Warum Ghoster doch nicht so unsichtbar sind

Ghosting – das einfach Verschwinden eines Menschen, den man über eine Zeit gedatet hat – ist zur neuen Trendsportart geworden. Der Chatverlauf bleibt einfach leer. Kontakte werden blockiert und Menschen aus dem Leben gestrichen.

Das ist eine Unart, wie ich finde. Ghosten ist an Respektlosigkeit kaum zu überbieten. Bis jetzt dachte ich, dass diese Menschen irgendwo im Nirvana verschwinden. Aber was wäre, wenn diese Geister gar nicht so unsichtbar sind, wie sie immer scheinen? Eine Antwort darauf, gab mir ausgerechnet WhatsApp, der eigentliche Ghoster-Friedhof.

Telefonnummern löschen bringe ich selten übers Herz

Neue WhatsApp Funktionen kann man finden wie man will, aber die Status-Funktionalität, welche vor wenigen Wochen eingeführt wurde, ist eine großartige Errungenschaft für all diejenigen, die sich fragen, was aus all diesen Geistern geworden ist, die ihr Liebesleben gepflastert haben. Meldet sich ein Date plötzlich nicht mehr, ist die Wut erst einmal groß. Die Handynummer des Geistes aus dem Telefon zu schmeißen, bringt man jedoch selten übers Herz. Gottseidank! Genau diese Kleinigkeit ermöglicht es euch herauszubekommen, ob der Mensch, der euch so wortlos zurückgelassen hat, wirklich so uninteressiert ist. Vielleicht habt ihr es schon gemerkt, wer die neue Statusfunktion in WhatsApp nutzt, kann nämlich sehen, wer sich den aktuellen Status angeschaut hat. Ich habe das ganze getestet und war überrascht, welches Ergebnis dabei herauskam.

Neben dem Augensymbol prangte eine kleine 14

Jeder mag Catcontent. Ein Katzenbild war also das perfekte Versuchsobjekt, um die neuen Möglichkeiten des Messengers zu testen. Meine flauschige Milka-Katze hatte sich gerade mit einem ausladenden Gähnen dazu qualifiziert, währenddessen bildlich festgehalten zu werden. Entstanden ist ein hübsches Foto, welches das wunderbar große Mäulchen meines Katzentieres präsentierte. Noch schnell den richtigen Bildausschnitt gewählt und raus damit. Nun sollte dieses Bildchen für 24 Stunden meinen WhatsApp Status zieren. Schön abgeguckt von Snapchat ist das, aber ich beschwere mich mal nicht. Ich legte mein Smartphone zur Seite und war gespannt, welche Reaktionen das süße Katzenfoto auslösen würde. Mein Freundeskreis ist in solchen Angelegenheiten sehr verlässlich, darum dauerte es nicht lang, bis die ersten Nachrichten zum Status eintrafen. „Süüüß“, oder „Dick geworden ist die Milka“, erfreuten mich. Vergnügt entdeckte ich unter meinem Status ein kleines Augensymbol, welches vor einer Zahl, der 14, stand. Diese Zahl zeigte an, wie viele Kontakte sich das Bild bis jetzt angeschaut hatten.

Erwischt, ihr kleinen Stalking-Geister

Es machte mich sprachlos, als ich die Übersicht aufklappte. Ich scrollte die Namensliste durch und musste teilweise sehr lange überlegen, wer sie denn nun waren, die Herren, die anscheinend ein gewisses Interesse an meinem Leben hatten. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die Idioten hatten sich allesamt irgendwann nicht mehr bei mir gemeldet. Diese kleinen bösartigen Geister, oder Ghoster, wie man sie heute nennt. Abtauchen und dann schön regelmäßig mein Leben stalken, das habe ich gern.  Woran liegt es, dass manche Menschen bewusst untertauchen, sich aber trotzdem noch für das Leben des anderen interessieren? Ist es Voyeurismus?  Hat ein Kontakt ein neues Profilbild, schaue ich mir das an. Manchmal zeigt es große Lebensveränderungen wie Hochzeiten, neue Partner oder eine lange Auslandsreise. Diesen kleinen Blick in die Welt eines anderen Menschen, finde ich spannend. Wenn man sich doch für das Leben seines Kontaktes interessiert, warum muss man ihn dann ghosten? Die Gründe dafür werden mir weiterhin ein Rätsel bleiben, aber dank der neuen Statusfunktion von WhatsApp, tritt der ein oder andere Geist wieder ans Licht. Wenn ihr also das nächste Mal einen neuen Status einfügt, winkt nett in die Kamera, wer weiß, welcher unsichtbare Ghost sich darüber freuen wird 🙂

