Sorry, ich bin nur mittelerfolgreich – runter von der Karriereleiter

Hopp, Hopp hoch die Karriereleiter. Schon zu Schulzeiten wurde mir regelmäßig eingetrichtert, dass es nur einen Weg geben kann: nach oben. Stufe für Stufe müsse man sie erklimmen, die Leiter des Erfolgs. Man würde schließlich mit jedem Schritt ein bisschen glücklicher werden. Oder?

Sie verfügen über ein überdurchschnittlich abgeschlossenes Studium und können mindestens 5 Jahre Berufserfahrung vorweisen.” – diese Sätze sind es, die mich frustrieren. Regelmäßig durchforste ich Stellenportale, um jobtechnisch auf dem Laufenden zu bleiben. Eigentlich kann ich mich nicht beschweren, 40 Wochenstunden meiner Zeit verbringe ich in einem warmen, trockenen Büro und werde dafür auch noch gut bezahlt. Mit dem Job ist es jedoch wie mit der modernen Partnersuche: Irgendwo da draußen ist bestimmt noch jemand, der besser passt. Und so scrolle ich durch diverse Stellenportale, nur um sicher zu gehen, meinen Traumjob nicht zu übersehen.

Mittelmäßig erfolgreich

Ich könnte Contentmanagerin werden, bei einem großen Internetportal zum Beispiel. Ich könnte bald Social Media Beraterin sein und den Firmen endlich mal zeigen, welchen Murks sie teilweise verbreiten. Doch so schnell sich diese vermeintlichen Traumjobs in meinem Hirn festgesetzt haben, so krachend werden meine Zukunftsvorstellungen mit der Abrissbirne eingerissen. Ich erfülle die Anforderungen nicht. Weder habe ich ein überdurchschnittlich erfolgreiches Studium abgeschlossen, noch kann ich jahrelange Berufserfahrung in den gewünschten Gebieten vorweisen. Trotzdem ich arbeite seitdem ich 18 Jahre alt bin (Nebenjobs mal ausgenommen), bin ich gerade einmal mittelerfolgreich.

Der ideale Einstieg in den Strudel des immer weiter wachsenden Erfolgs

Mittelerfolgreich, das klingt wie “Ottonormalverbraucher”, irgendwie verlierermäßig. Dabei hatte ich alle Chancen dieser Welt. Ein gutes Abitur, eine mit Auszeichnung abgeschlossene Ausbildung, eigentlich der ideale Einstieg in den Strudel des immer weiter wachsenden Erfolgs. Doch während mein Umfeld langsam immer längere Berufsbezeichnungen auf die Visitenkarten drucken lässt, mache ich mir Gedanken, ob ich zum Abendbrot lieber Nudeln oder Kartoffeln essen will. “Bachelor of X”, “Master of Y”, manchmal sogar “Dr. der Z”, orientiere ich mich an meinem Umfeld, scheinen dort fast alle etwas “besseres” zu sein. Sie haben die Uni-Bank gedrückt, während ich mir mit meinem Angestelltengehalt schon den ein oder anderen Urlaub gönnen konnte. Damals habe ich mich nie gefragt, ob ich etwas falsch gemacht haben könnte. Schließlich mache ich meinen Job gut, auch wenn er mich vielleicht ein wenig unterfordert. Während andere von Flughafen zu Flughafen hetzen, auch nach Feierabend noch Zahlen wälzen, sinniere ich über die Liebe. Würde mir die Gesellschaft nicht ständig eintrichtern wollen, dass ich hätte besser ausgebildet sein sollen, mehr Auslandserfahrung haben müssen und nebenbei auch noch viele erfahrungsbringende Freizeitaktivitäten ausüben sollte, ich wäre eigentlich ganz zufrieden mit meiner Situation. 

