Junggesellenabschied die Zweite

Nachdem ich im vorherigen Artikel über einen Junggesellinnenabschied berichtet habe, gibt es der Gerechtigkeit halber einen Bericht von dem männlichen Gegenpart, dem Junggesellenabschied. Ein bisschen Gendern muss sein 😉

Es ist einige Wochen her. Ich stand mit meiner Besten und einer Bekannten vor meiner Lieblingsbar. Sommer, Sonne, Bierchen, Cocktail, ein typischer Freitagabend. Plötzlich lief eine Truppe Männer an uns vorbei. „Du, ich glaube der R. ist jetzt bei der Bundeswehr!“ – flüsterte ich zu meiner Freundin.

R. kenne ich schon seit knapp 10 Jahren. Er war der erste Mann, den ich auf unserer ersten Studentenparty sah. DJ in dem Club, der uns mit 16 Jahren so aufregend und erwachsen schien. Mit einer Kiste Bier stand er vor uns. Der Club war noch leer, wir waren überpünktlich. Soweit ich mich erinnere, spielte er auf unseren Wunsch Manu Chao- King of the Bongo. R. war schon damals ein hübscher Kerl! Lange schwärmte ich aus der Ferne, bis ich einige Jahre später gelegentlich das Gespräch suchte.

„Wenn wir beide mal zeitgleich Single sind, muss da was gehen!“ – versprachen wir uns nach 4 Tequila. Doch dieser Moment kam nie, vor ca. 5 Jahren verloren wir uns aus den Augen. Bis zu diesem Abend.

R. war natürlich nicht bei der Bundeswehr. Die Uniformierung war Teil des Junggesellenabschiedes eines Freundes. Süß sahen sie aus, bei 30 Grad Hitze im langen Bundeswehroutfit. Ob er mich wohl erkennen würde?`Auch ich werde nicht jünger.

Sein Freund S. war schon ziemlich betrunken. Die Jungs hatten es sich auf die Fahne geschrieben, ihm allerlei dämliche Aufgaben zu stellen, welche er als Rekrut ohne Murren zu erledigen hatte. Wichtigste Aufgabe: So viele Menschen wie möglich küssen!

Natürlich erkannte R. mich und schob die Männertruppe zu uns rüber. „Der Rekrut muss heute so viele Küsse sammeln, wie möglich!“ – lallten sie uns entgegen. Man gibt sich ja gerne her für die Sache! Abgesehen davon, war S. eine Sahneschnitte, logisch, dass der vom Markt geklaut wurde. So ging es nun die Reihe rum, Kuss 1, Kuss 2…bis er bei mir ankam. Die vorher Geküssten wurden mit einem relativ kurzen Schmatzer bedacht, mir hingegen drückte er einen längeren Kuss auf. Dies wurde natürlich direkt von der Mannschaft bemerkt. Unter starkem Gruppenzwang, ergab ich mich und stimmte einer Wiederholung zu. Die Sekunden wurden gezählt, wie lange halten wir beide diesen Kuss aus? Ziemlich lange 😉

Noch leicht beeindruckt vom Kuss, beschloss die Truppe, weiterzuziehen. Ob wir mitkommen würden, stand zur Debatte. Schlussendlich war ich die Einzige, die den Weg in den nächsten Club mit den Herren antrat. Auf halber Strecke wurde eine Pause eingelegt. Ich überlegte kurz, ob die ganze Sache eine gute Idee war. Um mich zu überzeugen, hob mich der zukünftige Bräutigam auf seine Schultern und ließ mir keine andere Wahl.

Aus den spaßigen Küssen wurde lange, intensive Knutschereien. Auf offener Straße. Wenn das die Zukünftige gesehen hätte.

Der Weg zum Club führte an einem Park vorbei. Dieser Park ist nachts geschlossen, aber gelegentlich ist das ein oder andere Tor offen. Als ich ein offenes Tor entdeckte, schnappte ich mir den DJ R. und versicherte der Truppe, dass wir uns im Club treffen würden.

Stockdunkel war es im Park. Ich klammerte mich vor Angst an R.

Wieso nie etwas aus uns geworden war, fragte ich und erhielt leider keine befriedigende Antwort.

Plötzlich stand ich in seinem Arm, schaute ihm in die Augen und konnte nicht anders, als ihn endlich zu küssen.

10 verdammte Jahre habe ich darauf gewartet! R. hat eine Freundin, was er mir vorher noch nicht ernsthaft mitgeteilt hatte. Ein Kuss ist kein Kuss und wir dachten „Es ist schon schlimm genug, dann wenigstens ein bisschen genießen“.

Am Club angekommen versprach R., mich später nach Hause zu begleiten, wenn schon, denn schon! Es war mir klar, dass dies nicht passieren würde.