Ich bin nicht gut genug! – „Ghosting“ und „Benching“ sind doch nur eine Flucht vor mangelndem Selbstwertgefühl

Benching“, „Ghosting“, „Generation Beziehungsunfähig“, all diese Datingphänomene werden uns tagtäglich um die Ohren gehauen. Wir können uns nicht mehr binden, wir haben das Lieben verlernt, versucht man uns an jeder Ecke weiszumachen.

Eine Zeit lang war ich fast selbst davon überzeugt, dass wir dafür gar nichts können. Vielleicht gab es irgendwie eine Genmutation, die genau das Gen betraf, welches in unserem Körper für die Liebe zuständig ist? Wer weiß was da, als wir gezeugt wurden, im Essen war? Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Unsere Gene haben damit nun mal gar nichts zu tun. Kann es nicht sein, dass wir uns das in gewisser Weise selbst antun? Dass wir selbst, ob bewusst oder unbewusst, dafür sorgen, dass sich niemand an uns binden will? Ringt sich dann doch einmal jemand durch einen Versuch zu wagen, rennen wir schreiend davon. Ich habe dabei oft den Eindruck, dass sich die Person, die sich nicht binden will, sich oftmals selbst bestraft.

Ich bin nicht gut genug!

Darin bin ich leider nicht ganz unerfahren. Lernte ich einen Mann kennen, den ich als besonders toll empfand, ging ich automatisch auf Abstand. Ich verstand nicht, was dieser Mann an mir finden konnte. Denn hier kommen wir zum Knackpunkt: Ich war der Meinung, nicht gut genug zu sein! Was will ein so toller Mann bitteschön von mir? Der hat doch irgendeinen Schaden! Dass diese Gedanken in mir nicht neu waren, stellte ich vor kurzem fest, als ich in meiner alten Erinnerungskiste kramte. In dieser Kiste bewahre ich Erinnerungen an meine Schulzeit auf. Sie ist gefüllt mit Briefchen, die ich mir damals im Unterricht mit meiner besten Freundin schrieb. Wir hätten damit vermutlich Romane füllen können! Ich stieß auf einen Brief, dessen Inhalt mich nachdenklich machte:

Jule: Ich bekomme nie wieder einen Freund!
Lotti: Spinnst du??? Na klar bekommste einen!
Jule: glaub ich nich! bin einfach zu hässlich!
Lotti: sag das nicht! Du bist wirklich hübsch!!!
Jule: glaub ich aber nicht! Sonst hätt ich ja nen Freund!
Lotti: Die die dich mögen trauen sich nicht!

Ich war damals um die 14 Jahre alt. Und wie man sieht, war mein Selbstwertgefühl damals eher nicht vorhanden. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass mich jemals ein Mann toll finden würde. Was resultierte am Ende daraus? Jegliche Annäherungsversuche, Komplimente oder Schmeicheleien wurden als „Schleimerei“ und nicht ernst gemeint abgetan. Es fehlte der Glaube, dass man selbst einem Menschen wirklich etwas bedeuten könnte. Hier trifft es wohl die Annahme, dass man sich erst selbst lieben muss, bevor man sich auf etwas einlassen kann.