Karriereleiter? Sorry, ich hab Höhenangst

Ich habe mich eingerichtet in meiner Mittelmäßigkeit. Das mag ein schlechtes Licht auf mich werfen, streben heute fast alle Menschen nach dem großen Erfolg und der steilen Karriereleiter. Leider habe ich Höhenangst. Ich dümple auf den unteren Stufen herum und überlege sogar, einen Schritt zurück zu machen. Mal die Arbeitszeit reduzieren oder einen Job machen, der weniger gut bezahlt ist. Ja warum denn nicht? Wer definiert schon “Erfolg”? “Erfolg” definiere ich am Ende für mich selbst. Für mich kann es ein Erfolg sein, zum Feierabend an meinem geliebten Eisladen vorbeizugehen, ohne der Versuchung zu verfallen, zwei Kugeln zu bestellen. Für Erfolg muss es nicht der Manager-Job sein, um den mich viele beneiden würden. Vielleicht bin ich sogar zu höheren Positionen fähig, wer weiß das schon. Aber will ich sie? Nein. Eigentlich bin ich ganz froh gegen 17 Uhr das Büro zu verlassen, etwas leckeres zu kochen und dann auf der Couch zu liegen, während meine Lieblingsserie läuft. Können die Karrieremenschen da draußen doch rennen, bis sie aus der Puste sind. Ich mache es mir bis dahin auf der Karriereleiter gemütlich, schaue weder nach unten, noch nach oben. Ich habe mich eingerichtet in meiner Mittelmäßigkeit.

Verpasste Chancen – Bereuen oder lernen damit umzugehen?

Mit jedem Jahr, welches wir auf dieser Erde verbringen, wächst nicht nur die Anzahl der grauen Haare, Falten oder Narben, sondern auch die Zahl der verpassten Chancen. Denke ich an die Chancen, die sich mir bis jetzt im Leben boten, bekomme ich ein komisches Bauchgefühl. Habe ich mich richtig entschieden? War der Weg den ich ging nicht nur einfach „das kleinere Übel“? Wir stehen so oft im Leben vor Entscheidungen, die alles verändern können. Sei es die Wahl eines Studiums oder einer Ausbildung, die Wahl eines Jobs oder die Entscheidung ein Kind zu bekommen. Besonders tiefgreifend ist die Wahl eines Partners. Er begleitet unser Leben und hinterlässt Spuren, die uns unser Leben lang prägen. Genau darum fällt den Menschen die Partnerwahl immer schwerer. Wir sehen die vielen Möglichkeiten, die wir in unserer modernen Gesellschaft haben. Ständig wird uns vor Augen geführt: Da gibt es noch eine bessere Option! Und so stehen wir an den Kreuzungen des Lebens, doch wissen nicht in welche Richtung unser Weg uns führen soll. Gehen wir einen Schritt nach links, könnte der Schritt nach rechts der eigentlich richtige gewesen sein. Aber auch das vermuten wir nur. Vielleicht wäre uns in einem Paralleluniversum, in dem wir nach rechts gegangen sind, schnell klar geworden, dass links doch die bessere Wahl gewesen wäre.

Die Möglichkeit sich entscheiden zu können ist ein Privileg, aber zugleich eine Qual. Gerade in meinem Alter, streng auf die 30 zugehend, könnte ein Schritt zurück, ein Schritt zu viel sein. Nehmen wir zum Beispiel das Berufsleben. Auch wenn der anfangs so spannend anmutende neue Job sich als langweilige Fließbandarbeit herausstellt, fällt der Schritt zurück schwer. Haben wir doch schon etwas aufgebaut, uns irgendwie eingerichtet. Sei der Job auch noch so eintönig, wir haben es uns in ihm bequem gemacht. Ein Schritt zurück zu gehen, bedeutet Risiko. Was, wenn der langweilige Job doch irgendwann zum Traumjob mutiert? Was, wenn der Folgejob noch eintöniger wäre? Meiner Generation hat man beigebracht, dass wir immer eine Wahl hätten. Wir hätten immer die Möglichkeit, alles zu erreichen. Wir hätten immer die Möglichkeit, auch später noch einmal den Weg zu ändern und unser Glück zu finden. Doch wer sagt uns, dass uns ein anderer Weg glücklicher machen würde? Lohnt es das Risiko einzugehen und gewohnte Pfade zu verlassen?

