Brauchen wir nicht alle eine Person, zu der wir aufschauen können?

Ich bin ein Groupie. Ja, trotzdem ich Ü16 bin 😉 Ich bin Groupie von Michael Nast. Lustigerweise sogar mehr, als ich dachte. Gestern besuchte ich mit Freunden eine Lesung von Michael. Man sollte dazu erwähnen, dass zwei meiner drei Freunde Michael vorher nicht Live erleben durften. Als die Lesung beendet war, schaute mich J. an und sagte: „Der Michael, der sieht aus wie Carsten, ist dir das schon mal aufgefallen?“ Ich antwortete: „Was? Ach Quatsch, das stimmt doch gar nicht.“ Als ihr die Anderen jedoch zustimmten, begann ich nachzudenken. Sollte meine letzte Liebelei wirklich ein Ebenbild meines Lieblingsautoren sein? „Guck dir doch mal das Lächeln an, die Ausstrahlung und das Verhalten, das ist verdammt ähnlich!“ Umso mehr ich darüber nachdachte, umso klarer wurde es mir. Irgendwie…gruselig.

J. steht auf Charme, auf viel Charme. Dass sie sich von einer Person so verzaubern lässt, ist selten. Vorher konnten meine Mädels nicht wirklich verstehen, wieso ich so ein Groupie bin, jetzt sind sie ebenfalls Mitglieder im inoffiziellen Michael Nast Fanclub 😉

Brauchen wir nicht alle eine Person, zu der wir aufschauen können? In unserer Jugend waren es vielleicht Schauspieler, Musiker oder was auch immer. Aus diesem Alter sind wir jetzt vermutlich raus. Jetzt sind es die Menschen, die greifbarer sind, nicht so abgehoben wie die Idole aus Jugendtagen.

„Erhebend“, ich glaube das ist das Gefühl, welches man fühlt, wenn das Groupie-Herzchen hüpft. Ich erinnere mich an ein Erlebnis mit meiner früheren Lieblingsband. Ich war um die 16 und besuchte mit meiner besten Freundin ein Konzert. Natürlich durften wir dort nicht hin, mitten in der Nacht als Mädels in Berlin, das sahen unsere Eltern nicht gern. Clever wie wir waren, kündigten wir an, beim jeweils anderen zu übernachten. Es gab daran nur einen Haken: Wir konnten weder bei ihr, noch bei mir bleiben. So saßen wir nach dem Konzert vor dem Club und vertrieben uns die Zeit. Plötzlich stand der Schlagzeuger der Band neben uns. Mit schlechtem Schulenglisch versuchten wir zu erklären, wieso wir mitten in der Nacht in der Kälte saßen. Es entwickelte sich ein tolles Gespräch, an dessen Ende wir mit einer innigen Umarmung der Bandmitglieder verabschiedet wurden. Unser Übernachtungsproblem hatte sich ebenfalls gelöst. Wir erhielten von der Band die Informationen die wir benötigten, um in deren Hotelzimmer einzuchecken.

Leider fuhren sie direkt weiter zur nächsten Tourstation, so dass wir die Nacht alleine im Hotelzimmer verbrachten. Allerdings war dies das aufregendste Groupieerlebnis meines Lebens 🙂 Immer wieder gern denke ich daran zurück, wie wir im Hotelzimmer standen und vor lauter Adrenalin auf dem Bett hoch und runter gesprungen sind. Damals, mit 16, konnte ich mir kaum etwas Schöneres vorstellen. Aber Zeiten ändern sich, heute kann man mich schon mit dem Lesen meiner Lieblingstexte glücklich machen 🙂

Die Lesung war (wie immer) total super! Mein Groupieherzchen schlug höher, als Michael den letzten Text ankündigte. Es war der Text, den ich mir vorher bei ihm gewünscht hatte. Seelig grinsend versunk ich in seinen Worten und blendete die Menschenmassen um mich herum aus. Genau dieses Gefühl hatte ich mir erhofft, diesen Nachhall im Kopf, wie man ihn nur nach einem guten Kinofilm kennt.

Ein Buch oder einen Text selbst zu lesen ist toll, man verbindet seine eigenen Gedanken damit und erschafft sich ein Bild im Kopf. Einen Text jedoch direkt vom Autor zu hören, verändert dieses Bild noch einmal grundlegend. Andere Betonungen, eingeschobene Lacher, das alles macht die Worte noch lebendiger. Umso mehr empfand ich den letzten Text der Lesung als Inspiration. Schon als ich ihn für mich las, hinterließ er mich nachdenkend. Von Michael gelesen, entdeckte ich Facetten, die ich nicht bedacht hatte und die mich die Worte noch mehr verinnerlichen ließen.

Hier die besagte Kolumne:

http://imgegenteil.de/blog/nicht-ohne-meinen-therapeuten/