Unser Selbstwertgefühl wurde geprügelt

Seien wir mal ehrlich, unser Selbstwertgefühl wurde in unserer Jugend geprügelt, und zwar vom Feinsten! Wir wurden ausgelacht, verspottet und manchmal sogar gehänselt. Das war irgendwie normal. Das schien zum erwachsen werden dazuzugehören. Ich für meinen Teil gehörte nie zu den „Coolen“ oder zu den „Leadern“. Unscheinbar war ich, hatte meine ebenfalls unscheinbaren Freunde und wurde von den anderen öfter mal schief angeschaut.  In jungen Jahren sind wir unscheinbaren Ladys den Männern einfach nicht aufgefallen. Und wenn dann eher negativ. Zu fett, zu hässlich, einfach nicht dem allgemeinen Schönheitsideal entsprechend. Charakter? Zählte nicht! Jugendliche können echt grausam sein. Das Problem ist, dass diese Lebensphase besonders prägt. Sie prägt unsere Persönlichkeit und schafft erste Anlagen für unser Bindungsverhalten. Wer schon in jungen Jahren beigebracht bekommt, dass er nicht gut genug ist, verlernt das später nur schwer.

Will jemand an unser Herz, schalten wir den Panikmodus ein

Umso älter wir werden, desto besser werden wir darin, diese Selbstzweifel zu überspielen. Wir werden zu selbstbewussten Erwachsenen, die sich der Gesellschaft angepasst haben. Solange andere Menschen einen gewissen Sicherheitsabstand zu uns halten, wirken wir gefestigt und reif. Doch sobald jemand an unserer Fassade kratzt und an unser Herz will, schalten wir den Panikmodus ein. „Was kann der bitte von mir wollen? Ist der blind? Will der mich veräppeln oder was?“, schießen die Gedanken durch unsere Köpfe. Man möchte das Gegenüber sozusagen „vor Schlimmerem“ bewahren, weil man sich selbst nicht zu schätzen weiß.

Interesse an mir? Nimmst du etwa Drogen?

Ich erinnere mich nur zu gerne an einen Mann, der mich vor einigen Jahren in einem Club ansprach: Wunderhübsch, Model, ein absoluter Hingucker! Ich unterstellte ihm Drogenkonsum oder einen Hirnschaden weil ich nicht glauben konnte, dass sich ein solcher Mann für mich interessieren könnte. Ich zog sofort eine emotionale Mauer hoch, um mich zu schützen. Trotzdem dieser Mann weiterhin beteuerte, ernsthaftes Interesse an mir zu haben, nahm ich die Beine in die Hand und ging ihm aus dem Weg.  „Ich habe dieses Glück nicht verdient!“, dachte ich so oft sobald es mal so schien, als sei der richtige Mann für mich gefunden. „Der könnte doch locker jemand besseres haben!“, ging mir durch den Kopf. Ich bestrafte mich selbst mit Liebesentzug weil ich nicht gelernt hatte, dass mich jemand toll finden könnte.

Datingphänomene „Ghosten“ und „Benchen“ als Flucht vor unseren Emotionen

Wenn ich mir nun vorstelle wie viele Menschen ähnliche Emotionen verspüren, sobald es um Bindung geht, wundere ich mich nicht mehr über die heutige Beziehungsunfähigkeit. Wir haben schon in jungen Jahren eine emotionale Mauer aufgebaut, die nur schwer zu überwinden ist. Kratzt jemand daran, ergreifen wir die Flucht. Wir „Ghosten“ um uns komplett dieser für uns schwierigen Situation zu entziehen, oder „Benchen“ um zwar hier und da ein bisschen Liebe zu erhaschen, aber niemandem die Möglichkeit zu geben, sich unserer Mauer zu stellen. Ich glaube hier liegt eine der größten Herausforderungen des Erwachsenwerdens: Wir müssen selbst erkennen, wie wertvoll wir sind. Jeder hat es verdient zu lieben und geliebt zu werden.

Ernsthaft Daten, ist ernsthaft anstrengend!

