Beziehungs-Erinnerungen sind Schätze, behandeln wir sie auch so

Viele Menschen klammern sich an Vergangenes und können nicht loslassen. Andere schließen nicht ab, sondern ihre Erinnerungen weg. Warum es einen Mittelweg braucht und wie wichtig frühere Beziehungserfahrungen sind, weiß beziehungsweise-Autorin Jule Blogt

Nicht alle Erinnerungen sind positiv. Besonders wenn es um Beziehungen geht, schleppen wir die ein oder andere Verletzung mit uns herum, die wir am liebsten verschlossen hinter einer dicken Tür aufbewahren würden, um ja nicht in einem ungünstigen Moment mit ihr konfrontiert zu werden. Warum Erinnerungen jedoch Schätze sind, die zum Gelingen unserer Beziehungen beitragen, habe ich für beziehungsweise-Magazin.de aufgeschrieben.

Wie sehr ihr das, sind Erinnerungen an Ex-Partner und Liebschaften für euch wertvoll, oder eher lästig?

Erinnerungen sind Schätze – Wie Nostalgie zu guten Beziehungen beiträgt

Jule bei Deutschlandfunk Nova zum Thema „Alte Bekannte“ – Warum wir uns an Hollywood erinnern, obwohl wir GZSZ erlebten

Ab Minute 3 erzähle ich euch in der Sendung „Ab 21“ auf Deutschlandfunk Nova etwas über „Alte Bekannte“, besser gesagt über die Nostalgie, die aufkommt, wenn man sich an ganz besondere Momente mit Ex-Partnern erinnert. Warum erinnern wir uns so gerne an Hollywood, obwohl wir eher GZSZ erlebten? Ich spreche im Studio mit Moderator Dominik Schottner über einen meiner Hollywood-Momente, der, wenn ich etwas genauer darüber nachdenke, ein wenig seinen Glanz verliert.

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/alte-bekannte

Zurück zum Ex? Beziehungs-Nostalgie ist eine Falle unseres Gehirns

Früher war alles besser. Diese vier Worte verwenden wir gerne, wenn wir uns an unsere Vergangenheit erinnern. Die Bananen waren billiger, das Wetter schöner und die Nutella schmeckte noch so, wie sie schmecken sollte. Dieses warme Gefühl, was sich einstellt, während wir in Erinnerungen schwelgen, wird auch als Nostalgie bezeichnet. Ein ähnliches Gefühl kann sich einstellen, wenn wir an vergangene Liebschaften denken. Waren die damaligen gemeinsamen Abende nicht viel romantischer, die Küsse intensiver und die Schmetterlinge im Bauch wilder? Je öfter man sich diese Frage stellt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende eine gewisse Wehmut entsteht. Wehmut darüber, dass man eine Beziehung oder Liebschaft hat gehen lassen, die doch so perfekt und einzigartig schien.

Beziehungs-Nostalgie ist eine Falle!

In die Falle der Beziehungs-Nostalgie bin ich nicht nur einmal getappt. Gerade in jungen Jahren trauerte ich Männern hinterher, die mich weder ebenbürtig, noch liebevoll behandelt hatten. Wie konnte das passieren? Unser Gehirn hat mit seinem Nostalgie-Programm eigentlich etwas wunderbares geschaffen. Es sorgt dafür, dass wir schlimme Erfahrungen vergessen und die Emotionen intensiver erinnern, die wir als positiv wahrnahmen. Aus diesem Grund empfinden die meisten von uns ihre Kindheit als so sorgenfrei. Wir vergessen für uns unangenehme Momente oder kompensieren sie mit der Überhöhung der schönen Erlebnisse. Das Nostalgie-Programm sorgt dafür, dass wir trotz negativer Ereignisse glücklich sein können. Leider trägt genau diese tolle Vorkehrung unseres Gehirns dazu bei, dass Beziehungen auseinandergehen, weil sich ein Partner zu sehr in die Vergangenheit vernarrt hat.

Meine romantisieren Erinnerungen waren eine Lüge

Ich erwische mich selbst dabei, wie ich mich in einsamen Momenten an die romantischsten Stunden meiner Liebes-Vergangenheit erinnere. Das winterliche Picknick, welches ein damaliges Date für mich vorbereitet hatte. Der eine Kuss, der mich im Scheinwerferlicht vor historischer Kulisse fast umhaute. Beides waren in meiner Erinnerung Gefühlsexplosionen, wie ich sie gerne täglich erleben würde. Was mache ich falsch, dass ich diese Emotionen nicht wiederholen kann? Wie oft habe ich versucht diesen einen besonderen Kuss nachzustellen. Egal mit wem ich es die Situation wiederholte, es wirkte nur wie ein Abklatsch des Momentes, an dem ich mich der Glückseligkeit so nah fühlte. Ich brauchte einige Jahre, bis ich bemerkte, dass ich mich die ganze Zeit selbst belog.

