Einsamkeit – Wie ein schwarzer Rabe auf meiner Schulter

Einsamkeit, gewählt oder ungewählt, begleitet jeden von uns in bestimmten Lebensphasen. Sie kann heilend sein, oder dafür sorgen, dass sich unsere Gesundheit komplett verabschiedet. Auch ohne große Studien und beweisende Zahlen ist klar: die Einsamkeit zählt zu den Krankheitsauslösern Nummer 1. Dabei sind es nicht nur ältere Menschen, die Partner und Freunde verloren haben, sondern auch, und teilweise im besonderen Maße, die jungen vernetzten Menschen, die regelmäßig von schmerzlicher Einsamkeit eingeholt werden.

1. Einsamkeitsgipfel in Berlin

Nach meinem Live-Interview zu Thema Einsamkeit bei der rbb Abendschau erhielt ich eine Einladung für den 1. sogenannten „Einsamkeitsgipfel“ in Berlin. Die CDU-Fraktion und allen voran Emine Demirbüken-Wegner (Sprecherin für Bürgerschaftliches Engagement im Abgeordnetenhaus Berlin) hatten Expert*innen und Praktiker*innen eingeladen, um über das Thema Einsamkeit zu diskutieren und Lösungsansätze herauszuarbeiten. Wie kann es eine so große Stadt wie Berlin schaffen, diejenigen nicht zu übersehen, die hinter ihren Wohnungstüren verweilen und denen es Tag für Tag an sozialen Kontakten fehlt?

Das Augenmerk auch auf die einsame Generation Y richten!

Das es mit Podiumsdiskussionen und Expertenmeinungen nicht getan ist, sollte klar sein. Daher werden die Ergebnisse des Einsamkeitsgipfels zeitnah konsolidiert, in einer kleineres Runde ausgewertet und erste Aktivitäten angestoßen. Als Mitglied des Expertenteams, werde ich gemeinsam mit Politik und Gesellschaft mein Bestes geben, um die Einsamkeit zumindest ein bisschen einzudämmen. Mein Ziel ist es, das Augenmerk auf die junge Zielgruppe zu lenken. Ich erlebe es selbst, wie schnell man trotz vieler sozialer Kontakte in eine emotionale Einsamkeit verfallen kann.

Berührende Worte von Kiezpoet Jesko Habert

Die passenden Worte zum Thema Einsamkeit in der Generation Y hat der Kiezpoet Jesko Habert gefunden. Als Eröffnungsact des Einsamkeitsgipfels verlas er ein berührendes und gleichzeitig aufrüttelndes Gedicht. Unter dem Tital „Die Flügel Soledads“ sprach er über seine Einsamkeit, die er wie einen schwarzen Raben auf der Schulter mit sich trägt. „Soledad“ ist die spanische Entsprechung der Einsamkeit.

Jesko Habert war so lieb und hat mir sein Gedicht zur Verfügung gestellt. Ich möchte einige Strophen daraus zitieren, die in Bezug auf das anstehende Weihnachtsfest genau die Emotionen ausdrücken, die ich Jahr für Jahr mit der Weihnachtszeit verbinde. Ja, auch ich habe einen Soledad, der in manchen Momenten auf meiner Schulter sitzt, und mich an seine Existenz erinnert.

Auszug aus „Die Flügel Soledads“ von Jesko Habert (2019)

Es ist ein kalter Dezemberabend, zurück in Berlin, fast schon Gegenwart.
Ein Tag, der manchen Menschen heilig ist oder ihren Segen hat
Wegen Familie. Wegen Heimatgefühl. Wegen Gemeinsamkeit.

