Einmal verbiegen bitte – Was tun, wenn der Partner Ecken und Kanten hat?

Den Partner verbiegen zu können, das würde sich manch einer als Superkraft wünschen. Wenn doch nur Eigenschaft X nicht wäre, dann hätte man das große Los gezogen. Abgesehen von den Gewohnheiten Y und Z, ist der Partner schließlich ein ziemlicher Glücksfall, oder?

So zumindest höre ich es von vielen Menschen in meinem Umfeld, die in Beziehungen stecken. Die Diskussionen halten sich allerdings nicht an der Feststellung von Schwachpunkten und Eigenheiten auf, sie gehen ans Eingemachte. Schon seit Jahren würde man daran arbeiten, augenscheinlich schlechte Eigenschaften in den Griff zu bekommen. Von gutem Zureden, über Drohungen, bis hin zur Verhängung kleinerer Strafen (Stichwort Sexentzug), ist alles dabei. Moment mal, hört sich das nicht ein bisschen wie die Erziehung eines Kleinkindes an? Genauso ist es. Erkennen wir bei unseren Partnern Makel, die aus unserer Sicht das gemeinsame Glück mindern, rutschen wir gerne in eine Elternfunktion, die dafür sorgen soll, dass sich unsere bessere Hälfte nach unseren Wünschen verändert. Veränderung ist eigentlich das falsche Wort dafür, besser passt: verbiegt.

Wer ein notorischer Chaot ist, wird nicht durch Strafe oder Vorwürfe zur Ordnung finden

Wenn sich so viele Menschen innerhalb von Beziehungen bemühen, den Bettpartner zu verbiegen, muss an der Sache doch etwas dran sein, oder? Wir sollten uns eines klar machen: der Mensch, der im besten Falle jeden Morgen neben uns aufwacht, ist erwachsen. Seine Erziehung ist abgeschlossen, seine Persönlichkeit gefestigt. Eine Änderung seines Verhaltens oder seiner Gewohnheiten kann von außen so gut wie nicht mehr vorgenommen werden. Nehmen wir als Beispiel den populären Trend zum Veganismus. Plötzlich kein Fleisch mehr zu essen, ist eine radikale Veränderung im eingeschliffenen Lebensstil. Um so eine Veränderung dem Partner schmackhaft zu machen, braucht es eine hohe Überzeugungskraft und viele Diskussionen. Ist besser für die Gesundheit, kein Tier stirbt, und was nicht alles an positiven Aspekten hervorgebracht wird. Eine solche Sichtweise auf den Partner zu übertragen klappt jedoch nur, wenn eine Veränderung im Menschen selbst vonstattengeht. Die Überzeugung muss nicht von außen, sondern von innen erfolgen. Wer ein notorischer Chaot ist, wird nicht durch Strafe und Vorwürfe zur Ordnung finden, sondern vielleicht erst, wenn er sich beim Fall über den Klamottenberg gepflegt auf die Nase gelegt hat. Veränderung ist ein innerlicher Prozess, der von außen zwar angeregt, aber nicht abschließend durchgeführt werden kann.

Eigenheiten und Macken sind es, die unseren Lieblingsmenschen einzigartig machen

Wer seinen Partner verbiegen möchte, sollte sich die Frage stellen, was er damit erreichen will. Warum sollte sich ein Mensch verändern, den man, so wie er ist, kennen und lieben gelernt hat? Sind es nicht genau diese Eigenheiten, die ihn liebenswürdig machen? Und mal ehrlich, würden wir unseren Partner intensiver lieben, nur weil er Tofu verspeist oder plötzlich seine Socken in den Wäschekorb, anstatt auf den Boden schmeißt? Es ist ein Trugschluss, dass ein zu den eigenen Wünschen veränderter Partner ein besserer Partner ist. Durch den ständigen Versuch das Herzblatt verbiegen zu wollen, zerren wir nicht nur an ihm, sondern auch an unserer Liebe. Wir gehen das Risiko ein, als Ergebnis einen Menschen an unserer Seite zu haben, den wir nicht widererkennen und vielleicht sogar überhaupt nicht mehr leiden können. Um eine erfolgreiche Beziehung zu führen braucht es kein Gezerre, keine Biegeversuche, es braucht die Wertschätzung für Eigenheiten und Macken, denn die sind es, die unseren Lieblingsmenschen so einzigartig machen.

