Man ist nur ein Körper, eine Nummer

In jungen Jahren dachte ich immer, so etwas wie One-Night-Stands gibt es selten, und wenn dann, entstehen daraus doch mal Beziehungen. Je älter ich werde, umso schockierter bin ich, wie vor allem Männer mit diesem Thema umgehen.

Für mich passieren One-Night-Stands eher ungewollt. Wenn ich jemanden mit nach Hause nehme, tue ich das, weil ich diese Person mag und mir mehr vorstellen könnte. Gelegentlich kennt man sich in dieser Situation noch nicht wirklich gut, aber der erste Eindruck passt und man könnte darauf aufbauen. Ich lasse Männer nur dann so nah an mich heran, wenn ich mir relativ sicher bin, dass sie mich zu schätzen wissen.

Nun sieht es die Gegenseite ein wenig anders. Meiner Wahrnehmung nach, ist Männern für ein ONS heutzutage nur noch wichtig, ob die Frau einigermaßen attraktiv und „willig“ ist. Dann geht man mal mit, macht sich danach aus dem Staub und stellt sich tot (Thema Ghosting). Es macht den Eindruck, als würden menschliche Werte nicht zählen. Einzig und allein die Befriedigung ist ausschlaggebend. Es zählt nicht der Charakter, der Humor, die Lebensansichten. Der Gegenüber wird somit um alles reduziert, was ihn liebenswert macht.

Schönheit vergeht, das wissen wir alle. Nun geht es also nur um die Hülle des Menschen, die man sich nun leider nicht selbst aussuchen kann.

Wie man einen Menschen danach direkt vergessen kann, aus dem Leben streichen, ist mir ein Rätsel. Man hat, wenn auch nur körperlich, eine Verbindung aufgebaut. Man war sich so nah, wie man es einem Menschen nur sein kann.

Auch wenn man sich danach keine Beziehung vorstellen kann, besteht trotzdem eine besondere Verbindung zwischen diesen beiden Menschen. Heutzutage fühlt man sich wie weggeworfen, aussortiert, liegen gelassen. Man kann den tollsten Charakter dieser Welt haben. Das zählt alles nicht, man wurde benutzt und ist nur in den seltensten Fällen „wiederverwendbar“. Das klingt hart, aber so erlebe ich es immer wieder. Dass sich aus einem ONS mehr ergibt, ist mir noch nicht untergekommen.

Oft hört man Sätze wie: „Man kann ja erstmal schauen wie es ist, und dann verliebt man sich vielleicht.“

Nein! Jeder Frau, die so etwas gesagt bekommt, kann ich versichern: Das wird nicht passieren! Das ist Taktik.

Heutzutage kann man froh sein, wenn man vom ONS nach einigen Wochen noch gegrüßt wird, sobald man sich zufällig auf der Straße trifft. Das was am Ende bleibt, ist ein Name auf einer „Vögelliste“. Man ist einfach nur ein Name, kein Mensch, keine Persönlichkeit.

Wie schafft ihr Männer das? Wie könnt ihr alles ausblenden, nur damit ihr euren Spaß habt? Was bleibt da in euren Köpfen, wenn ihr den Walk of Shame (mit den selben Klamotten heim gehen, mit denen man am Abend in den Club gegangen ist) hinter euch bringt? Hinterlassen ONS irgendwas in euren Köpfen oder sind es nur Nummern?

Frauen haben in der Hinsicht einen biologischen „Nachteil“. Wir schütten beim Sex Oxytocin aus, das sogenannte „Kuschelhormon“. Es erzeugt eine Bindung, damit im Falle von Nachwuchszeugung gewehrleistet werden kann, dass die Mutter eine Beziehung zum werdenden Vater wenigstens in Erwägung ziehen wird. Irgendwie scheint das bei den Männern aber nicht ganz zu funktionieren.

Schade, dass wir füreinander teilweise nur noch Objekte sind, die wir benutzen können. Das Menschliche wird komplett verdrängt. Wollen wir das? Ich will es nicht. Ich will weder so behandelt werden, noch einen Menschen so behandeln.

Vielleicht handeln Männer so, weil sie (mal wieder) nach dem Perfekten suchen. Sie glauben, nach einer Nacht zu wissen, ob der Gegenüber zu ihnen passt, oder eben nicht. Das ist nur die Oberfläche, aber nicht der Mensch, der sich dahinter verbirgt. Nicht ganz zum Kontext passend, aber trotzdem wahr:

Wir bemängeln an Anderen die Dinge, aus den wir nur selbst keinen Nutzen ziehen können.“

1 Jahr Single

1 Jahr Single sein. Dass mir das in meinem Leben noch einmal passieren könnte, wollte ich mir nicht ausmalen. 7 Jahre wog ich mich in Sicherheit, Traum von Heirat, Kindern, Familie. Vor genau einem Jahr, lies ich diesen Traum platzen. Das erste Mal so richtig auf eigenen Beinen stehen. Zu Beginn genoss ich es, tanzend durch die Wohnung zu springen, Zeug rumliegen zu lassen, nur zu kochen worauf ICH Lust hatte.

