Z2X17 – Das Festival der Visionäre

Heute möchte ich bitte mit niemandem mehr sprechen! Ein mit diesem Satz beschriftetes Schild hätte ich mir gerne um den Hals gehangen, während ich hundemüde die Zugfahrt nach Hause antrat. Ganze 7 1/2 Stunden ist es her, dass ich erwartungsvoll mit 799 anderen Visionären applaudierend den Beginn des Z2X17 Festivals begrüßte. 800 20-Somethings sind am 02.09.17 zusammengekommen, um in Vorträgen und Workshops Ideen für eine bessere Welt zu entwickeln. Der Organisator, die ZEIT,  hatte geladen und ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.

Lasst uns über Politik reden und die Welt verändern

Ich hatte vorher schon geahnt, dass die Menschen, die ich dort antreffen würde, zu einer für mich eher anstrengenden Spezies gehören. Hipster, Weltverbesserer und „ich mach was mit Medien“- Leute, typisch Berlin also. Umso überraschter war ich, als ich gleich zu Beginn, aus meiner Sicht, „normale“ Menschen traf. Ein großer Pluspunkt dieses Festivals ist die Offenheit der Teilnehmer. Alleine blieb man hier nicht lang, Kontakte wurden sofort geknüpft. So fanden sich innerhalb von Minuten viele kleine Grüppchen zusammen, die sich sogleich „beschnupperten“. Dem motivierten Publikum geschuldet, ging es in den Gesprächen hoch her. Normale Smalltalk-Themen, wie das Wetter, waren out. Morgens um 9 Uhr wurde sich lieber über Politik und die Rettung der Welt verständigt. Es wurde schnell klar, dass hier wirklich Visionäre am Start waren. Ich als Z2X17- „Rentner“, konnte manche Ideen leider nur belächeln.

Videodreh mit dem Smartphone? Ein Kinderspiel!

Da das Z2X17 Festival nur für 2X-Jährige veranstaltet wird, fliegen in den Köpfen mancher Teilnehmer noch so einige Seifenblasen herum. Trotzdem ist es bemerkenswert, wie viel Energie in gemeinnützige Projekte und Ideen investiert wird. Während des Festivals, welches sich über den 02.09. und 03.09. erstreckt, finden um die 100 Workshops, Vorträge und „Frag mich alles“-Sessions statt. Da ist für jeden etwas dabei. Ich entschied mich nach der gemeinsamen Begrüßung und den Blitzvorträgen (über einen dieser Vorträge werde ich noch ausführlicher berichten) für einen Workshop zum Thema „Wir drehen Videos und alles, was du brauchst, ist dein Smartphone“ mit Anton Knoblach. In einer der coolsten Workshoplocations überhaupt, dem Culture Container (eine kleine Bar mit Bühne), ging es um die Möglichkeiten, mit denen sogar ein Smartphone zur professionellen Videoproduktion genutzt werden kann.  In den zwei Workshopstunden habe ich so einiges gelernt, ihr könnt also guter Hoffnung sein, dass meine Videos demnächst nicht mehr ganz so unprofessionell daherkommen 😉

Dieser unglaubliche, dünne, blasse Polizistensohn

Doch das Highlight dieses Tages, auf das ich mich schon lange freute, sollte erst noch kommen: „Frag mich alles“ mit Jan Böhmermann. Wer mich kennt weiß, ich bin ein großer Fan des blassen dünnen Jungen, dem tollsten Polizistensohn dieser Erde. Fest & Flauschig, Schulz & Böhmermann, Neo Magazin Royale…genau mein Ding! Umso glücklicher war ich, dass ich mit 39 anderen Festivalteilnehmern in privater Atmosphäre meinem Idol gegenübersitzen durfte. Es fühlte sich an, als blickte ich einem guten Freund in die Augen. Jan’s Stimme war mir durch die Podcasts so vertraut, dass ich mich beim Zuhören fast so wohlig fühlte, wie in meiner Badewanne, in der ich jeden Sonntag zu „Fest & Flauschig“ abschalte. Da Jan von solchen Fragerunden keine Videos oder Fotos im Internet möchte, musste auch das Smartphone weg. Kurz zuvor konnte ich noch einen kleinen Schnappschuss ergattern.
 

