Vom Umgang mit (fast) fremder Kritik am eigenen Partner

Ich liebe meinen Freundeskreis. Ich liebe ihn für seine Herzlichkeit, seine Geduld mit mir und vor allem: für seine Ehrlichkeit. Lernte ich während meiner Single-Zeit einen potenziellen Partner kennen, wurden mir die Meinungen meiner Freunde radikal aufs Brot geschmiert. Zu alt, zu dumm, zu arrogant, zu hässlich…ich könnte die Aufzählung noch lange fortführen. Auch wenn diese ehrlichen Meinungsbekundungen mich das ein oder andere Mal hart trafen, sie sollten sich in 99% der Fälle als wahr erweisen. Man könnte behaupten, mein Freundeskreis hat sozusagen zum Gelingen meiner derzeitigen Beziehung beigetragen. Wenn sich in den letzten Monaten nicht eine weniger angenehme Entwicklung gezeigt hätte.

Was, wenn Eigenschaften, Ansichten oder Verhaltensweisen des Partners auf Missfallen im Freundeskreis stoßen?

Es gibt Menschen, denen wir an der Nasenspitze ansehen, ob wir mit ihnen Pferde stehlen könnten. Sie sind uns einfach von Grund auf sympathisch. Das trifft auf die wenigsten Kontakte zu, die wir eingehen. Meist braucht es Zeit, um Vertrauen zu fassen und das Gegenüber richtig einschätzen zu können. Der sogenannte zweite Blick ist es, der auf Dauer entscheidet. Soweit so gut. Was aber, wenn der zweite Blick des Freundeskreises Aspekte am geliebten Partner ergibt, die kritikwürdig scheinen? Eine Eigenschaft, die auf Missfallen stößt, eine politische Ansicht, die Diskussionen auslöst, oder eine Verhaltensweise, die zu Beginn unbemerkt blieb. Was, wenn der Freundeskreis plötzlich Kritik an dem Menschen äußert, den man am liebsten hat?

Kritik? Die äußerte ich sonst eher selbst

Als mich ein guter Freund darauf hinwies, dass er gewisse Eigenschaften meines Herzblattes eher wenig zu schätzen wusste, entwickelte sich ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend. Es war ein Angriff auf meinen Partner, meine Beziehung und indirekt auch mich. Ich war der Kritik, die mir gegenüber geäußert wurde, mich aber nicht direkt betraf, ziemlich hilflos ausgeliefert. Die Situation war mir neu. In früheren Beziehungen war meist ich es, die in vertraulichen Gesprächen mit engen Freunden das ansprach, was mich an meinem Partner störte. Gelegentlich stieß ich auf Zustimmung, aber proaktiv kritisch wurde damals niemand in meinem Freundeskreis.

Ich saß zwischen den Stühlen

Da saß ich nun, mit dem unguten Gefühl im Bauch und überlegte, wie ich auf diesen indirekten Angriff reagieren sollte. Zwischen den Stühlen sitzend, wusste ich weder ein noch aus. Auf welche Seite sollte ich mich schlagen? Die meines Freundeskreises, oder die meines Herzblattes? Ich hatte die Möglichkeit, direkt in die Verteidigungshaltung zu springen und zu versuchen, alle Vorwürfe abzuschmettern. Ich hatte die Möglichkeit, die Kritik zu übergehen und somit zu ignorieren. Am Ende meiner Überlegungen entschied ich mich jedoch dafür, die Hinweise ernst zu nehmen, schließlich kamen sie nicht von irgendwem, sondern von jemandem, dem ich zutiefst vertraute. Ich hinterfragte in mir selbst, ob das kritikwürdige Verhalten auch mit meinen Erfahrungen und Beobachtungen übereinstimmte. Ganz unberechtigt war diese Kritik nicht, stellte ich fest. Trotzdem lag es mir fern, in dieser Situation nur ein schlechtes Wort über mein Herzblatt zu verlieren.

Kritik an meinem Partner als Übermittlerin überbringen? Nicht mein Job!