Je mehr Realität sich einschlich, desto flüchtiger war mein Nostalgie-Gefühl

Ich begann meine Erinnerungen zu hinterfragen und abseits der positiven Emotionen nach Einzelheiten zu suchen, die diesen Momenten wieder etwas Realität einhauchen würden. Ich wurde tatsächlich fündig. Das romantische Winter-Picknick? Führte zu einer ziemlich unangenehmen Blasenentzündung, da der gereichte Sekt meine Wahrnehmung der Außentemperatur verschob. Außerdem war im Picknickkorb nichts nach meinem Geschmack enthalten, sieht man von Alkohol und Brot ab. Auch der perfekte Kuss vor historischer Kulisse entpuppte sich als die notwendige Lösung, um ein unangenehmes Gespräch zu beenden. Je mehr Realität sich einschlich, desto flüchtiger war mein Nostalgie-Gefühl. Ich begann das Erlebte so zu sehen, wie es wirklich war. Wenig zauberhaft und alles andere als romantisch. Mein Hirn spielte mir Hollywood vor, obwohl ich nur GZSZ erlebte.

Viele Menschen sind sich der Macht des Nostalgie-Gefühls nicht bewusst. Sie hinterfragen nicht, woher der ständige Verdacht kommt, die großen Emotionen, nach denen sie suchen, nur bei vergangenen Liebschaften zu finden. So ist es nicht verwunderlich, dass die meisten „zurück zum Ex-Beziehungskisten“ ein jähes Ende finden, sobald das Nostalgie-Gefühl durch die Realität ersetzt wird.

Unser Hirn verklärt die Vergangenheit, darüber sollten wir uns bewusst werden. Das was war, fand sein Ende aus Gründen, auch wenn uns diese, je mehr Zeit ins Land geht, immer unwichtiger erscheinen.

Früher war alles besser – Ein Besuch in meinem alten Studentenclub

Es ist über 10 Jahr her, dass ich zum ersten Mal durch diese Türen trat. Genauer gesagt war ich gerade einmal süße 16, als ich den Reiz des Studentenclubs erkannte. Damals interessierte es niemanden, dass meine Freundin und ich weder studierten, noch alt genug waren, um Hochprozentiges zu uns zu nehmen. Ob sich das gleiche Gefühl wie damals einstellen würde?

Wie sehr habe ich es genossen das Küken des Clubs zu sein. Damit uns auch ja niemand auf die Schliche kommen konnte, hatten wir uns einen ausgefeilten Lebenslauf kreiert, mit dem wir jegliche Altersbedenken aus dem Weg räumten. Geschichte und Informatik als Studienfächer anzugeben war ideal, da fragte niemand nach. Die Nächte, die wir in unserem Studentenclub verbrachten, waren magisch. Wie Barney Stinson aus HIMYM sagen würde, sie waren legen….warte es kommt gleich…där. Wir tanzten bis die Wolken wieder lila waren, um anschließend komatös die morgendliche erste Stunde Mathe zu besuchen. Fernab von gleichaltrigen Langweilern gingen wir im vermeintlichen Studentenleben auf.

Kleine Hipster-Mädels im H&M-Instagram-Style

Es ist sicherlich 3 Jahre her, dass ich das letzte Mal eine dieser legendären Donnerstags-Partys besuchte. Inzwischen zähle ich altersmäßig schon zu den “Langzeitstudenten”. Nun sollte es wieder soweit sein, Freitag Urlaub beantragt und Donnerstagabend pünktlich 21 Uhr an die Einlass-Schlange des Clubs gestellt. Als ich die Tür zum Partyglück durchschritt, erhoffte ich mir das Gefühl wieder zu spüren, welches ich aus meinen Jugendtagen kannte. Dieses: An morgen denken wir nicht, denn heute kann alles passieren. Doch irgendetwas war anders. Ich fühlte mich fehl am Platz. An mir vorbei zogen angetrunkene Kinder, bei deren Anblick mir direkt ein “Wissen ihre Eltern eigentlich, dass sie hier sind? Dürfen die überhaupt schon trinken?” in den Kopf schoss. Kleine Hipster-Mädels, die in ihrem H&M-Instagram-Style alle gleich aussahen, schauten mich an, als wäre gerade die Polizei aufgetaucht. Vermutlich konnten sie regelrecht riechen, dass ich hier einfach nicht hingehörte. “Komm, lass uns erstmal ein bisschen tanzen.” motivierte mich meine Freundin, die trotz der angespannten Stimmung das Beste aus der Situation machen wollte.