Jule macht ernst! So endete mein letzter Text. Aufbruchsstimmung, jetzt aber los! Ich renne ja gerne einfach so los wenn ich das Gefühl habe, dass es sich lohnen könnte. So erging es mir auch diesmal. Nachdem ich den Entschluss der „Ernsthaftigkeit“ getroffen hatte, konnte mich nichts mehr halten. Fühlte sich irgendwie gut an, so ein definiertes Ziel. Ich erwischte mich nur noch selten dabei, Vor- und Nachteile abzuwägen. Zumindest zu beginn. Ich habe einem Mann eine Chance gegeben, den ich bis vor Kurzem gar nicht auf meiner „Liste“ hatte. Es gibt ja Männer, die laufen immer so nebenher. Man sieht sich, mag sich, aber beschäftigt sich nicht näher miteinander. Und dann kommt da diese Erkenntnis: „Du brauchst jemanden, mit dem du zusammenleben kannst. Das ist niemand, mit dem man direkt das Bett teilt, und sich danach gegenseitig ghostet.

Plötzlich rücken ganz andere Männer ins Blickfeld. Ich überlegte, bei wem fühlte ich mich schon immer ganz wohl? Wer strahlt die Ruhe aus, die ich oft brauche? Langsam kristallisierten sich Männer in meinem Umfeld heraus, mit denen ich im ersten Moment nicht gerechnet hätte. Diese Herren unterzog ich einem kurzen gedanklichen Check. Erfüllen sie meine „Muss-Kriterien„? Wobei ich die „Muss-Kriterien“ relativ oberflächlich definiert habe.

Fester Job, Motivation um beruflich etwas zu erreichen, Kinderlieb, Tierlieb, eine gewisse Beziehungserfahrung, Intelligenz, gemeinsame Interessen, Humor.

Komischerweise schlossen sich allein durch diese Kriterien ganz viele Herren aus, mit denen ich in den vergangenen Monaten mein Bett teilte. Da wurde sie mir wieder bewusst, die Ernsthaftigkeit, nach der ich jetzt suchte. Bewusst habe ich die Optik voll und ganz ausgeklammert. Mir ging es um das Gefühl welches ich habe, wenn ich mich bei diesem Mann befinde. Fühle ich mich wohl, ist die Optik kaum entscheidend. Denn wohl fühlen kommt aus dem Herzen, und dieses besagte Herz, entscheidet am Ende. Ich will mich entspannen können. Ich will nicht die ganze Zeit das Gefühl haben  etwas darstellen zu müssen, was ich nicht bin. Ich will mich nicht verändern, wenn ich in einer Beziehung bin. Ich will Jule bleiben.

Am Ende purzelten aus dieser Betrachtung zwei Männer heraus, bei denen ich mir vornahm, einen intensiveren Blick auf das Miteinander zu haben. Ich intensivierte den Kontakt und schaffte Gelegenheiten, sich näher kennenzulernen. Damit betrat ich neuen Boden. Natürlich habe ich Datingerfahrung, mehr als genug! Allerdings war das immer ein anderer Schlag von Männern. Die selbstbewussten hübschen, die hinter der nächsten Ecke doch sowieso eine bessere als mich stehen hatten. Sie hatten somit gar nicht die Notwendigkeit, mich näher kennenzulernen. Hat es nicht direkt gefunkt, war man eben abgeschrieben. Nun fand sich die Jule aber in einer neuen Situation wieder. Ihr Gegenüber war eben nicht ein schnell weiterziehender Macho, sondern jemand der sich wirklich mit ihr auseinander setzen wollte. Jemand, der Zeit investiert um Gemeinsamkeiten zu finden, Gespräche zu führen, anstatt direkt ins Schlafzimmer zu watscheln.

Diese Art und Weise des Datings ist für mich mit ziemlich großen Schwierigkeiten verbunden. Ich war es gewohnt, gerne mal ein paar Herren parallel zu Daten, war schließlich kein Problem! Jetzt wäre es sehr wohl ein Problem. Ich schaue mir die Herren intensiver an und fühle mich regelrecht schlecht, wenn ich nebenbei noch einen anderen treffe. Ich muss nun viel sorgfältiger mit den Gefühlen meines Gegenübers umgehen. Aus meinen Erfahrungen heraus war ich es gewöhnt, direkt ein Feedback für meine Zuneigung zu bekommen. Da dauerte es manchmal nicht mehr als 10 Minuten und man stand wild knutschend in der Gegend rum. „Ernsthafte“ Dates sehen da ganz anders aus! Die Annäherung passiert viel langsamer. Da trifft man sich schon mal zum Essen und Film gucken und kann froh sein, wenn es überhaupt zu etwas Körperkontakt kommt.