Ich ging den für mich an dieser Stelle einzig richtig erscheinenden Schritt, ich drückte der Diskussion einen „Für diesen Arbeitsbereich bin ich leider nicht zuständig“-Stempel auf. „Äußere deine Kritik bitte direkt bei der Zielperson.“, empfahl ich sachlich. Ich bin zwar diejenige, die mit dem angesprochenen Verhalten größtenteils zurechtkommen muss, aber das ist gelinde gesagt mein Problem. Für eine Änderung sollte sich mein Freundeskreis direkt an den Verursacher wenden. Denn: auch wenn ich mein Leben gemeinsam mit einem Menschen verbringe, bin ich nicht für sein Verhalten verantwortlich. Noch weniger bin ich eine Übermittlerin von Kritik. Als Übermittlerin zu agieren, das wäre wohl das Schlimmste, was ich in dieser Situation tun könnte. Meinem Herzblatt von den Anmerkungen der anderen erzählen, oder sie unter den Teppich kehren? Eine diesbezügliche Entscheidung hatte ich schnell getroffen. Das was zwischen mir uns meinen langjährigen Vertrauenspersonen passiert, bleibt dort. Dies ist ein Zeichen von Respekt der Freundschaft gegenüber. Ich zog mich somit aus der Verantwortung, fühlte mich damit aber schlagartig besser.

Weder Verteidigung, noch Angriff oder sogar Flucht sind passende Reaktionen auf Kritik am Partner, die von Freunden geäußert wird. Lieber überdenken, an welcher Stelle die Kritik platziert wird. Für das nächste Mal sollte ich mir vielleicht ein passendes Umhängeschild anschaffen: „Heute wegen fehlender Zuständigkeit leider geschlossen.“

Mein inneres Kind will deine Kritik nicht!

„Ich will das nicht!“, schallt es in meinem Kopf. Ich will das nicht, ich will das nicht, ich will das nicht! Wie ein bockiges kleines Kind verschränken meine Gedanken die Arme. Nur weil jetzt alle anfangen gesund zu essen und verdammt viel Sport zu machen, muss ich das noch lange nicht! Das ist doch alles nur ne Phase, ich muss doch nicht jeden doofen Trend mitmachen, oder? Aber Moment mal, was ist, wenn die anderen doch Recht haben? Was ist, wenn es eben doch besser für mich wäre, nur noch Gemüse zu essen und jeden Tag eine Stunde zu trainieren? Irgendwie spricht in meinem Kopf gerade mein erwachsenes und bedachtes Ich, mit dem Kleinkind, welches schmollend in der Ecke sitzt. Es sind die Situationen, in denen man selbst einfach zwischen den Stühlen steht. Ich stehe zwischen den Erwartungen meiner Umwelt und meinen eigenen Befindlichkeiten. Ginge es nach mir, könnte ich getrost auf der Couch liegen bleiben! Was hab ich denn davon, wenn ich mich jetzt beim Sport verausgabe? Genau, Muskelkater! Der zieht sich bei mir sogar regelmäßig über mehrere Tage, wer braucht denn sowas? Bikinifigur, Sixpack, knackiger Hintern…ach scheiß drauf!

Naja, ganz so schlimm ist es dann doch nicht. Es gibt Phasen, in denen ich sogar gern zu meinen Laufschuhen greife und eine Runde drehe. Ganz ohne Druck, einfach so, weil ich darauf Lust habe. Ich entscheide selbst, wann ich was tue. Das ist so lange einfach, wie man allein ist. Sobald sich andere Menschen ins Leben schleichen, wird es langsam kompliziert. „Wie, du trainierst nicht zweimal in der Woche? Das muss man schon machen, um in Form zu bleiben!“, „Denk doch mal an später, Hängebrüste und so, da sollte man jetzt anfangen was tun!“… ich könnte massenhaft Beispiele aufzählen, die ich zu hören bekomme. Einen Scheiß muss ich!

