Junggesellenabschied

Zu dieser Jahreszeit vergeht kein Wochenende, an dem nicht massig Junggesellen- oder Junggesellinnenabschiede durch die Straßen ziehen. Peinlich gekleidet, betrunken und irgendwie bemitleidenswert. Neulich traf ich überraschend in einem Club auf eine alte Freundin. Als Kinder hatten wir gelegentlich zusammen gespielt, weil unsere Eltern befreundet waren. Nettes Mädel! An diesem Abend konnte ich allerdings nur den Kopf schütteln. Sie feierte ihren Junggesellinnenabschied. Diese Tatsache allein reicht noch nicht für Mitleid aus. Als ich jedoch sah mit wem sie feierte, hätte ich ihr am liebsten über den Kopf gestreichelt und gesagt: „Alles wird gut!“. Sie feierte unter Anderem mit ihren Eltern. Was haben Eltern an einem solchen Abend zu suchen?

Natürlich kannte ich die beiden, was mir in dieser Situation nicht unbedingt gelegen kam. „Mensch Jule, wir haben uns ja ewig nicht gesehen! Wie geht es dir denn? Was machen deine Eltern? Hast du einen Freund?“ – Kreuzverhör unter 3 Promille – auf beiden Seiten. Ich versuchte ein freundliches Lächeln aufzusetzen und die Unterhaltung kurz zu halten „Bei mir ist alles tooootal super, Arbeit: läuft!, Leben: läuft!, Liebe: läuft!“. Dass dem gerade nicht so ist, konnte ihnen egal sein. Spätestens am nächsten Tag werden sich diese Neuigkeiten bis zu meinen Eltern getragen haben, da sollte man aufpassen, was man sagt. Lieber ein: „Ich habe deine Tochter gestern in der Disco getroffen, die war ganz schön betrunken, aber ihr gehts ansonsten super.“ als: „Ich habe deine Tochter gestern in der Disco getroffen, die war ganz schön betrunken. Ich glaube ihr geht es nicht gut, vielleicht hat sie ein Alkoholproblem? So findet sie ja auch nie einen guten Mann. Vielleicht ist sie ja lesbisch? In dem Alter kein Freund und keine Kinder, da ist doch irgendwas schief gelaufen.“ – Lächeln und thumbs up!

Abgesehen davon, dass die bald in Eheketten gelegte „Freundin“ ihre Eltern dabei hatte, durfte ich (leider) auch ihren Zukünftigen kennen lernen, Gaaaaaanz toller Typ!! Wirklich…gaaaaaanz toll! Abgesehen von dem rosa T-Shirt, den Assi-Freunden und dem Alter (irgendwas um die 40).

Du hast es echt geschafft meine Liebe, du hast den Jackpot!

Ich gehe davon aus, dass sie sich lieben, ziemlich wahrscheinlich sogar. In solchen Momenten kann ich aber nicht anders, als drei Kreuze zu machen und mir zu sagen: „Gottseidank bist du Single, du bist so ein Glückspilz, du hast noch die Wahl“.

Genau, ich habe noch die Wahl! Ich kann mich entscheiden: Beziehung, Affäre, Single sein, Lesbisch werden, ins Kloster gehen. Entscheidungen, die ich jeden Tag aufs Neue treffen kann, wenn ich das möchte.

Dieses Pärchen war genauso lange zusammen, wie ich mit meinem Ex. Ich hätte dort ebenfalls stehen können, rosa T-Shirt, alberne Verkleidung. Was hätten meine Mitmenschen gedacht? „Armes Ding, bei ihr ists nun vorbei, vorbei mit dem Rumhuren, vorbei mit langen Partys, jetzt beginnt der Ernst des Lebens.“. Ich wäre wohl glücklich gewesen, oberflächlich.

Gottseidank hatte ich trotz Beziehung die Möglichkeit mich zu entscheiden. Jeden Tag neu zu entscheiden, ob das das Leben ist, welches ich führen möchte. 7 Jahre lang habe ich die Frage mit „Ja!“ beantwortet. Vor etwas mehr als einem Jahr kam eine Häufung von „Nein!“ dazu.

Es war die richtige Antwort. „Nein!“

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Ich ließ meine Blicke durch den Club schweifen, entdeckte meine letzte Bettgeschichte, lächelte rüber und dachte: „Was ich alles verpasst hätte, wenn ich hier in Rosa meine Eheschließung gefeiert hätte.“ Es legte sich ein Lächeln auf mein Gesicht.

Alles richtig gemacht!!