Ein Bekannter von mir war über längeren Zeitraum arbeitslos. Trotz eines guten Studiums, hatte er seinen Weg auf dem Arbeitsmarkt nicht richtig gefunden. Vor knapp einem Jahr fand er nun einen nach außen hin sehr spannenden und fordernden Job. Ich dachte, er wäre angekommen und würde nun ein „normales“ Erwerbsleben starten. Doch weit gefehlt! So erfuhr ich, dass er direkt nach einem Jahr kündigte. Ohne Folgejob. Das ist mal ein Statement! „Es hat einfach nicht gepasst.“, hieß es. Kommt euch das genauso bekannt vor wie mir? Richtig, diese Aussage kenne ich nur allzu gut, wenn es um die Liebe geht. Mein Bekannter hatte anscheinend nicht das gefunden, was er davor so lange gesucht hatte. Und er hatte den Mut, sich das einzugestehen. Respekt! Könnte jeder so viel Mut aufbringen und das eigene Leben auf den Kopf stellen? Ich für meinen Teil bin da etwas vorsichtiger. Bei mir braucht es schon eine große Motivation, um von bekannten Pfaden abzuweichen. Bestimmt ein Jahr habe ich damals gebraucht, um mich aus meiner Beziehung zu lösen und eine neue Route einzuschlagen. Vermutlich wäre ich heute noch mit meinem Ex zusammen, wenn ich auf mein Hirn gehört hätte. Gottseidank verfügt der Mensch nicht nur über ein Gehirn, sondern auch über Gefühle, die sich kaum steuern lassen. Sie machen einfach das, wonach ihnen ist. Manchmal ist einem das gar nicht bewusst, so lange bis es irgendwann einfach aus einem herausbricht. Kennt ihr das, dass man vom einen auf den anderen Moment sagt:“ Ich kündige!“? Dieses Gefühl wird plötzlich so stark, dass man es nicht mehr unterdrücken kann. Dahinter steckt so viel Energie, als hätte sich der Körper schon lange darauf vorbereitet, einen Speicher angelegt und so lange gewartet, bis der passende Moment gekommen war. Das Fass läuft plötzlich über. Alles, was einem vorher nur vage bewusst war, wird auf einmal klar und deutlich.

Doch das ist der Nachteil, an diesen versteckten Gefühlen: Sind sie noch klein und unscheinbar, beirren sie unsere Entscheidungsfähigkeit nicht. Wir gehen munter den Weg entlang, den unser Gehirn für uns konstruiert hat. Immer schön logisch ein Bein vor das Andere, bloß nicht im Kreis drehen und immer mit angemessener Geschwindigkeit voranschreiten. Schön bequem ist das! Ein bisschen so, als würde man Bowling auf der Kinderbahn spielen. Anstatt die Möglichkeit und das Risiko zu haben, die Kugel in die Abgründe der Bahn zu versenken, doch gegen ein Sicherheitsband zu stoßen und dadurch nie ohne Punkte aus dem Spiel zu gehen. Langweilig! Langweilig, aber sicher. Stehen wir nun an einer Weggabelung, finden wir auf der einen Seite den sicheren, ausgepolsterten, schon leicht vorgetrampelten Weg. Die andere Seite jedoch, stellt eine Chance dar. Sie ist in Nebel gehüllt und nur vage erkennbar.