Wir reden über Geschenke und den Nachwuchs und alle gehen in die Kirche, Heilignacht
Weil man das so macht
Und es ihnen wichtig ist. Wegen Gemeinschaft.
Wen kann das schon stören.
Ich bleib Zuhause ganz für mich, doch nur ein Blick und ich könnt‘ schwören
Dass dort ein schwarzer Rabe sitzt, auf dem Teppichboden.
Eine scheckig-schäbige Erinnerung aus Anekdoten-Episoden
Und irgendwie hab ich dich vermisst. Und irgendwie auch nicht.
Denn hat der Rabe Soledad sich eben eingenistet
Bleibt er bis auf weiteres in deinem Leben unbefristet
Und im Kontakt mit ander’n Menschen schreckt der trübe Rabe ab
Weil jeder sieht, dass man da sichtbar eine üble Narbe hat

Es wäre einfach, über die Einsamkeit anderer Menschen zu sprechen:
Sich den Kopf nur zu zerbrechen über Klischeebilder dieser Anderen,
Dieser Einsamen, die armen Seelen, für die wir doch jetzt gemeinsam etwas tun sollten
Es ist viel schwerer, über sich selbst zu reden.

Denn ich, ich bin einsam, inmitten meiner eigenen Verwandten
Und das, obwohl sie mich mein Leben lang doch meistens gut verstanden
Aber irgendwie ist da dieses unausgesprochene Unverständnis.
Ich fühle mich einfach nicht, als wüssten sie, wer ich bin.
„Oma, bist du manchmal einsam?“, hab ich meine Oma mal gefragt
Und sie zuckte die Schultern, wie um zu sagen „natürlich, was denkst du denn.
Denn seit dein Opa fort ist fühl ich mich so jeden Tag“
sagt sie, setzt sich auf ihren Schaukelstuhl und versinkt wieder in sich selbst.
Wenn ich einsam bin, kehrt meine Depression zurück
Wär sie ein Schauspiel, dann auf jeden Fall ein Solo-Stück
Nur ohne den Applaus des Publikums. Und ohne Verkleidungen.

Und so, als hätte man den auswendig gelernten Text vergessen.
Stattdessen mit appetitlosem Essen und unfertigen Prozessen
Wenn ich einsam bin, spielt es keine Rolle, wie viele Kontakte ich hab
Denn ich ruf die nicht von selber an!
Dann schlaf ich schlecht, fühl mich gestresst
Die leichteste Erkältung setzt mich schnell außer Gefecht
Und das, obwohl ich weiß, dass meine nächsten Freunde nur zwei Straßen entfernt wohnen

Soledad ist überall. Und er kann jeden treffen, unbedingt.
Es ist die Mutter, die den Tag nur mit ihrem Baby verbringt
Es ist der Erstsemester-Studi, dem der Anschluss nicht gelingt
Es ist die Frau, die sich im Job immer zu voller Leistung zwingt
Es ist der Mann, der mit der Arbeitslosigkeit im Alltag ringt
Es ist meine Oma, der der Partner fehlt,-altersbedingt
Es ist der Jugendliche der uns droht dass er sich selbst umbringt
Und es bin ich, dem es misslingt,
….Das einfach mal zuzugeben.
Wir sind nicht alleine damit, einsam zu sein.

Auf der Suche nach einsamen Berlinern – Jule Blogt bei der rbb Abendschau

Leute, Leute, Leute, das war aufregend! Das erste Mal in meinem Leben stand ich Live in einem Fernsehstudio und musste auch noch eingermaßen schlaue Antworten auf sehr schlaue Fragen geben. Einsamkeit ist nicht nur ein Thema der älteren Mitbürger*innen, es betrifft auch diejenigen, die aufgrund von Social Media und Smartphone eigentlich nie so richtig allein sind. Meine Erfahrungen schildere ich in einem kurzen Interview während der rbb Abendschau am 17.11.2019.

 

Einsam trotz Flirt-App?

Einsam trotz Flirt-App?

In Zeiten von Social Media und insbesondere Flirt-Apps wie Tinder findet Einsamkeit nicht statt – oder doch und vielleicht gerade wegen der unbegrenzten Auswahl an möglichen Partnern? Wir haben nachgeforscht und festgestellt: auch junge Menschen in Berlin sind einsam. Außerdem haben wir im Abendschau-Studio mit der „Einsamkeitsbloggerin“ Luisa Preschel gesprochen.

