#EGOLAND von Michael Nast – Eine Kritik

„Wenn ein Roman nicht unterhält, ist er für den Leser wertlos.“ – Werner Meyerhöfer.

431 Seiten liegen vor mir, 431 Seiten des Autors, den ich seit Jahren so zu schätzen weiß, der seit seinem Buch „Ist das Liebe, oder kann das weg?“ zu meinen Vorbildern zählt. 431 Seiten Michael Nast. Nast träumte schon lange davon, einen eigenen Roman zu verfassen. Seine erfolgreiche Kolumnensammlung „Generation Beziehungsunfähig“ kam ihm dazwischen, wie er es in seinem neuen Werk #EGOLAND beschreibt.

Einen Roman schreiben – Kann Nast das? Diese Frage stellte ich mir, seitdem ich von seinen Plänen wusste. Ich wartete sehnsüchtig auf ein Buch, welches mir mein typisches Nast-Gefühl vermitteln würde. Die Nachdenklichkeit, die durch verständnisvolles Nicken und das ein oder andere Lächeln unterbrochen wurde.

Die Charaktere in #EGOLAND auseinanderzuhalten fällt schwer

#EGOLAND erzählt die Entwicklung verschiedener Charaktere, deren Geschichten Nast nach und nach miteinander in Verbindung bringt. Andreas Landwehr, Hauptfigur und Klammer um alle erzählten Geschichten, hat sich umgebracht. Welche perfiden Machenschaften ihn dazu brachten, beschreibt Nast aus der Erzählerperspektive. Viele Dialoge sorgen dafür, dass das Geschehen nachvollziehbar wird. Nast versucht die Handlungen der einzelnen Protagonisten detailliert zu beschreiben und ihre Gefühle authentisch darzustellen. Jedoch sind diese Versuche nicht immer von Erfolg gekrönt. Über lange Strecken des Buches fiel es mir schwer, die einzelnen Charaktere auseinanderzuhalten. Ich erkannte in allen Protagonisten, in allen Geschichten die sie erlebten, vor allem eins: Nast.

Nast ist alles, alles ist Nast

Vielleicht habe ich mich in den vergangenen Jahren zu sehr mit der Person Michael Nast auseinandergesetzt, als dass ich unvoreingenommen an seinen Roman #EGOLAND herangehen konnte. Die meisten seiner Texte hatte ich so oft inhaliert, dass ich glaubte zu wissen, welcher Mensch sich dahinter verbergen würde. Und genau diesen Menschen fand ich in #EGOLAND. Aufgeteilt in die unterschiedlichen Charaktere, so als hätte Nast die verschiedenen Teile seiner Persönlichkeit aufgeteilt, ihnen Namen gegeben und sie miteinander interagieren lassen. Andreas Landwehr, der Autor, der durch seinen Erfolg und seine Selbstbezogenheit glaubt, Menschen wie Marionetten lenken zu können. Christoph, der relativ gesichtslos von einem Gefühlsdilemma ins nächste tappt. Julia und Leonie, die mit klischeehafter Naivität ausgestattet, die weiblichen Kontraparte bilden. Von allen diesen Charakteren bildete sich kein schlüssiges Bild in meinem Kopf, wie ich es von anderen Romanen kenne. Eher wirkten sie auf mich wie Abziehbildchen zugezogener Berliner, die im Vorabendprogramm auf RTL 2 durch ihr dramabelastetes Leben begleitet werden.

„Eine Aneinanderreihung unerträglicher Plattitüden, Allgemeinplätze und Floskeln. Es erinnerte an die Szenen eines drittklassigen, schlecht synchronisierten Liebesfilms, an schlecht gespielte Emotionen, eine fade Kopie. Leere Worthülsen, die Julia, und das war die wirkliche Tragik ihrer Unterhaltung, ernst gemeint hatte.“

Mein Lichtblick in #EGOLAND Charakter Werner Meyerhöfer

Michael Nasts #EGOLAND wirkt wie das Drehbuch einer Soap, das nach einer Kinoleinwand schreit. Es schreit danach, dass die, aus meiner Sicht für ein Buch sehr wichtigen, Kleinigkeiten wie Umgebung, Gefühle, Besonderheiten, abgebildet werden. Denn im Roman an sich, finden sie leider wenig Platz. Die Erwähnung jeder nur erdenklichen Berliner Hipster-Location, macht es nicht besser. Würde Nast an jeder Namensnennung von Bars, Clubs oder Cafés eine Provision verdienen, wäre er vermutlich auf einen erfolgreichen Verkauf von #EGOLAND nicht mehr angewiesen.

Der einzige Charakter, der mich in #EGOLAND faszinierte, war der Journalist Werner Meyerhöfer. Er bereichert #EGOLAND mit klugen Zitaten und sorgte für das ein oder andere Schmunzeln, welches ich mir während des Lesens so erhofft hatte. Werner Meyerhöfer war mein Hoffnungsschimmer in Nasts Roman, in dem fast alle männlichen Protagonisten, für Berlin übrigens eher untypisch, Jackett tragen.

Berlin untypisch sind überraschenderweise auch die Lebenswirklichkeiten der Hauptfiguren. Sie arbeiten in Werbeagenturen, sind Künstler und feiern Abends in den angesagten Clubs der Stadt. So mag Berlin aussehen, von ganz weit weg betrachtet. Zu eingeschränkt ist die betrachtete Szene, als dass sie für die komplexe Gesamtheit dieser Stadt stehen könnte.

Nasts #EGOLAND ließ mich, wie seine Protagonisten, zur Flasche greifen

Erhofft hatte ich mir bei der Lektüre von #EGOLAND, dass sich ein bestimmtes Gefühl einstellt. Eine Nachdenklichkeit, die sich irgendwann zu einer Erkenntnis entwickeln würde, so wie es die früheren Werke Nasts schafften. Das was ich bekam, war ein unbändiger Durst auf Gin Tonic und Rotwein. Geht man davon aus, dass die Protagonisten in #EGOLAND keine geübten Trinker sind, hat Nast die ein oder andere Alkoholvergiftung verschwiegen. Nüchtern war während der beschriebenen Handlung fast niemand. Leider half mir die halbe Flasche Rotwein, die ich nach Auslesen der ersten Kapitel von #EGOLAND zur Hand nahm nicht, in den gewünschten Nast-Gefühlszustand zu kommen. Sie intensivierte nur die latent missmutige Stimmung, die sich Seite für Seite in mir aufbaute. #EGOLAND machte mich unterschwellig traurig. In manchen Szenen hatte ich das Gefühl, nachvollziehen zu können, welche dumpfe Unzufriedenheit die Charaktere in #EGOLAND erfüllte.

#EGOLAND – Alles gut?

Diese dumpfe Unzufriedenheit blieb, auch als ich die letzten Kapitel ausgelesen hatte. Keine positive Nachdenklichkeit, keine Erkenntnis, kein bekanntes Nast-Gefühl. Fragte mich jemand, wie es mir ging, nachdem ich den Buchdeckel schloss, ich hätte mit einem anteilnahmslosen „Alles gut.“ geantwortet. Das wäre der passendere Romantitel gewesen. Im gleichnamigen Epilog blitzt es nämlich doch hervor, das Nast-Gefühl. Seine Aneinanderreihung von Beobachtungen, die wiedergeben, was meine, und auch viele andere Generationen bewegt, lässt mich nicken. Da ist er wieder, „mein“ Michael, mein Michael Nast, wie ich ihn gerne lese. Ganz er selbst.

 

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