Über eine glückliche Beziehung spricht man nicht, man genießt sie einfach

Die Gelegenheit Jan eine Frage stellen zu können, ließ ich mir natürlich nicht nehmen. Gleich als erste versuchte ich eine Antwort aus ihm herauszukitzeln. „What is Love? Was meinst du, wie sich die Liebe in Zukunft entwickeln wird?“. Was Jan Böhmermann besonders gut kann: Nicht auf die Frage antworten, sondern das Thema aufgreifen und es in die Richtung lenken, die ihm gerade lieber ist. Aus seiner längeren Antwort habe ich eines mitgenommen: Die glücklichsten Beziehungen sind die, die um ihre Liebe kein großes Gewese machen. Wir sollten uns nicht so viele Fragen stellen, auf die es am Ende sowieso keine Antwort gibt. Schließlich handelt es sich um Gefühle, die einfach nicht rational erklärbar sind. Generell wirkte Jan auf mich sehr strukturiert und rational. Mit klaren Analysen der aktuellen politischen Situation, bekräftigte er wieder einmal, wie weitsichtig sein Blick auf die Welt ist. Nach einer Stunde Fragerunde war mir klar: Jan Böhmermann ist eine der inspirierendsten und beeindruckendsten Persönlichkeiten unserer Zeit.

Vom Hipstertum habe ich für heute genug

Noch während ich den Saal zur Pause verließ, spürte ich, wie es in meinem Kopf pochte. Kopfschmerzen verdeutlichten mir, wie anstrengend es ist, Visionen zu entwickeln. Allerdings muss ich gestehen, dass auch das Publikum meine Nerven strapazierte. „Ist das vegane Gericht mit Brot? Dann hätte ich es bitte gerne ohne.“, war nur einer der Sätze, die mich die Augen rollen ließen. Ich bin Hipstertum aus Berlin gewohnt, aber diese geballte Masse, war einfach zu viel für mich. Idealismus schön und gut, aber manche Köpfe hängen einfach zu weit in den Wolken. Alles in allem ist das Z2X17 Festival eine fantastische Veranstaltung. Die Ideen, die dort entwickelt werden, können die Welt verändern, zumindest ein bisschen. Ich bin gespannt auf den morgigen zweiten Tag, welcher hoffentlich kopfschmerzfrei endet. 

Gerade haben wir noch gelacht – Janolli in Berlin

„Es ist kein normaler Montag in Deutschland“, kündigte Marco Göllner beschwingt vor 2 1/2 tausend Zuschauern an. Wie recht er hatte, wurde jedoch erst später klar.

Montag der 19.12.2016, sollte als der Tag des großen Janolli Weihnachtszirkusses in die Geschichtsbücher eingehen. Janni und Olli live, und das in einer der schönsten Locations Berlins, dem Weihnachtszirkus Roncalli im Tempodrom. Aufgeregt wie ein Kleinkind machte ich mich mit meiner Begleitung gegen 18 Uhr auf den Weg. Glühweingeschwängert kochte unsere Stimmung, während Berlin an uns vorbei rauschte. Ein unglaublich guter Saxophonist in der S-Bahn begleitete mit einem wunderschönen Weihnachtslied das Gefühl, welches ich mir für den ganzen Abend erhoffte: bei all dem Scheiß in der Welt, gab es doch Orte, an denen ein seliges Lachen zu Hause war.

Hat es einen Grund, dass sie heute so intensiv kontrollieren?

Am Weihnachtszirkus angekommen, überraschte mich die Herzlichkeit der Menschen, die ich in Berlin sonst so vermisste. Sogar das Abtasten durch die Sicherheitsleute wurde mit vielen freundlichen Gesichtern quittiert. „Hat es eigentlich einen Grund, dass sie heute so intensiv kontrollieren?“, fragte ich die freundliche Dame am Einlass, die jeden kleinen Quadratzentimeter meiner Kleidung nach verdächtigen Gegenständen absuchte. „Na denken Sie doch mal daran, wer heute auf der Bühne steht.“, antwortete sie mir ernst. Ich fühlte mich sicher. Was sollte an einem Montag schon passieren? An einem stinknormalen Montag in Deutschland. Dick aufgedruckt stand auf den Karten: Beginn 20 Uhr. Als kurz nach 20:15 Uhr die Blase drückte, war ich froh, dass es noch nicht losgegangen war. Zu viele Menschen, zu intensive Kontrollen. In meinem Twitterfeed las ich: „vielleicht geht es später los, wegen der Sache am Breitscheidplatz?“. Ich nahm es nicht ernst. Vermutlich mal wieder Chaos bei der S-Bahn und alle kommen zu spät, Berlin eben.

