Warum ihr dringend eure Smartphonekontaktliste aussortieren solltet

Ist eine Handynummer erstmal in meinem Telefonbuch, kommt sie da so schnell nicht mehr weg. Die meisten Menschen sortieren ihre Telefonkontakte regelmäßig aus, um den Überblick zu behalten. Doch ich lasse das schon seit mehreren Jahren.

Das fehlende Löschen hat allerdings zur Folge, dass vor allem mein Whats App ziemlich überfüllt ist. Meine Smartphonekontaktliste ist so lang, dass ich sogar manchmal das Gefühl habe, eine stetige Erweiterung würde automatisch stattfinden. Auch wenn es die Personen, die dort gespeichert sind, nicht merken, ich bekomme sehr wohl mit, was in ihrem Leben so los ist. Ein Whats App Profilbild sagt schließlich mehr als 1000 Worte. Kommt dazu noch ein aussagekräftiger Status, kann ich uneingeschränkt meiner Stalkingleidenschaft frönen. „Martin, sag mal, ist dein Bruder wieder Single?“, schrieb ich einem Kumpel, mit dessen Bruder ich abgesehen von der gespeicherten Handynummer eigentlich gar nichts zu tun hatte. Nach kurzer Zeit erhielt ich ein verblüfftes: „Woher weißt du das? Das wusste nicht mal ich.“. Tja mein Lieber, manchmal muss man etwas genauer hinschauen. Das Pärchenfoto entfernt, den Herzchenstatus geändert, ist doch wohl eindeutig.

Der Lauf der Zeit, abgebildet in kleinen Bildchen und wenigen Worten

Für mich sind Whats App Profilbilder und Statusmeldungen wie ein Fenster zum Leben meiner „Freunde“. Ich könnte mit der Zeit sogar einen kleinen Lebenslauf erstellen. Vergeben, Single, Glücklich, Traurig, Kind bekommen, geheiratet etc. pp. Alles das lässt sich feststellen. Wenn es mich nur nicht so deprimieren würde. Was soll mich denn bitte an einem blöden Bild und einem Spruch deprimieren, fragt ihr euch? Whats App ist für mich der Inbegriff des an mir vorbeiziehenden Lebens. Der überzeugte Single, den ich noch vor einem Jahr datete, ist plötzlich Vater geworden und trägt einen Ring am Finger. Wo ist nur die Zeit geblieben? Das Traumpaar, welches ich immer beneidet hatte, geht getrennte Wege. Die alte Schulfreundin reist um die ganze Welt und hat anscheinend im Lotto gewonnen….all das sind Dinge, die mich nervös machen. Was mögen sie wohl denken, wenn sie mich ab und zu per Whats App stalken sollten? Die Jule, die hat schon wieder ein neues Partyfoto als Profilbild. Ist das nicht immer die gleiche Freundin da an ihrer Seite? Man wie langweilig. Keine Fotos aus fernen Ländern, kein Ring am Finger und erst recht kein süßes Babylachen erfreut meine Stalker. Vor einigen Jahren reihte ich mich noch ein in die Riege der lustigen Feierbilder, die jede Woche aufs Neue zeigten, wie unbeschwert und sorglos wir unser Leben lebten.

Hinfort mit euch ihr verpixelten Bilderbuchmenschen!

Manchmal glaube ich, es ist eine Art Selbstverletzung, die ich mir zufügen will, wenn ich täglich durch meine Kontaktliste scrolle. Andere ritzen sich kleine Schnitte in den Arm, ich schaue mir Bilder von glücklichen Paaren und süßen Babys an. Mein einziger Lichtblick sind die Kontakte, die weder ihr Bild, noch ihren Status in den letzten Jahren verändert haben. Ihr seid meine Helden! Ihr gebt mir das Gefühl, dass ich nichts verpasst habe. Schaue ich diese Bilder an, bemerke ich nicht, wie viel Zeit doch vergangen ist. Meine beste Freundin hat es richtig gemacht, sie hat ihr Profilbild komplett entfernt. Das blieb natürlich nicht unbemerkt. Bei mir sprangen alle Alarmglocken an und ich musste erst einmal nachhaken, ob bei ihr alles in Ordnung wäre. Nachdem sie mich beruhigt hatte, wurde mir bewusst, welches Ziel sie verfolgte: Weg mit dem Druck, weg mit dem Posieren vor Menschen, mit denen man wahrscheinlich gar nicht mehr spricht. Vielleicht sollte ich mich anschließen? Wenn ich es dazu noch schaffe, mal auszusortieren und alle die Kontakte rauszuschmeißen, von denen ich zwar sehe wie sich ihr Leben entwickelt, aber nicht mehr daran beteiligt bin, kann ich mit guten Gewissen sagen: Macht doch was ihr wollt ihr verpixelten Bilderbuchmenschen.

Ihr könnt eure Tussenfreundinnen behalten! Ich bin nicht instagramgefiltert, nicht Make-Up zugekleistert, nicht geselfiestickt, nicht Germanys Next Topmodel.

