber die Ebene, die ich mit anderen Singles habe, war nicht zu erreichen. Das ist ungerecht! Man kann sich gut leiden, aber findet einfach keine Welle, auf der man zusammen schwimmen kann. Und das nur aufgrund eines blöden Beziehungsstatus. Wir machten einfach komplett unterschiedliche Erfahrungen im Leben. Sie machte die Erfahrungen, die ich auch gerne hätte.

Man könnte es auch so bezeichnen: Abenteuer gegen Alltag. Unausgewogenheit gegen Ruhe.

Eigentlich war ich der Meinung, in letzter Zeit ruhiger geworden zu sein. Ausschlaggebend ist da sicherlich das veränderte Wetter, aber auch mein schwächelndes Immunsystem tat sein übriges. Meine Gesundheit hat so langsam gemerkt, dass das, was ich im Sommer „Leben“ nannte, mich eine Unmenge an zukünftiger Lebenszeit gekostet hat. In den vergangenen 3 Wochen, war ich gefühlt 3 Mal krank. Vielleicht sollte ich einfach mal öfter mit einem Wodka desinfizieren! Nein, Spaß beiseite.

Ich gab mir nun also Mühe etwas Ruhe in mein Leben zu bringen. Öfter mal auf der Couch liegen, was Kochen, was Backen, die Zeit allein genießen. Und es klappte! Ich merkte, man muss auch mal lange Weile zulassen! Denn erst wenn man so weit zur Ruhe kommt, entsteht Boden für Neues. Neue Gedanken, neue Wünsche und neue Erkenntnisse. Lange Weile festigt, auch wenn ich das nie wahrhaben wollte.

Ich fand endlich genug Zeit und Ruhe, um mich beruflich weiterzuentwickeln. Durch meinen erhöhten Einsatz wurde ich mit einer besseren Position belohnt. Der Eindruck, dass ich ernsthaft ruhiger geworden wäre, verstärkte sich.

Nun hat ja alles Positive meist einen Haken, so auch diesmal.

Als ich nun gestern Abend nach zwei Bier den Heimweg antrat, wurde mir eine Sache schlagartig bewusst: Ich verdränge!

Seit einer Weile frage ich mich, warum ich Abende so gerne eskalieren lasse, warum ich nicht an einem gewissen Punkt aufhören kann. Manchmal sollte man einfach nach zwei Bier Schluss machen.

Doch was passiert bei mir nach diesen zwei Bier? Mein Verdrängungsmechanismus wird außer Kraft gesetzt und ich merke plötzlich, was da in mir schlummert. Dort schlummert die Sehnsucht. Dort schlummert die Einsamkeit.

Ich habe sie schön versteckt, hinter einer Tür eingeschlossen. Auf dass sie still und unauffällig irgendwo in mir drin existierten könne. Doch die zwei Bier, anscheinend der Schlüssel, ließen alles herauspurzeln.

„Jetzt jemanden, der meine Hand greift.“ „Jetzt jemanden, bei dem ich mich anlehnen kann.“ „Jetzt jemand, der mich verliebt anschaut“

Meine Gesichtszüge veränderten sich. Das in sich ruhende Lächeln wich einem traurigen Gesicht. Wie bekannt kamen mir diese Gefühle vor. Hatte ich mich nicht weiterentwickelt? Hatte ich es nicht geschafft, mir eine wahrhaftige Ruhe zu erarbeiten?

„Ruhiger werden“, heißt vermutlich auch nur: Erfolgreich verdrängen.