Früher war doch alles besser

Auf der Tanzfläche angekommen, fühlte ich mich wie kurz vor dem Rentenalter. Die Musik die der DJ spielte, hatte ich noch nicht einmal im Radio gehört. Und überhaupt, mit Musik hatte dieses Gedudel nur wenig zu tun. Waren wir früher die ersten, die die Tanzfläche unsicher machten, standen wir heute daneben wie diejenigen, die wir damals belächelten. Kopfschüttelnd zogen wir an die Bar, um uns auf diesen Schreck erst einmal ein kühles Blondes zu genehmigen. “Die Musik war damals aber besser.”, erinnerte ich meine Freundin, der die Enttäuschung deutlich anzusehen war. Während wir das wilde Treiben im Club beobachteten, stieg in mir eine gewisse Nostalgie auf. An jeder Ecke des Ladens waren Erinnerungen verborgen. “Weißt du noch, als wir an dem einen Abend die Tür hinter uns abgeschlossen haben, weil wir die letzten waren? Und weißt du noch, wie du damals mit dem Partyfotografen geflirtet hast, nur damit er besonders viele Bilder von uns macht?”. Während ich diese Worte aussprach, wurde ich zum gefühlt 100. Mal von betrunkenen Mädchen angerempelt. Wir wurden gar nicht mehr wahrgenommen. Waren wir früher schon fast Inventar, was von jedem Gast mit einem Lächeln begrüßt wurde, standen wir heute nur im Weg.

Nie wieder Donnerstagsparty im Stundentenclub!

Ich wollte nur noch eins: hier weg. Die Erinnerungen, die ich mit diesem Club verband, sollten nicht durch dieses respektlose Jungvolk zerstört werden, das Gottseidank gar nicht weiß, dass früher mal alles besser war. Es war kurz vor 0 Uhr, als wir den Laden verließen. “Dass wir hier vor Mitternacht rausgehen, bevor die Party vorbei ist, bevor es hell wird, und nicht einmal betrunken sind, heißt wohl, dass wir langsam alt werden.”, beklagte meine müde Freundin, während wir uns nach unserem kuscheligen Bett sehnten. Wir haben uns geschworen unseren alten Studentenclub nie wieder an einem Donnerstagabend zu betreten. Wir überlassen das Feld nun denjenigen, die gerade die Welt entdecken. Aber eines weiß ich sicher, so ganz los wird uns unser ehemaliger Lieblingsclub nicht, denn bald ist wieder Ü25 Party. Dann heißt es nostalgisch werden, in Erinnerungen schwelgen und alte Zeiten aufleben lassen. Das sogar bei guter Musik.

Nostalgie…tut das gut?

Seitdem ich ernsthaft das Gefühl habe alt zu werden, schleicht sich eine gewisse Nostalgie bei mir ein. Das beginnt bei dem vermehrten Hören von 90er Musik, anschauen von alten Kinderserien und hört damit auf, dass ich meine alten Profile im Internet aufsuche.

Heute habe ich mich mal an mein altes studivz Profil gewagt. Angefangen habe ich dort 2007…also doch schon ein Stückchen her. Ich habe mir dort sehr viel durchgelesen, vor allem alte Nachrichten. Das hätte ich lieber nicht tun sollen…da kommt einiges hoch was ich eigentlich vergessen wollte. Für manche Dinge habe ich sogar jetzt noch ein schlechtes Gewissen. Damals habe ich in einer anderen Stadt studiert und mein damaliger Freund war in meiner Heimtstadt. Natürlich ist so ein Studentenleben nicht ganz unaufregend und ich habe es gut ausgekostet :/

Da tut es mir heute noch weh lesen zu müssen wie mein Freund damals mitbekommen hat was bei mir so abgelaufen ist…gruseliges Gefühl! Man fühlt sich zurückversetzt in das alte ICH. Natürlich hat man sich weiterentwickelt, aber ein Teil des alten ICHs ist ja trotzdem noch vorhanden.

Ich muss jetzt erstmal versuchen aus dieser Stimmung wieder rauszukommen, ansonsten wird das ein sehr deprimierender Tag.

Nostalgie gut und schön, aber zu viel ist auch nicht gut!

 

Jule