Die Vorgehensweise ist viel vorsichtiger. Das bringt leider mit sich, dass man sich nie wirklich im Klaren darüber ist, was der Gegenüber empfindet. Man zerbricht sich den Kopf über Dinge, die man sonst einfach getan hätte. In meinen Gedanken ploppt jedoch immer wieder das: „Warte! Du meinst es ernst, gib ihm nicht das Gefühl einer schnellen Gelegenheit.“ auf. Das wird natürlich gespiegelt.  So fühle ich mich nun wie ein junger Teenager, der in Millimeter-Schritten auf das andere Geschlecht zugeht. Total ungewohnt! Anstrengend! So war das also damals, als man noch nicht dem tinder „wisch und weg-Datingverhalten“ erlegen ist. Ich kann total nachvollziehen, dass man lieber den einfachen Weg geht, um kurzfristig Befriedigung zu erlangen. Würde ich ernsthaftes Dating öfter betreiben, wäre das ganz schön nervenaufreibend.

Butter bei die Fische: Wo stehe ich denn jetzt? Der erste Anlauf war eindeutig Erfolgsversprechend. Beide Seiten klopfen ganz leicht ab, ob das Gegenüber für eine längere Beziehung in Frage kommt. Es entsteht dabei etwas tolles, etwas ungewohntes. Vertrauen baut sich auf, ohne dass auch nur ansatzweise etwas gelaufen wäre. Lange Gespräche und viele gemeinsame Interessen erzeugen schon wohlige Wärme im Bauch, ohne dass diese Wärme wirklich körperlich da gewesen wäre.

Es ist schön aus dem bekannten Datingtrott auszubrechen und das Gefühl zu haben, wirklich etwas zu schaffen! In den letzten Monaten fühlte sich Dating für mich an wie gegen eine massive Mauer laufen. Seitdem mein Sinneswandel eingesetzt hat, renne ich zwar noch gegen eine Wand, aber so langsam erkenne ich eine Tür, die ich nur aufdrücken muss.

Ghosting – Behandelt euch wieder mit Respekt!

Ghosting“ ist ein neuer Trendbegriff, der vor Kurzem in den Weiten der Online-Dating Welt entstand. Man versteht darunter, dass jemand einfach aus dem Leben verschwindet, sozusagen zum Geist wird.

Ghosting tritt oft auf, nachdem man jemanden wenige Male gedatet hat. Der Gegenpart meldet sich einfach nicht mehr, manchmal wird man sogar auf allen Kommunikationskanälen blockiert. Dieses Phänomen gibt es auch in längeren Beziehungen, mir persönlich ist es aber nur bei kürzeren Datinggeschichten untergekommen. Wie kommt jemand darauf, zum Geist zu werden? Wie kommt jemand darauf, einem anderen Menschen nicht den geringsten Respekt entgegen zu bringen?

Keine Reaktion, nichts

Ich habe das Ghosting selbst schon oft miterleben müssen. Vor einigen Wochen traf ich in der Mittagspause einen Herren, den ich über OKcupid kennenlernte. Ganz unverbindlich saßen wir an einem Imbiss zusammen und unterhielten uns. Es lief gut. Tief waren die Gespräche nicht, aber was erwartet man von einem „Date“ zur Mittagszeit? Mit einer Umarmung verabschiedeten wir uns. Von da an war er wie vom Erdboden verschluckt. Nach den drei (für manche leider immer noch) obligatorischen Tagen, meldete ich mich bei ihm. „Hey, ich hoffe bei dir ist alles okay. Ich fand unser Treffen schön. Allerdings habe ich das Gefühl, dass es dir nicht so ging. Meld dich doch mal.“ – keine Reaktion. Nichts. Es ist sein gutes Recht, mich nicht zu mögen. Es ist sein gutes Recht, weiterzuziehen. Aber es ist aber nicht sein Recht, mich einfach so zu ignorieren. Ein einfaches „Ich glaube das passt nicht zwischen uns“ hätte mir gereicht. Aber keine Reaktion nach einem augenscheinlich guten Treffen, ist nicht zu entschuldigen. Einer Person, die man vorher mochte, so wenig Respekt entgegen zu bringen, ist traurig.