Source: www.rbb-online.de/abendschau/videos/20191117_1930/einsam-trotz-flirt-app.html

Auf der Suche nach einsamen Berlinern

Ich streike! – Zombifizierung der Liebe

Ich will das nicht!“ – hallt es in meinem Kopf. „Ich will darüber nicht nachdenken!“ – stampfen meine Gedanken wie ein kleines Kind mit dem Fuß auf. Seit Stunden versuche ich mir kluge Gedanken zu machen. Mein Wochenende muss ja irgendwie verarbeitet werden. Bruchstückhaft kommen mir ansatzweise kluge Formulierungen in den Kopf, die aber direkt wieder zu den Ohren herauspurzeln.

Ich suche nach einer tiefgreifenden Erkenntnis, nach einer Erleuchtung oder einer neuen Meinung. Umso länger ich darüber nachdenke, desto mehr stelle ich fest: Mein Kopf streikt!

Er will sich nicht mehr mit Männern beschäftigen. Da ist eine kleine aber feine Tür zugegangen, die jetzt klemmt. Was hinter dieser Tür steckt, möchte dort auch bleiben.

Die Kompensation,  die am Wochenende wieder meinen Tagesablauf bestimmte. Feiern, trinken, schlecht schlafen, nutzlos herumliegen, trinken um die Müdigkeit zu verdrängen, feiern um der gelebten Zeit einen Sinn zu verleihen.

Es folgte schlecht schlafen und die besagte Gedankensperre.

„Aber irgendwie habe ich dann nicht aufgepasst, als aus cool tiefgekühlt wurde. Ich muss versehentlich auf die Frosttaste gekommen sein, eingefroren, während das Leben drumherum weiterging. Vielleicht hätte ich besser auf einen anderen alten Tocotronic-Song gehört: »Sich rar machen bringt ja nichts / Wenn es niemand merkt«.“

Ich fand mich heute morgen in einem Text der Süddeutschen wieder. Lösten doch vor einiger Zeit solche Wochenenden noch positive Gefühle in mir aus, sitze ich nun schulterzuckend vor dem Rechner und fühle keinen Sinn. Wie lang ist es eigentlich her, dass ich so wirklich verliebt war? Wie lang ist es her, dass ich jemanden angeschmachtet habe, der kein Arschloch war?

Wo sind die warmen Gefühle in der Bauchgegend, nach denen ich mich immer sehnte?

Das passt nicht zu mir. So war ich nie, und so wollte ich nie werden. Ich trug mich von Schwärmerei zu Schwärmerei, um lächelnd durch die Welt zu tanzen. Und nun? Ist es leer. Dieses Gefühl im Bauch, einfach leer.

Hoffnung weg, Motivation weg.

Wie eiskalt ich sein kann, würde ich gerne mal ausprobieren. Wie sehr ist der Prozess der Unterkühlung schon fortgeschritten?

Ein Testobjekt ist schon gefunden. Sich selbst als „Arsch“ bezeichnend, behandelt er mich kontinuierlich wie eine kostengünstige Prostituierte. So lange dieser Umgang digital erfolgt, kann ich damit einigermaßen leben. Auf Forderungen wird einfach nicht eingegangen,  gut ist.

Generell habe ich aktuell den Eindruck, dass es sich einige Männer sehr leicht machen. Durch tinder & Co. sind Frauen noch mehr zur „Ware“ geworden, die man sich bei Bedarf aus dem Schrank nehmen kann. Da wird man schnell mal zur kostenfreien Prostituierten.

So drängte der besagte „Arsch“ am Wochenende darauf, dass ich doch bei ihm vorbei kommen solle.

Seit wann kommt der Berg zum Propheten?“ – fragte ich scherzhaft, um auszurdücken, dass er sich schon bewegen müsste, wenn er etwas von mir wollen würde.

Deine Einstellung finde ich nicht in Ordnung!“ – erhielt ich als Reaktion. Es wäre schließlich schon fast eine „Ehre“ eine Stelldichein mit ihm zu verbringen. Da müsse sich Frau auch bewegen! Auf meinen Hinweis, dass für solche Situationen ein spezialisierter Berufszweig existiert, erhielt ich nur böse Kommentare.