Ich hasse soziale Medien! Ich hasse sie wirklich! Manchmal könnte ich meinen Computer einfach so aus dem Fenster feuern. Bei 5 Etagen Fallhöhe, hat er schließlich genug Zeit sich zu überlegen, was er denn falsch gemacht hätte. Mit hoch rotem Kopf starre ich auf das geöffnete Facebookfenster und weiß nicht, ob ich ein psychisches Problem habe, oder einfach nur eine typische Frau bin. Ich stalke. Ich stalke mit Leidenschaft. Vor mir ist keine Person sicher, für die ich mich interessiere. In den letzten Jahren habe ich das Stalken perfektioniert. Namen bei google suchen, da lache ich doch drüber! Ich kenne gefühlt jede kleine hinterste Ecke des Internets, in der sich Informationen finden lassen. Das schützt mich natürlich vor Menschen die vorgeben etwas zu sein, es aber nicht sind. Soweit, so gut. Aber seitdem es Facebook gibt, ist stalken zu einfach geworden. Heute schaue ich mir das Profil eines Menschen an und weiß tendenziell so ziemlich alles, was es zu wissen gibt. Es ist zum kotzen! Nicht weil es mir den Spaß am Durchforsten des Internets nimmt, sondern weil ich eben so sehr viel finden kann.

Kennt ihr das, wenn ihr jemanden interessant findet und dann versucht aus jeder Kleinigkeit etwas zu schließen? Wann war er wo auf welcher Party und warum überhaupt? Wer sind seine Freunde? Und ganz wichtig: wer sind seine Ex-Freundinnen? Habe ich einmal damit angefangen, kann ich nicht mehr aufhören. Aha, mit der war er also im Urlaub und mit der anderen geht er gerne Eis essen. Ich reiße ihr demnächst alle Haare aus! Ups, sorry, manche Gedanken sollten vielleicht doch nicht aufgeschrieben werden. Ich bin kein eifersüchtiger Mensch, aber bei mir führen solche Situationen gerne mal zu Selbstzweifeln. Wenn er normalerweise nur mit solchen Instagram-Models rumhängt, was will er dann mit mir? Ich glaube, man bescheißt sich sehr gerne selbst, wenn es in so einer Situation um die Attraktivitätseinschätzung anderer Menschen geht. Gerade die geschönten Facebookpersönlichkeiten, sehen vermutlich im realen Leben mitnichten so sexy und unwiderstehlich aus, wie ich sie in diesen Momenten wahrnehme. Doch jedes perfekte filtergepushte Selfie nährt die Selbstzweifel in mir. Da kann ich nicht mithalten! Im Vergleich sehe ich ein kleines graues Entchen vor dem Rechner sitzen, welches sich durch die vorhandenen Speckringe kaum mehr fortbewegen kann. Irgendwann wird er das merken und mich gegen so ein möchtegern-Model austauschen. Eigentlich, hab ich da gar keine Chance! Eigentlich, ist das sowieso alles sinnlos. Ich hasse mein Hirn dafür, dass es mir so etwas einredet. Bin ich doch normalerweise das Selbstbewusstsein in Person.

Dass ich toll bin, muss man mir normalerweise nicht noch aufs Brot schmieren. Zumindest nicht so lange, bis ich mich ernsthaft für einen Mann interessiere. Früher, als Facebook noch Quark im Schaufenster war, wusste man wenig über das Objekt der Begierde, und das war gut so! Man hatte keine dummen Selfies im Kopf, zu denen man sich noch eine besonders romantische Randgeschichte ausdachte. Ein Kopfkino, welches wenig Material hat, produziert gottseidank nur kurze Filme. In diesem Sinne kann ich sagen: Danke für nichts liebes Facebook! Wegen dir quälen mich nun Selbstzweifel! Es ist wie eine Sucht, ständig die Profile der möglichen Konkurrenz auszuchecken. Es ist ekelhaft. Es fühlt sich auch ekelhaft an. Doch ich kann es nicht lassen. Es ist ein bisschen wie in „Anleitung zum Unglücklich sein“ von Paul Watzlawick. Ein Mann redet sich so lange ein, dass sein Nachbar ihm sicherlich keinen Hammer leihen würde, bis er fest davon überzeugt ist. Er steht nun vor der Tür des nichtsahnenden Nachbarn von gegenüber und brüllt: „Ich will deinen Hammer nicht! Du kannst deinen verdammten Hammer behalten!“. Also liebe Männer: Ihr könnt eure Tussenfreundinnen behalten! Ich bin nicht instagramgefiltert, nicht Make-Up zugekleistert, nicht geselfiestickt, nicht Germanys Next Topmodel.

Tja liebes Laptop, das hättest du dir überlegen sollen, bevor du mich hast stalken lassen. Nun beschwer dich nicht, dass du nicht besonders gut fliegen kannst.