Es ist unsere verdammte Pflicht ehrlich zu sein

Wir haben es immer noch mit Menschen zu tun, auch wenn wir wie am Fließband daten. Uns gegenüber sitzt ein kleines, manchmal auch großes Herz und sucht nach Zuneigung. Wenn wir ihm diese Zuneigung nicht geben können, ist es unsere verdammte Pflicht, ehrlich zu sein! Ein noch respektloseres Beispiel, durfte ich leider auch schon erleben. Ich traf einen Mann, mit dem ich vorher relativ lange Nachrichten schrieb. Wir gingen in eine Bar etwas trinken. Es lief perfekt, er war charmant, wir unterhielten uns gut, er zahlte sogar die Rechnung. Nach einem langen Spaziergang brachte er mich zur Bahn. Mir blieb dort nichts anderes übrig, als ihn zu küssen. Ich empfand es als passenden Abschluss für dieses Date. Kurz darauf drückte er seine Freude über das Treffen mehrmals aus. Mein kleines Herz hüpfte, was für ein Mann, da hatte ich richtig Glück. Dachte ich zumindest. Einige Tage später bemerkte ich, dass er mich bei Whats App sowie Facebook blockiert hatte. Ohne erkennbaren Grund, einfach aus dem Leben gestrichen.

Schnelles Kennenlernen = Schnelles Vergessen?

„Ghosting ist eine Mischung aus sozialer Inkompetenz und Überforderung.“ – genau das! Ich glaube die Überforderung ist das, was den meisten Herren zu schaffen macht. Da ist auf einmal eine Person, die sich interessiert, die an der Oberfläche bohrt. Der Mensch ist in dieser Hinsicht meist ein Fluchttier. Kommst du mir zu nah, renne ich. Für viele impliziert ein schnelles Kennenlernen auch die Möglichkeit eines schnellen Vergessens. Hinter der nächsten Ecke wartet die nächste Möglichkeit. Ist diese Möglichkeit nicht direkt zufriedenstellend, weg damit. Sollte man so mit Menschen umgehen? Diese kleinen Herzen, die man damit verletzt, sind nach einer Weile so vernarbt, dass sie nur noch entfernt nach einem Herzen aussehen. Menschen mit verletztem Herz neigen dazu, es anderen gleich zu tun. „Ghoster“ erschaffen also neue „Ghoster“. Es ist ein Teufelskreis,

Ignoriert, weil es auf den ersten Blick nicht perfekt schien

Das muss ein Ende haben. Erinnern wir uns an die Ehrlichkeit, die wir uns tagtäglich wünschen. Auch wenn die Wahrheit manchmal schmerzt, uns ist danach bewusst, wo der Fehler lag. Werden wir allein gelassen mit unseren Vermutungen, Befürchtungen, schaden wir unserem Selbstbewusstsein. „Ghosten“ mag für den „Ghoster“ einfach sein, aber für den „geghosteten“, bedeutet es oft die Hölle. Wir stumpfen immer weiter ab, gewöhnen uns an Ignoranz, tragen sie weiter. Am Ende sitzen wir Sonntags allein auf unserer Couch, sehnen uns nach Nähe. Vielleicht wartet diesmal die Möglichkeit nicht hinter der nächsten Ecke, sondern wurde von uns ignoriert, „geghostet“, einfach weil sie auf den ersten Blick nicht perfekt schien.

Bitte behandelt euren Gegenüber wieder mit Respekt, zeigt Größe und setzt auf Ehrlichkeit. Nur so können kleine verletzliche Herzen, Herzen bleiben. Narben tragen wir schon genug mit uns rum.