Denn es wäre nicht so wie es ist, wäre es damals nicht gewesen wie es war

Was bleibt von mir, wenn ich morgen plötzlich nicht mehr aufwache? Abgesehen von vielen digitalen Worten und Bildchen wäre das nicht viel, vermute ich. Was ich nicht weiß ist, welche Spuren ich im Leben der Anderen hinterlassen habe.  Erinnert sich überhaupt noch jemand an mich, wenn ich nicht regelmäßig etwas auf Facebook poste?

Es geht nicht nur darum was bleibt wenn wir physisch nicht mehr sind, sondern auch was passiert, wenn wir jemanden verlassen. Das ist ja nicht Deckel zu, Affe tot, denn nie geht man so ganz, zumindest nicht aus den Köpfen. Auch wenn es so schön heißt „Man sieht sich immer zweimal im Leben“, können wir nie sicher sein, dass wir eine zweite Chance bekommen. Was uns meist nicht bewusst ist: Wir bleiben in den Erinnerungen vieler Personen, auch wenn wir diese vielleicht nur einmal kurz trafen. Es gibt Begegnungen, die verändern Leben, manchmal das Eigene, manchmal das der Anderen. Warum nehmen wir das nicht wahr? Veränderungen erkennen wir am besten in uns selbst, oft nicht einmal das. Es müssen keine großen Dinge sein. Es können Zitate sein, die wir von einem anderen Menschen hören und diese ein ganzes Leben mit uns herumtragen. Sätze vor die wir zu Beginn „XY hat immer gesagt..“ setzten, werden irgendwann zu unseren eigenen. Mir persönlich wird leider erst nach einer gewissen Zeit bewusst, wie sehr mich manche Menschen doch geprägt haben. Ich habe Rituale übernommen, Eigenheiten adaptiert und teilweise sogar meine Vorlieben so weit verändert, dass ich mich in einigen Momenten gar nicht wiedererkenne.

Manchmal reicht eine kleine Tat aus, dass wir uns an einen Menschen ein Leben lang erinnern

Oft sind es Gefühle die ein Mensch in uns weckt, und die ein Leben lang in uns verwurzelt bleiben. Der erste richtige Herzschmerz, das Gefühl beschützt zu werden. Das sind nur Beispiele für Emotionen die ich mit bestimmten Menschen verbinde und die sich dadurch in mein Hirn eingebrannt haben. Leider teilen wir diesen besonderen Personen in unserem Leben viel zu selten mit, was sie in uns ausgelöst haben. Wir sollten uns bei ihnen bedanken. Bedanken bei den Menschen, die uns motiviert haben Dinge zu tun, die wir ohne sie nicht in Angriff genommen hätten. Bedanken für die Lebenserfahrungen, die sie uns beschert haben, seien sie positiv oder negativ. Diese Menschen sollten wissen welchen wichtigen Stellenwert sie in unserem Leben haben. Es kann eine Kleinigkeit sein, die wir nicht vergessen können. Eine Tat reicht manchmal aus, damit wir uns ein Leben lang an einen Menschen erinnern.

Sagt Danke

Ich habe mir vorgenommen viel öfter für solche Kleinigkeiten Danke zu sagen. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht euch bei jemandem zu bedanken, der euch sehr weh getan hat? Was im ersten Moment dämlich erscheint, ist auf den zweiten Blick mehr als sinnvoll. „Denn es wäre nicht so wie es ist, wäre es damals nicht gewesen wie es war…„, schrieb einmal ein Freund, mit dem ich mich sehr verbunden fühle. Und er hatte Recht. Auch wenn wir uns manchmal wünschen einen bestimmten Menschen nie kennengelernt zu haben, hat er uns doch dorthin gebracht, wo wir uns heute befinden. Ihr würdet zum Beispiel diese Worte nicht lesen, wenn mir vor zwei Jahren  mein kleines Herzchen nicht sprichwörtlich in 1000 Teile zerbrochen wäre.

Ein Appell: Denkt darüber nach, wer euch auf eurem Lebensweg beeinflusst und beeindruckt hat. Wer hat etwas in euch verändert? Und dann sagt danke! Am Ende bleibt nicht viel, aber die Gewissheit etwas in anderen Menschen zum Positiven verändert zu haben, ist wunderbar.