Aber genau darum ist dieser Herr das perfekte Testobjekt. „Objekt“ trifft es nämlich ziemlich gut! Schaffe ich es seine Kälte zu spiegeln, ohne mich dabei schlecht zu fühlen, bin ich vermutlich endlich an dem Punkt, an dem sich die meisten Singles befinden. Die Resignation und Gefühlskälte ist groß genug, um das eigene Herz so einzumauern, dass es kaum von einer Abrissbirne befreit werden könnte.

So langsam verstehe ich, warum mir im Singleumfeld kaum offene und fröhliche Gesichter entgegen blicken. Die meisten arbeiten sich an ihrem Gegenüber ab, und entsorgen es dann auf dem fein säuberlich angelegten Gefühlsfriedhof. Sie ziehen weiter und lassen ihre „Opfer“ zu Ihresgleichen mutieren.

Das ist ein bisschen so, als würde eine Zombifizierung statt finden. Ein Zombie verwandelt Menschen in neue Zombies. Eine Krankheitswelle, die nun anscheinend auch bei mir angekommen ist.

So schmiss ich am Samstag Abend einen vermutlich netten Herren auf meinen Gefühlsfriedhof, weil ich einfach nicht anders konnte. Er war irgendwie im Weg. Er war nicht kalt genug und Wärme macht einem Zombie Angst.

Wer mir keine Angst macht, ist der „Arsch“, der mir nichts gutes will. Da kann mir nichts passieren. Der hat kein Interesse an meiner Mauer, der verstärkt sie gerne noch um ein paar Steine.

Wenigstens können sich zwei Zombies nicht mehr infizieren. Wir können uns am Ende auf die Schulter klopfen, bevor wir unser Gegenüber auf den Gefühlsfriedhof kehren und zukünftig nicht mal mehr als ein müdes Lächeln für ihn übrig haben.

Ist es nicht bezeichnend, dass man Zombies nicht ins Herz schießen muss, sondern in den Kopf?

„Ruhiger werden“ heißt vermutlich auch nur: Erfolgreich verdrängen

Ich habe ganz tolle Leser! Das kann ich nur immer wieder betonen. Mit dem ein oder anderen hat sich eine rege „e-Mail Freundschaft“ entwickelt. Ab und zu kommt es vor, dass daraus so tolle Themen oder Aussagen entstehen, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als diese hier etwas detaillierter zu betrachten.

Freitag Abend ist Stammkneipenabend. Wie verbrachte ich also den gestrigen Abend? Bei einem Bierchen in der Stammkneipe. Verabredet war ich mit einer guten Freundin, welche seit einigen Monaten mit einem meiner besten Freunde liiert ist. Lange hatten wir uns nicht gesehen. Dass sich unsere Welten jedoch so auseinanderentwickeln würden, hätte ich nicht erwartet.

Das Single-Leben und das Pärchen-Leben, sind so weit voneinander entfernt wie die Erde vom Mars. Während es für mich an Horror grenzt einen Samstagabend allein zu Haus zu verbringen, ist es für Pärchen absoluter Luxus Zeit zu zweit zu haben.

Mit großen Augen schaute mich meine Freundin an, als ich ihr die Erlebnisse der letzten Wochen schilderte. Dabei ist nicht einmal viel vorgefallen, der normale Single, Party, Datingkram eben. Dem gegenüber stand ein Pärchenalltag. Ihre Probleme unterschieden sich komplett von meinen. Ich konnte mich zwar irgendwie in sie hinein versetzen, aber die Ebene, die ich mit anderen Singles habe, war nicht zu erreichen. Das ist ungerecht! Man kann sich gut leiden, aber findet einfach keine Welle, auf der man zusammen schwimmen kann. Und das nur aufgrund eines blöden Beziehungsstatus. Wir machten einfach komplett unterschiedliche Erfahrungen im Leben. Sie machte die Erfahrungen, die ich auch gerne hätte.

Man könnte es auch so bezeichnen: Abenteuer gegen Alltag. Unausgewogenheit gegen Ruhe.