Eine Stunde später lief ich allein zum Bus, R. war nicht mehr auffindbar. An der Bushaltestelle saß der zukünftige Bräutigam, deutlich gezeichnet von der Nacht. Er drückte mir einen letzten Kuss auf und sagte: „Du bist die letzte Frau mit der ich das getan habe, abgesehen von meiner Frau“.

Es wirkte so endgültig. Er lächelte und ich wusste, der hat seine Traumfrau gefunden!

Junggesellenabschied

Zu dieser Jahreszeit vergeht kein Wochenende, an dem nicht massig Junggesellen- oder Junggesellinnenabschiede durch die Straßen ziehen. Peinlich gekleidet, betrunken und irgendwie bemitleidenswert. Neulich traf ich überraschend in einem Club auf eine alte Freundin. Als Kinder hatten wir gelegentlich zusammen gespielt, weil unsere Eltern befreundet waren. Nettes Mädel! An diesem Abend konnte ich allerdings nur den Kopf schütteln. Sie feierte ihren Junggesellinnenabschied. Diese Tatsache allein reicht noch nicht für Mitleid aus. Als ich jedoch sah mit wem sie feierte, hätte ich ihr am liebsten über den Kopf gestreichelt und gesagt: „Alles wird gut!“. Sie feierte unter Anderem mit ihren Eltern. Was haben Eltern an einem solchen Abend zu suchen?

Natürlich kannte ich die beiden, was mir in dieser Situation nicht unbedingt gelegen kam. „Mensch Jule, wir haben uns ja ewig nicht gesehen! Wie geht es dir denn? Was machen deine Eltern? Hast du einen Freund?“ – Kreuzverhör unter 3 Promille – auf beiden Seiten. Ich versuchte ein freundliches Lächeln aufzusetzen und die Unterhaltung kurz zu halten „Bei mir ist alles tooootal super, Arbeit: läuft!, Leben: läuft!, Liebe: läuft!“. Dass dem gerade nicht so ist, konnte ihnen egal sein. Spätestens am nächsten Tag werden sich diese Neuigkeiten bis zu meinen Eltern getragen haben, da sollte man aufpassen, was man sagt. Lieber ein: „Ich habe deine Tochter gestern in der Disco getroffen, die war ganz schön betrunken, aber ihr gehts ansonsten super.“ als: „Ich habe deine Tochter gestern in der Disco getroffen, die war ganz schön betrunken. Ich glaube ihr geht es nicht gut, vielleicht hat sie ein Alkoholproblem? So findet sie ja auch nie einen guten Mann. Vielleicht ist sie ja lesbisch? In dem Alter kein Freund und keine Kinder, da ist doch irgendwas schief gelaufen.“ – Lächeln und thumbs up!

Abgesehen davon, dass die bald in Eheketten gelegte „Freundin“ ihre Eltern dabei hatte, durfte ich (leider) auch ihren Zukünftigen kennen lernen, Gaaaaaanz toller Typ!! Wirklich…gaaaaaanz toll! Abgesehen von dem rosa T-Shirt, den Assi-Freunden und dem Alter (irgendwas um die 40).

Du hast es echt geschafft meine Liebe, du hast den Jackpot!

Ich gehe davon aus, dass sie sich lieben, ziemlich wahrscheinlich sogar. In solchen Momenten kann ich aber nicht anders, als drei Kreuze zu machen und mir zu sagen: „Gottseidank bist du Single, du bist so ein Glückspilz, du hast noch die Wahl“.

Genau, ich habe noch die Wahl! Ich kann mich entscheiden: Beziehung, Affäre, Single sein, Lesbisch werden, ins Kloster gehen. Entscheidungen, die ich jeden Tag aufs Neue treffen kann, wenn ich das möchte.

Dieses Pärchen war genauso lange zusammen, wie ich mit meinem Ex. Ich hätte dort ebenfalls stehen können, rosa T-Shirt, alberne Verkleidung. Was hätten meine Mitmenschen gedacht? „Armes Ding, bei ihr ists nun vorbei, vorbei mit dem Rumhuren, vorbei mit langen Partys, jetzt beginnt der Ernst des Lebens.“. Ich wäre wohl glücklich gewesen, oberflächlich.

Gottseidank hatte ich trotz Beziehung die Möglichkeit mich zu entscheiden. Jeden Tag neu zu entscheiden, ob das das Leben ist, welches ich führen möchte. 7 Jahre lang habe ich die Frage mit „Ja!“ beantwortet. Vor etwas mehr als einem Jahr kam eine Häufung von „Nein!“ dazu.

Es war die richtige Antwort. „Nein!“

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Ich ließ meine Blicke durch den Club schweifen, entdeckte meine letzte Bettgeschichte, lächelte rüber und dachte: „Was ich alles verpasst hätte, wenn ich hier in Rosa meine Eheschließung gefeiert hätte.“ Es legte sich ein Lächeln auf mein Gesicht.

Alles richtig gemacht!!