Rattensofa

Mit ordentlicher Verspätung legten sie dann los, der Jan und der Olli. Janolli waren in Topform. Jeder Gag ein Kracher und so viele Insider, dass ich aufgrund der Witzdichte teilweise unter Sauerstoffmangel litt. Jedes Mal wenn jemand „Rattensofa“ sagte, könnte ich mich kaum auf meinem Sitz halten. Wenn das nicht einer der schönsten Abende der letzten Jahre werden würde, dann weiß ich auch nicht, dachte ich. Doch umso länger die Show dauerte, desto ruhiger und unwitziger wurde Jan. Ging ihm sein Gast auf die Nerven? Oder war es Ollis Champagnerlaune, die ihm die Stimmung verhagelte? Kurz vor der Pause flüsterte Jan Olli etwas ins Ohr. Ab diesem Zeitpunkt war nichts mehr so wie es sein sollte. Schon als die Zuschauer den Saal zur Pause verließen, lag eine komische Grundstimmung in der Luft. Viele telefonierten hektisch. Aus dem Lächeln, was zuvor den Raum erfüllte, wurde ein besorgtes Gesicht. Nur mal schnell die News checken, war auch mein Gedanke, als die Pause eingeläutet wurde. Eilmeldung, Breaking News, Tote in Berlin. Nein, das darf jetzt nicht wahr sein, dachte ich, während ich mich durch die Sitzreihen schlängelte. „Lest auf keinen Fall Nachrichten“, rief ich den Leuten zu, an denen ich mich vorbei quetschte. Was war da gerade passiert? Was war hier nur los? Drei Kilometer von hier ist ein LKW in einen Weihnachtsmarkt gerast. Es gab Tote. Die Stimmung im Zuschauerraum war kaum zu beschreiben. Überforderung und Entsetzen mischten sich mit der Frage: „Wie wird es weiter gehen?“. Gerade haben wir noch gelacht, und plötzlich wissen wir nicht mehr, ob unsere Angehörigen und Freunde in Sicherheit sind.

Kümmert euch um eure Lieben

Nachdem sich ca. 20 Minuten später die meisten Zuschauer wieder auf ihren Plätzen eingefunden hatten, folgte die einzig richtige Konsequenz: Jan und Olli beendeten die Veranstaltung. Unter tosendem Applaus erklärten sie, dass man so nicht weiter machen könne. In solchen Momenten sollte man sich um seine Lieben kümmern. Wie Recht sie doch hatten. Wer sich sicher fühle, solle nach Hause gehen, alle anderen Zuschauer können sich gerne weiterhin im Veranstaltungssaal aufhalten. Genau das taten wir. Mit der Situation komplett überfordert, blieben wir auf unseren Plätzen und diskutierten, ob der Heimweg nun sicher wäre. Währenddessen wurde mein Handy von Nachrichten überflutet. „Wo bist du?“ „Bist du sicher?“, erschien auf meinem Display. Als ich Facebook öffnete, sollte ich den Safety Check durchführen, um meinen Freunden zu sagen: ich bin sicher. Dass ich diese Funktion jemals anwenden würde, habe ich mir nicht vorstellen können. Aber es war eben kein normaler Montag in Deutschland. Es war der Tag, an dem das Lachen sogar Jan Böhmermann und Olli Schulz verließ.

Update 05.12.17:

Nach langem Überlegen habe ich mich dazu entschieden, die von mir aufgenommenen Audio Files + ein paar Bildausschnitte (Video-Screenshots, darum leider unscharf) des Janolli Weihnachtszirkusses 2016 zu veröffentlichen. Jan und Olli hatten darum gebeten, keine Aufnahmen anzufertigen. Allerdings finde ich den dort gesungenen Song so passend, dass ich ihn gerne mit euch teilen würde. Am 19.12.17 ist es wieder soweit, Janolli im Weihnachtszirkus, und ich bin dabei. Im Anschluss gibt es selbstverständlich einen Bericht, bei dem ich allerdings auf Videoaufnahmen verzichten werde. In diesem Sinne, ein Hoch auf die Freiheit!