Eigentlich war ich der Meinung, in letzter Zeit ruhiger geworden zu sein. Ausschlaggebend ist da sicherlich das veränderte Wetter, aber auch mein schwächelndes Immunsystem tat sein übriges. Meine Gesundheit hat so langsam gemerkt, dass das, was ich im Sommer „Leben“ nannte, mich eine Unmenge an zukünftiger Lebenszeit gekostet hat. In den vergangenen 3 Wochen, war ich gefühlt 3 Mal krank. Vielleicht sollte ich einfach mal öfter mit einem Wodka desinfizieren! Nein, Spaß beiseite.

Ich gab mir nun also Mühe etwas Ruhe in mein Leben zu bringen. Öfter mal auf der Couch liegen, was Kochen, was Backen, die Zeit allein genießen. Und es klappte! Ich merkte, man muss auch mal lange Weile zulassen! Denn erst wenn man so weit zur Ruhe kommt, entsteht Boden für Neues. Neue Gedanken, neue Wünsche und neue Erkenntnisse. Lange Weile festigt, auch wenn ich das nie wahrhaben wollte.

Ich fand endlich genug Zeit und Ruhe, um mich beruflich weiterzuentwickeln. Durch meinen erhöhten Einsatz wurde ich mit einer besseren Position belohnt. Der Eindruck, dass ich ernsthaft ruhiger geworden wäre, verstärkte sich.

Nun hat ja alles Positive meist einen Haken, so auch diesmal.

Als ich nun gestern Abend nach zwei Bier den Heimweg antrat, wurde mir eine Sache schlagartig bewusst: Ich verdränge!

Seit einer Weile frage ich mich, warum ich Abende so gerne eskalieren lasse, warum ich nicht an einem gewissen Punkt aufhören kann. Manchmal sollte man einfach nach zwei Bier Schluss machen.

Doch was passiert bei mir nach diesen zwei Bier? Mein Verdrängungsmechanismus wird außer Kraft gesetzt und ich merke plötzlich, was da in mir schlummert. Dort schlummert die Sehnsucht. Dort schlummert die Einsamkeit.

Ich habe sie schön versteckt, hinter einer Tür eingeschlossen. Auf dass sie still und unauffällig irgendwo in mir drin existierten könne. Doch die zwei Bier, anscheinend der Schlüssel, ließen alles herauspurzeln.

„Jetzt jemanden, der meine Hand greift.“ „Jetzt jemanden, bei dem ich mich anlehnen kann.“ „Jetzt jemand, der mich verliebt anschaut“

Meine Gesichtszüge veränderten sich. Das in sich ruhende Lächeln wich einem traurigen Gesicht. Wie bekannt kamen mir diese Gefühle vor. Hatte ich mich nicht weiterentwickelt? Hatte ich es nicht geschafft, mir eine wahrhaftige Ruhe zu erarbeiten?

„Ruhiger werden“, heißt vermutlich auch nur: Erfolgreich verdrängen.

Aktive Selbstzerstörung

Aktive Selbstzerstörung. So könnte man das benennen was ich, sowie auch andere frische Singles betreiben. Diese Selbstzerstörung äußert sich meist in dem Missbrauch von allerlei Betäubungsmitteln. Es gibt auch abgeschwächte Varianten, manch Einer beginnt sehr viel zu essen, Frustfressen sozusagen, oder verfällt dem exzessiven Sport.

Zu Beginn mag das alles noch irgendwie „cool“ sein, man testet seine Grenzen und holt nach, was man denkt verpasst zu haben.

Mit der Zeit nimmt das Ganze jedoch unschöne Formen an. Ich sehe es an mir selbst. Wie sehr habe ich es in der Anfangszeit meines Single-Daseins genossen, lange weg zu bleiben. Mal bis um 4 Uhr feiern, ohne dass sich jemand zu Hause Sorgen macht. Mal die Nacht woanders verbringen, das war Luxus. Dieser Luxus wurde irgendwann zum Alltag. Ich wollte mehr, es musste doller werden. Gab ich mich am Anfang mit einem kleinen Flirt zufrieden, werden heute erbeutete Handynummern und Küsse gezählt. Ein erfolgreicher Abend ist es erst dann, wenn „irgendwas ging“. Das hat in den ersten Monaten noch gut funktioniert. Es war neu, spannend und amüsant.