Werde ich nicht direkt angesprochen, suggeriert mir Facebook, welche Sportskanonen ich doch in meinem Freundeskreis habe. „Ich bin gerade 5 km in 30 Minuten gelaufen!“, wohooo, juchu, Applaus! Geht mir am Popo vorbei. Zumindest fast. Irgendwie spüre ich schon einen gewissen Druck, den mein Umfeld bei mir verursacht. Irgendwie will ich ja dazu gehören. Ich vergleiche mich. Manchmal zu oft. Dann beneide ich die Marathonläufer und Gewichtestemmer um mich herum. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite die Bewunderung, auf der anderen Seite der Druck, den sie in mir auslöst. Gerade wenn mir Menschen, welche mir nahe stehen, an meinem Lebensstil „herummäkeln“, geht mir das sehr zu Herzen. Doch was sie damit erreichen ist nicht, dass ich mich voll motiviert ins Fitti schwinge, sondern dass mein inneres Kleinkind erwacht. Es stampft mit den Füßen auf, streckt alle Viere von sich und legt sich auf den Boden. „Ich mach garantiert nicht das, was du von mir willst! Kannste alles selber tun, is mir egal. Wenn du mich nicht leiden kannst, dann lass mich doch in Ruhe.“. Ich sag ja, herrlich diese innere Zerrissenheit.

Es ist nicht immer der Sport oder die Ernährung, die unser Gewissen auf eine harte Probe stellt. Es sind oft ganz kleine Dinge. Gerade wenn wir uns in Beziehungen befinden, können kleine unbedacht geäußerte Hinweise, ganz schnell das bockige Kleinkind in uns hervor holen. „Stell die Schüssel dahin, wo sie immer steht!“, eigentlich ein ganz minimaler, nett gemeinter Hinweis. Doch das innere Kleinkind fängt sofort an sich bockig auf den Boden zu werfen: „Wenn du alles besser weißt, mach das doch selbst! Ich bin schon groß, ich kann alleine entscheiden, wo ich die Schüssel hin haben will. Die sieht an dieser Stelle doch viel besser aus!“. Strampelnd bringt sich das innere Kleinkind immer weiter in Rage, bis es so große Wut aufgebaut hat, dass es den eigentlichen Hinweis der Person nicht mehr wahrnehmen kann.

Solche Situationen häufen sich in Beziehungen. Meist merkt der Partner gar nicht, dass seine Aussagen etwas auslösen, was überhaupt nicht beabsichtigt war. Ich fühle mich in solchen Momenten gerne mal bevormundet. Dafür kann mein Partner gar nichts. Es liegt an mir! An mir ganz allein. Das ist mein inneres Kleinkind, was ich nicht im Zaum halten kann. Unbewusst weiß ich nämlich genau, dass mir etwas mehr Sport gut tun würde, dass ich vielleicht doch mal gesünder essen sollte, oder dass die Schüssel eben genau an diesen einen Platz gehört. Aber ich will das nicht von einer anderen Person hören! Ich möchte das Gefühl haben, meine Entscheidungen selbst zu treffen. Da brauche ich schließlich niemanden, der mich anleitet. Und so reagiert mein inneres Kleinkind auf lieb gemeinte Hinweise mit dem Rausstrecken der Zunge und einem trotzigen „Nööööö!“. Es ist sehr schwer, in solchen Situationen als Partner das Richtige zu tun. Wer schon einmal ein Kleinkind im Supermarkt auf dem Boden hat schreien sehen, weiß wovon ich rede. Da ist alles zu spät. Das Einzige, was man tun kann, ist an der Kommunikation zu arbeiten. Bei mir klappt es normalerweise ganz gut, wenn man mir etwas anbietet. Nicht im Sinne von Bestechung, sondern eher: „Wollen wir mal zusammen Sport machen gehen?“. Das lässt mir eine gewisse Entscheidungsfreiheit, ist keine direkte Kritik und macht zumindest den Anschein eines gewissen Spaßfaktors. Mit meinem inneren Kleinkind sollte man umgehen, wie mit einem echten Kleinkind, einfühlsam und bedacht. Manchmal muss man mich vielleicht sogar etwas hinters Licht führen oder bestechen, aber das ist mir in solchen Situationen mehr als recht.