Auf der ersten Partynacht nach der Trennung warf ich gegen 2 Uhr den obligatorischen Blick auf die Bahnverbindungen nach Hause. Wie gewohnt war es, um die Zeit zu gehen, damit sich der Partner keine Sorgen machte. Es war ein Gefühl von Freiheit welches mich durchfuhr, als ich die Uhr wegsteckte und einfach weiterfeierte. Wann ich nach Hause kam, interessierte niemanden. Ob ich überhaupt nach Hause kam, interessierte niemanden.

Allein die Möglichkeit, dass ich theoretisch jemanden abschleppen konnte, brachte mich zum Grinsen. Es fühlte sich ein wenig so an, wie der Moment nach dem letzten Schultag: Frei! Man hat alle Möglichkeiten, nichts kann einen aufhalten! Beschwingt von meiner neuen Freiheit tanzte ich durch meinen Alltag, entdeckte immer wieder neue Vorteile am Single-Leben. Oft drehte ich die Musik so laut, dass mich die Nachbarn sicherlich nicht mehr singen hörten.

Meine Wandlung blieb nicht unbemerkt, meine Freundeskreis freute ich, dass ich nun endlich wieder „am Start“ war. Leider hielt diese euphorische Phase nicht lange an. Unter die tollen Momente, mischten sich immer mehr Momente der Einsamkeit. Irgendwann hatte ich oft genug in der Wohnung getanzt, oft genug Sachen rumliegen lassen, bin oft genug spät oder gar nicht nach Hause gekommen. Das Alleinsein wurde Alltag. Man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles, aber an das Einsam sein, gewöhnte ich mich nie.

Es sind nicht die Momente, in denen man alleine auf der Couch sitzt. Es sind die Momente, in denen man gerne in einem Arm liegen würde, jemanden küssen möchte und das Gefühl haben will, geliebt zu werden.

Ich stelle mir das immer wie eine Art „Liebes-Akku“ vor. Umarmungen, Küsse, zusammen einschlafen laden diesen Akku auf. Umso intensiver die Bindung zum Gegenüber ist, desto schneller läd der Akku. In vielen Phasen meines SIngledaseins, war der Akku leer, bei 0%. Und manchmal hatte ich das Gefühl, ich müsste mein Herz so langsam abschalten, es hatte einfach keinen „Saft“ mehr.

Aus der Not heraus trifft man sich öfter mit neuen Männern, geht in Clubs in die Offensive. Hat man Erfolg, läd man seinen Liebesakku kurzweilig wieder auf. Eh man es sich versieht, ist der Akku aber wieder leer, und man beginnt erneut mit der Suche nach einer „Energiequelle“.

Die Suche nach einer „Energiequelle“ hat den Platz des „Single sein genießens“ eingenommen. Logischerweise genießt man die Momente des Flirtens, Eroberns, Abschleppens. Das sind aber nur kurze Augenblicke, die in Relation zum Alltag verschwindend gering sind.

Viele Rückschläge musste ich einstecken. Ablehnung, ausgenutzt werden, all das nagt am Glauben an die Liebe. Tief im Inneren habe ich sie aber nicht verloren, die Hoffnung. Hoffnung auf einen vollen Liebes-Akku, der regelmäßig wieder aufgeladen wird.

„Man gewöhnt sich an alles!“ – mittlerweile sogar an mein Singledasein. Es geht mir oft nicht sonderlich gut, aber ich komme mit mir zurecht.

Ich glaube man braucht diese vielen Hochs und Tiefs nach einer langen Beziehung. Oft bleibt man in der Beziehung etwas stehen in der persönlichen Entwicklung. Umso größer ist der Entwicklungsschub nach einer Trennung. Man arbeitet so vieles auf, Dinge die längst an der Reihe waren. Man wird mutiger, Unternehmungslustiger und nimmt das Leben wieder in die eigene Hand. Es gibt niemanden, der einen abhält, etwas zu tun. Man macht Fehler, und lernt daraus.

Selten habe ich mich in meiner Persönlichkeit so weiterentwickelt, wie in diesem einen SIngle-Jahr. Ich habe tolle Freunde gefunden und bestehende Freundschaften gefestigt. Ich habe mich selbst mehr gefunden und gelernt was ich brauche.

So sehr ich auch manchmal unter meinem Alleinsein leide, umso mehr sehe ich, dass es richtig war, mich dieser Aufgabe zu stellen.

Was einen nicht umbringt, macht einen Härter.