Auch das reichte auf Dauer nicht. Mehr, länger, exzessiver war die Devise. Die Nächte dauerten bis in den Morgen, vor 6 Uhr geht hier niemand nach Hause! Auch gab ich mich nicht mehr zufrieden mit einem Kuss, da musste mehr passieren. Die ersten Male war auch das noch aufregend und neu. Mit der Zeit nutzt sich alles ab. Man sucht nach neuen Kicks, neuen Erfahrungen.

Jedes Wochenende erzeugt sich ein Druck des „etwas erleben müssen“. Das Leben ist kurz, wir sind noch (relativ) jung, diese Zeit muss man genießen. Dass ich mit der Zeit daran zerbrach, war mir lange nicht klar. Über ein Jahr spiele ich nun schon dieses Spiel: größer, höher, weiter. Ich fühle mich trotzdem als Verlierer. Früher habe ich so etwas nicht gebraucht. Ich habe kaum etwas getrunken, war wenig feiern und einfach zufrieden. Der Mann an meiner Seite gab mir die Ruhe, die mir jetzt so schmerzlich fehlt.

Wieso trinkt man auf Partys so übermäßig viel? Die ersten Getränke dienen dem Locker werden, Hemmungen abbauen und leichter Spaß haben. Normalerweise hört man an diesem Punkt auf. Ich nicht. Wenn bei vielen eine gewisse Zufriedenheit einsetzt, steigt in mir die Einsamkeit hoch. Dinge die ich unter der Woche verdränge, bahnen sich ihren Weg in meine Gedanken. „Du möchtest doch einfach nur jemanden, der dich in den Arm nimmt“ – schreit es durch meinen Kopf. Jemanden, der dich als liebenswerten Menschen sieht, nicht als Sexobjekt. Ich schaue mich um, schaue in die leeren Gesichter der fremden Männer und versuche so auszusehen, als hätte ich Interesse an einem Gespräch. Ich wünsche mir in diesen Situationen jemanden, der sieht was in mir vor geht. Jemanden, der mir anstatt des nächsten Cocktails eine Cola in die Hand drückt, und mich aus der Masse herauszieht.

Da dies nicht passiert, sticht die Einsamkeit immer weiter auf mich ein. Meine einzige Abwehr in diesem Moment ist der nächste Drink. Irgendwann sind die Gefühle so abgeschaltet, dass ich für einen Augenblick vergesse, dass ich nur kompensiere.

Jede übertriebene Partynacht kompensiert Gefühle, die sich nur in bestimmten Situationen zeigen. Ich kompensiere, da ich mich hilflos gegenüber diesen Gefühlen sehe. Ich glaube, dass ich jemanden an meiner Seite brauche, um aus diesem Strudel herauszukommen.

Mir geht es gut. So lange ich meinem Alltag nachgehe, ist die Welt in Ordnung.

Es sind die Momente, in denen ich zum Beispiel durch einen Albtraum verängstigt aufwache, neben mich greife, und niemanden habe, der mich in diesem Moment trösten könnte. Was würde ich dafür geben, in so einem Augenblick einen starken Arm um mich zu haben, der mich zu sich heran zieht. Ein beruhigenden Herzschlag zu hören, und einfach wieder einzuschlafen.

Diese Gefühle sammeln sich und wollen irgendwann raus. Aber mein Körper wehrt sich, er vergiftet sich selbst, um sich vor ihnen zu schützen. Am Ende sind die durchzechten Partynächte nur ein Hilfeschrei. Mit der Zeit schreie ich immer lauter, in der Hoffnung, dass mich jemand hört. Doch die Männer um mich herum sind taub.

Irgendwann folgt die Resignation. Ein unschönes Wort, aber Resignation ist der erste Weg raus aus diesem Teufelskreis. Sich mit der Situation abzufinden, einen eigenen Weg heraus zu entdecken.

Am Ende kann ich mich nur selbst „retten“, mir selbst unter die Arme greifen, eine Cola bestellen, und auch manchmal vor 4 Uhr nach Hause gehen. Weil ich mich um mich selbst sorge und für mich sorge.