Befinde ich mich in so einer Situation, würde ich am liebsten einen kleinen Schritt in den Nebel machen um zu schauen, ob ich zumindest ein paar Umrisse erkennen könnte. Doch diese Möglichkeit bietet sich mir nicht. Eine „halbe“ Entscheidung, kann man nicht treffen. Man kann eine Alternativroute suchen, diese ist aber meist sehr nah am gepolsterten Pfad. Einfach mal mit einem Sprung ins Ungewisse die eigenen Grenzen austesten, das wär‘s! Ohne Rücksicht auf Verluste die Chance erkennen und nutzen. Doch Moment, da meldet sich wieder das Gehirn! Was, wenn hinter dem Nebel ein Abgrund lauert? Was, wenn das Ganze eine Falle war und unser Leben zerstört? Was, wenn nichts mehr so sein wird, wie es vorher war? Das Risiko ist hoch! Darum verlassen die wenigsten Menschen heutzutage ihren bequemen Weg, auch wenn er eintönig und langweilig erscheint. Vielleicht ist „ganz okay“ einfach besser als das Risiko einzugehen? Müssen wir uns mit „ganz okay“ abfinden, oder sollten wir immer nach Perfektion streben? Ist es Ziel des Lebens, die Extreme zu testen, oder sind nur die altbekannten Pfade, die Richtigen? Eine abschließende Antwort zu finden ist schwer, wenn nicht sogar unmöglich. Denn wir werden nie wissen, was uns im Nebel erwartet hätte. Wir werden nie wissen, wie unser Leben gelaufen wäre, wenn wir andere Wege eingeschlagen hätten. Es ist eine Herausforderung des älter werden, dies zu akzeptieren, sich darüber klar zu sein, dass man den Lebensweg bewusst so gegangen ist und sich nicht ohne Grund gegen die ein oder andere Chance entschieden hat.

Slave to the Rhythm

Guten Morgen!

Gestern hatte ich endlich meinen Tattootermin, auf den ich mich schon so lang gefreut habe. Komischerweise war ich überhaupt nicht aufgeregt, sondern ziemlich entspannt. Der Tätowierer ist einfach so unglaublich sympatisch, da blieb mir kaum etwas anderes übrig 🙂

Nach den Vorbereitungen ging es dann auch los. Ein wenig Angst hatte ich schon vor den Schmerzen, allerdings verflog das sehr schnell als er endlich loslegte. Da hatte ich schon schlimmere Schmerzen wenn mich meine Mietzekatze erwischt hat. Allerdings wurde es zum Ende hin noch ganz schön doll, da er auf die gereizten Stellen dann noch weiße Akzente setzte, da hieß es Zähne zusammenbeißen. Es war aber nichts, was man nicht gut aushalten konnte. Insgesamt hat es knapp 3h gedauert. Danach ging es mir richtig gut, ich war stolz auf mich selbst und ich habe damit einen Lebensabschnitt auch physisch abgeschlossen, der Schmerz hat da gut beigetragen.

Abends telefonierte ich dann noch mit meinem tinder-Kerl und wurde fast wahnsinnig vor Sehnsucht :/ Die aktuelle Situation geht mir schon an die Nieren. Normalerweise stehe ich mit meiner Verliebtheit alleine da, da sich die Männer nicht wirklich äußern oder nicht genauso fühlen. Aber diesmal höre ich so Sätze wie: „Glaub mal nicht, dass ich dich nicht jetzt schon vermisse.“ Klar freut mich das, aber das macht die Sehnsucht nicht weniger. Wenn es nach den aktuellen Möglichkeiten geht, sehen wir uns erst in 3 Wochen wieder. Ich wär allerdings nicht ich, wenn ich nicht den halben Tag darüber nachdenken würde, wie ich es vorher zu ihm schaffe.

Aktuell stehen die Chancen, dass wir uns demnächst öfter sehen, sogar gar nicht allzu schlecht. Ich habe beruflich gerade die Situation, dass ich mehr oder weniger den Job wechseln will/muss. Laut meinem Chef kann ich nur richtig was reißen beruflich, wenn ich mich gen Westen/Süden bewege. Dass in letzter Zeit öfter der Wohnort meines tinder-Kerls fällt, lässt mich schon aufhorchen. Sollte sich dort mein Traumjob auftun, wieso sollte ich das ausschlagen?

 

Jule