Mental Load – Was die ungleiche Verteilung mit unseren Beziehungen macht

Es ist 13:30 Uhr, meine Finger fliegen flink über den Smartphonebildschirm. „Was wollen wir heute Abend essen?“, tippe ich in das Dialogfeld meines Messengers. Es dauert keine 5 Minuten, bis ich ein „Sag du “ von meinem Herzblatt zurückerhalte. Same procedure as every day, denke ich, während ich in meinem Kopf schon unsere Vitaminbilanz der letzten Tage durchgehe, die mir eindeutig klar macht: Heute muss es etwas gesundes sein, das auf den Abendbrotstisch kommt. Noch während ich gedanklich an einem geeigneten Rezept feile, setzt sich ein kleines imaginäres Julchen auf meine Schulter. „Wolltest du nicht eigentlich noch das Bad putzen? Der Boden sieht schon wieder aus, als hätte man absichtlich eine Staubschicht auf ihn gekippt“. Ich versuche das Julchen zu ignorieren, was mir leider nur minimal gelingt. „Bevor du es vergisst, denk an das gemeinsame Treffen mit dem Pärchen von Gegenüber, für das du übrigens noch eine Flasche Wein besorgen musst. Ach, wann waren deine Katzentiere eigentlich das letzte Mal impfen? Ruf doch gleich beim Tierarzt an!“. Ohne Punkt und Komma zählt das kleine Julchen auf meiner Schulter all die Dinge auf, an die ich denken sollte, damit der Alltag nicht im Chaos versinkt.

Mental Load – Kopf voll, Stress garantiert

Das kleine Julchen ist ein Symbol für etwas, was jeder von uns kennt: den Mental Load. Mental Load bezeichnet die ständigen Gedanken an all das, was noch erledigt, organisiert und geklärt werden muss. Wir laden uns somit Tag für Tag Dinge auf die Schultern, die mit der Zeit immer schwerer zu werden scheinen. Muss man nur seinen eigenen Load bewältigen, lässt sich das Ganze noch gut aushalten. Befindet man sich jedoch in einer Beziehung, potenziert der Load sich so sehr, dass er zur Belastung werden kann. Wenn ich hier von „man“ spreche, sollte ich dies eigentlich durch „Frau“ ersetzen. Frauen sind es, die den größten Teil des Mental Loads auf sich nehmen. Sie fühlen sich verantwortlich dafür, dass die Wohnung regelmäßig gereinigt wird, Verabredungen nicht unter den Tisch fallen und der Kühlschrank regelmäßig befüllt wird. So geht es zumindest mir. Warum ist das so?

  1. Unsere Eltern haben es vorgemacht. Mit wem werden Verabredungen ausgemacht? Mit der Frau. Bestes Beispiel dafür sind meine Eltern. Möchte ich mich zum Kaffeetrinken anmelden, schreibe ich das nicht meinem Vater, weil ich weiß, dass er mich sowieso an seine Frau verweisen wird. Schon seitdem ich denken kann, hat das Terminbuch unserer Familie meine Mutter in der Hand. Mir wurde somit von Geburt an beigebracht: Du als Frau bist für die Organisation in der Familie zuständig.
  2. Die Gesellschaft erwartet es von uns. Wen ruft der Kinderarzt an, wenn er Informationen zum Nachwuchs übermitteln will? Die Mutter. Auch wer in einer kinderlosen Beziehung lebt, wird festgestellt haben: Von Frau wird erwartet, den Überblick zu behalten. Sie wird fast automatisch angesprochen, wenn es um organisatorische Themen geht. War schon immer so, hat noch nie Probleme gemacht, oder?
  3. Wir Damen wehren uns zu wenig dagegen. Habe ich schon einmal aufgemuckt, weil meine Schultern vor lauter Mental Load immer schwerer wurden? Nein. Wenn alle anderen es schaffen, die ganze Alltagsorganisation zu wuppen, schaffe ich das erst recht, oder?

Was macht der ungleich verteilte Mental Load mit unseren Beziehungen?

Zugegeben, manchmal genieße ich es, den Überblick zu haben. Ich habe die Entscheidungsgewalt, wenn es um Haushaltsbesorgungen oder unseren Terminkalender geht. Ich kann den Sauberkeitsgrad unserer Wohnung bestimmen, ohne mich darüber streiten zu müssen. Das verschafft mir ein klein wenig Macht. Doch diese Macht belastet. Durch sie fühle ich mich verantwortlich dafür, dass niemand verhungert und wir nicht im Dreck ersticken. Ich nehme es als gegeben hin, dass diese Verantwortungsbereiche der Beziehung auf mir lasten. Der auf mir lastende Mental Load führt allerdings auch dazu, dass ich meinem Herzblatt immer weniger zutraue. Bitte ich ihn den Einkauf zu erledigen, zu kochen oder einen Termin auszumachen, habe ich das Gefühl, er würde sicherlich das ein oder andere vergessen, wieder nur Fast Food vom Imbiss besorgen oder einen Termin wählen, an dem wir schon etwas vorhaben.

Niemals die Fähigkeiten des Partners unterschätzen!

Ich gehe davon aus, dass er ohne meine Aufforderung und Aufgabenzuweisung alleine nicht auf die Idee kommen würde, sich selbstständig um diese Dinge zu kümmern. Dabei unterschätze ich seine Fähigkeiten. Natürlich ist er in der Lage all das zu erledigen, was meinen Mental Load so riesig erscheinen lässt. Aber warum sollte er, wenn ich das alles mit mir ausmache? Mein Herzblatt geht mit seinem Mental Load ganz anders um, besser um. Unordnung aushalten können, den leeren Kühlschrank als Anlass nehmen, mal wieder essen zu gehen – Mein Schatz hat ganz eigene Wege, seinen Load so gering wie möglich zu halten.

Was kann man dagegen tun?

Liebe Damen, wenn ihr mal wieder das Gefühl habt, euch um alles kümmern zu müssen, für alles verantwortlich zu sein, lasst locker. Gebt Aufgaben ab, auch wenn sie anschließend nicht so gelöst werden, wie ihr es gewohnt seid. Ganz wichtig: Sprecht mit eurem Partner! Mental Load ist etwas, was in eurem Kopf passiert, er ist von außen unsichtbar. Woher will eurer Herzblatt wissen, mit welchen Denkaufgaben ihr euch herumschlagt, wenn ihr nicht darüber sprecht? Ich gebe zu, ich erwische mich regelmäßig wieder dabei, wie ich den Mental Load komplett auf meine Schultern nehme. Um dies zu unterbinden, erinnere ich mich daran, dass die Welt nicht untergehen wird, wenn ich mal nicht an alles denke, sondern einen Teil der Verantwortung an mein Herzblatt abgebe, und zwar ohne Aufgaben zu delegieren. Er wird seine eigenen Wege finden, den Alltag zu organisieren. Vielleicht sogar noch besser als ich.